Sakramentenkatechese im Wandel

Wie sollen in der heutigen stark säkularisierten Welt Menschen auf die Sakramente vorbereitet werden? Gibt es ein Erfolgsmodell oder ist gerade Erfolg das falsche Ziel?

Menschen entscheiden sich oft erst als Erwachsene für die Taufe. (Bild Wikimedia)

 

Sakramente wollen an Knotenpunkten des Lebens und mithilfe sprachlicher und gegenständlicher Elemente das Leben aus dem Glauben heraus verdichten, es durchscheinbar machen auf (s)einen tieferen Sinn, der für die Kirche in der Gottes- und Christusbeziehung menschlicher Existenz gründet. Was aber, wenn in unseren spätmodernen Kontexten die selbstverständliche Relevanz der Kirche und damit auch der Sakramente für das Leben der Menschen schwindet? Auf diese Frage gibt es nicht die Antwort – schon gar nicht aufseiten der Sakramentenkatechese. In diesem Sinn sind differenzsensible Zugänge in der Sakramentenpastoral gefragt, die der lebens- und glaubensgeschichtlichen Relevanz der Sakramente einen «Sitz im Leben» junger und erwachsener Menschen erschliessen können. So plural die Modelle in der Sakramentenkatechese dann auch sein mögen, sie alle sollten vor allem drei Grundhaltungen berücksichtigen, die sich in den letzten Jahrzehnten herausgebildet haben.

Mystagogische Grundhaltung

Im Nachgang zum Zweiten Vatikanischen Konzil wurde der mystagogische Ansatz zum leitenden Prinzip bestehender wie neuer Modelle in der Sakramentenkatechese. Die Verortung und Erschliessung der Sakramente sollten verstärkt als erfahrbarer Selbstgewinn durch Gottespräsenz aktualisiert werden. Entsprechende ganzheitliche wie subjekt- und situationsbezogene Modelle wollen seither die Relevanz dieser befreienden Gottespräsenz als performative Erschliessungserfahrungen (disclosure) im Leben der Menschen zur Sprache bringen. Die Hinführung zu und die Feier der Sakramente selbst werden entsprechend erfahrungsbezogen ausgestaltet. Die daraus erwachsenen Optionen entsprechender Lebens- und Glaubenspraktiken werden appellativ und nicht zuerst normativ formuliert. Um dem mystagogischen Grundanliegen gerecht zu werden, wird seither dem gegenseitigen Austausch von schon gemachten und neuen Glaubenserfahrungen im Kontext der Sakramentenkatechese mehr Raum gegeben. So z. B. in Form von Tauf-, Firm- oder Kommuniongruppen, in denen nicht nur Hauptamtliche die katechetischen Inhalte verantworten, sondern auch Ehrenamtliche, die ihre Glaubens- und Lebenserfahrungen mit denjenigen teilen, die die Sakramentenkatechesen besuchen.

Missionarische Grundhaltung

Bedingt durch die fortschreitende Erosion kirchlicher Relevanz in den spätmodernen Gesellschaften sowie der kirchengebundenen Glaubenspraxis von der «Wiege bis zur Bahre» erfuhr der mystagogische Ansatz eine Neuakzentuierung aufgrund des missionarischen Grundcharakters christlicher und kirchlicher Existenz. Seither wird die Sakramentenkatechese auch als Chance der Neuevangelisierung gesehen. Voraussetzung hierfür ist ein neues Verständnis von missionarischem Kirche-Sein, nämlich: Sie will Menschen nicht mit dem Evangelium erobern, sondern vielmehr mit dem Evangelium im Leben der Menschen Antizipationen der befreienden Gottespräsenz entdecken und praxisrelevant in Sprache heben. Sakramentenkatechese baut fortan nicht allein auf sozialbedingte Vorgegebenheiten wie Jahrgangsstufen auf, sondern schaut verstärkt auf die persönlichen Faktoren der Entscheidung für ein Leben aus den Sakramenten. Die hieraus erwachsenen katechetischen Formate, wie die Firmkatechesen oder der Taufkatechumenat für Erwachsene, orientieren sich an der frühkirchlichen Praxis, die den Wegcharakter in den Vordergrund stellt. Die innere Bereitschaft zum Sakramentenempfang steht damit im Vordergrund, die subjekt- und situationsbezogen begleitet und vertieft werden soll. Mit der missionarischen Akzentuierung ist die Hoffnung verbunden, dass aufgrund der persönlichen Entscheidungsdimension auch eine Erneuerungsdynamik in und für die Kirche erfolgt. Darin liegt natürlich auch eine Gefahr. Dann nämlich, wenn die Erneuerungsdynamik an sichtbare Erfolgskriterien gebunden wird und entsprechende normierende Tendenzen offen oder subversiv den Praxisbezug der Sakramentenkatechese bestimmen.

