Soziale Unterstützung in Pfarreien

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Migrationspastoral hat in der Schweiz eine lange Geschichte. Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und die Römisch-katholische Zentralkonferenz (RKZ) arbeiten aktuell gemeinsam an einem Gesamtkonzept der Migrationspastoral. Dieses hat zum Ziel, in den nächsten Jahren in einem vermehrten Miteinander bei gleichzeitig wertschätzendem Nebeneinander an einer Gemeinschaft in Vielfalt zu bauen. Hier spielt die Diakonie eine wichtige Rolle. Wenn wir auf die Entwicklung der Diakonie in vielen anderssprachigen Gemeinden zurückblicken, sind drei Entwicklungsphasen zu erkennen.

Phase 1: In jungen Migrationsgemeinden baut die Diakonie auf dem Engagement von Freiwilligen auf. Neu Ankommende finden ihren ersten Rückhalt in der sie auf- nehmenden Gemeinschaft. Dort erhalten sie auch Unterstützung in ihren Fragen beim Zurechtfinden im neuen Land, angefangen von Übersetzungsdiensten bis zur Begleitung bei Behördengängen.

Phase 2: Nach einer ersten Integration sinkt der konkrete Unterstützungsbedarf. Die Diakonie rückt in den Hintergrund. Die Bedeutung von gemeinsamen Anlässen mit Menschen mit gleichen oder ähnlichen Wurzeln und die Feier von Gottesdiensten in der Muttersprache steigen. Die Feier der Gemeinschaft stärkt das soziale Netz und gibt ein Gefühl von Heimat. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl leistet diakonisch einen wichtigen Beitrag, indem schwache Glieder der Gemeinschaft aufgefangen und mitgetragen werden.

Phase 3: Die älter werdende erste Generation ist vermehrt auf konkrete Hilfe und Unterstützung angewiesen. Ähnlich wie in Ortspfarreien werden professionelle Sozialarbeiterinnen und -arbeiter angestellt. Diese bieten nun auch Neuankömmlingen bei sozialen Problemen und Fragestellungen professionelle Unterstützung an. Inhaltlich nähert sich die Diakonie in der Migrationspastoral den Aufgaben der Ortspastoral an – mit einem Fokus auf die jeweiligen kulturellen Herausforderungen.

Und doch gibt es Unterschiede. Die spezifischen Herausforderungen der Diakonie in Migrationsgemeinden wurden – und werden – während der Coronakrise ersichtlich. Sozialarbeiterinnen und -arbeiter waren beispielsweise gefragt, um in Krisensituationen grenzüberschreitende Kontakte zu den Behörden des Heimatlandes herzustellen, um etwa bei Todesfällen notwendige Dokumente zu erhalten. Im Weiteren zeigten sich selbst in grossen und etablierten Migrationsgemeinden vermehrt soziale Probleme von Sans-Papiers. Menschen mit Lebens- mittelpunkt in der Schweiz stehen plötzlich ohne Ein- künfte und Sozialversicherungen da. Es fehlt das Nötigste zum Leben.

Damit ein vermehrtes Miteinander bei gleichzeitigem wertschätzendem Nebeneinander gelingen kann, ist es wichtig, sich gegenseitig zu kennen, sich zu verstehen. Dies schliesst insbesondere das Kennen der Herausforderungen und das Wissen um Nöte der oder des Nächsten mit ein. Hier kommt der Diakonie eine wesentliche Rolle zu, die ein wichtiger Schlüssel ist für ein vermehrtes Miteinander von Migrations- und Ortspastoral. Das Bewusstsein der Gemeinsamkeiten und Unterschiede gerade im diakonischen Bereich ist wichtig, um auf Augenhöhe und im vermehrten Miteinander gemeinsam an unserer Kirche Schweiz zu bauen.

Karl-Anton Wohlwend

 

Karl-Anton Wohlwend (Jg. 1968) ist Volkswirt und Theologe. Seit 2019 ist er Nationaldirektor a.i. der Dienststelle migratio der Schweizer Bischofskonferenz. Nach dem Einstieg in die Pastoral war er fast 20 Jahre im Sozial- und Gesundheitswesen tätig.