Leben und Glauben «zeugende» Pastoral

Insbesondere im Hinblick auf die hoch säkularisierten Gesellschaftskontexte wie in Frankreich oder in den Landesteilen Europas, die sich von autokratischen Systemen befreien konnten, wird zunehmend eine dritte Neuakzentuierung im Kontext der Sakramentenkatechese greifbar, die an die persönliche Entscheidungsdimension anknüpft, sie jedoch zuerst einmal zweckfrei weiterführt. Entsprechende Modelle lassen sich zum Beispiel von dem Grundansatz einer «Leben und Glauben zeugender Pastoral» (pastorale d'engendrement) inspirieren, deren Grundimpulse sich den in Frankreich wirkenden Theologen Christoph Theobald und Philippe Bacq verdanken. Getragen wird eine entsprechende Sakramentenkatechese von der Maxime, das Evangelium als Quelle solcher Begegnungs- und Beziehungsqualitäten zu verstehen, die im Hier und Jetzt in den Menschen selbst ein Gespür dafür «zeugen», dass das, was das Evangelium an freimachender Gottespräsenz intendiert, schon in ihren Lebenswelten im Wirken ist – ohne dabei das Evangelium annehmen zu müssen. Für die Sakramentenkatechese bedeutet dieser Ansatz letztlich eine enorme Entlastung. Denn sie darf sich von jedem Zweckdenken befreit erfahren, wonach am Ende möglichst alle auch das Sakrament empfangen müssten. Vielmehr kann Sakramentenkatechese als identitätserschliessende Begleitung von Menschen gestaltet werden, die den Freiwilligkeitscharakter des Sakramentenempfangs bis zum Ende konsequent durchträgt. Sie lässt sich dann auch nicht an Erfolgskriterien einer «Zählsorge» (Ottmar Fuchs) messen, sondern daran, ob es ihr gelingt, Menschen seelsorgerlich so zu begleiten, dass in ihrem Hier und Jetzt das zum Schwingen und zum Tragen kommt, was sich in den Sakramenten verdichtet: sich durch den Gottesbezug ins Recht gesetzt zu erfahren, in aller Offenheit und Freiheit das eigene Leben mit all seinen Möglichkeiten und Potenzialen zu wagen – mit dem bleibenden Angebot, dies auch sakramental in seinem Leben einzuholen.

Bleibende Herausforderungen

Wie bei allen pastoralen Fragen gibt es für eine Sakramentenkatechese im Wandel keine Patentrezepte. Auch wenn die individuelle Entscheidung der Menschen für das Christwerden und Christsein immer mehr in den Vordergrund rückt und die Frage nach entsprechenden Modellen in der Sakramentenkatechese zu überlegen und zu gestalten sind, gibt es immer noch traditionell gebundene Kriterien, die ebenso nach entsprechenden Modellen verlangen. Dies gilt insbesondere für eine Kirche wie die katholische in der Schweiz mit einem beträchtlichen Anteil von Migrantinnen und Migranten, für die z. B. sakramentenkatechetische Traditionsformen ihrer Herkunftsländer von hoher Bedeutung sind und bleiben. Jenseits aller berechtigten Vorbehalte gegenüber den Umstrukturierungsprozessen in den Bistümern ist hier ein positives Moment für eine differenzsensible Sakramentenkatechese zu finden. Frei von überkommenen Strukturen lassen sich nämlich neue und verschieden gelagerte Orte von Sakramentenkatechese generieren, die subjekt- und situationsgerecht den Sehnsuchtsbewegungen und Glaubenspluralitäten der Menschen gerecht werden können. Solche differenzsensiblen und pluralen Modelle dürfen allerdings nicht gegeneinander ausgespielt werden. Denn wer den befreienden Gnadencharakter der Sakramente konsequent ernstnimmt, wird die Sakramentenkatechese nicht als Instrument einer Pastoralmacht verstehen, Christinnen und Christen unter bestimmten Auswahl- oder Ausschlusskriterien zu rekrutieren.

Sakramentenkatechese ist kein didaktisch ausgefeiltes Mittel zur blossen Weitergabe von Glaubenswissen, auch nicht eine Spielwiese emotionsbeladener Belanglosigkeiten, die den christlichen Glauben auf einen Freizeitwert reduziert. Sie ist vielmehr der Erfahrungs- und Erprobungsraum einer Kirche, die ernst macht mit dem, was ihren sakramentalen Grundcharakter bestimmt: Dass es ihr bei allem zuerst um den Menschen geht, dem jedem und auf gleiche Weise alle Heilszusagen des Evangeliums vom «Deus humanissimus» (Edward Schillebeeckx) gilt.

Salvatore Loiero

 

Die SKZ veröffentlicht in loser Folge Beiträge zu den zwölf Leitsätzen zum «Leitbild Katechese im Kulturwandel». Weitere Informationen zum Leitbild finden sich unter www.reli.ch


Salvatore Loiero

Prof. Dr. Salvatore Loiero (Jg. 1973) ist Priester des Bistums Lausanne-Genf-Freiburg. Er studierte Theologie, Philosophie und Psychologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und habilitierte in Pastoraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Er ist seit 2013 Professor für Pastoraltheologie, Religionspädagogik und Homiletik an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg i.Ü.