Rückblick: Panorthodoxes Konzil

Das «Heilige und Grosse Konzil» der Orthodoxen fand vom 19. bis 26. Juni 2016 in Kreta unter dem Motto «Er rief alle zur Einheit» statt. Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I. lud alle vierzehn orthodoxen Kirchen ein. Vier sagten im letzten Moment ihre Teilnahme ab. 155 Patriarchen und Bischöfe tagten in der Orthodoxen Akademie Kolymvari. Erstmals waren vier Frauen als Beraterinnen zugelassen. Metropolit Jérémie in Chambésy bei Genf gab nach dem Konzil ein telefonisches Interview.

Die Vorbereitungen für ein panorthodoxes Konzil begannen 1961. Metropolit Jérémie betreute diese für das ökumenische Patriarchat von Konstantinopel: «Es war sehr schwierig, mit allen Kirchen und ihren Repräsentanten zusammenzuarbeiten und vorzubereiten. Wir haben dieses Konzil jetzt durchgeführt. Seit 1872 gab es kein ähnliches Konzil mehr», erklärte er. Man wollte anstehende Fragen aufwerfen und Antworten finden. Die Fragen wurden gemeinsam zusammengetragen und thematisch zusammengefasst. Sie betrafen innerorthodoxe Fragen sowie solche zur Weltverantwortung der Kirche heute und ihre Beziehungen zur übrigen christlichen Welt. Alle Kirchen arbeiteten gemeinsam an den Themen, am intensivsten die russischorthodoxe Kirche, die grösste unter ihnen mit mehr als der Hälfte aller orthodoxen Christen weltweit. Ausgerechnet sie sagte in letzter Minute nach der bulgarischen, georgischen und antiochenischen Kirche ihre Beteiligung ab. War das Konzil nun noch «allorthodox»? Eine Verschiebung des Konzils wurde gefordert u. a. mit der Begründung, dass Kritik vorliege an der Verfahrensordnung.

Zur Einheit aufgerufen

In den Verhandlungen kamen bei Themen wie «Aufgaben der Orthodoxen Kirche in der modernen Welt» oder «Beziehungen zur übrigen christlichen Welt» kontroverse Ansichten auf, während die Dokumente zu «Sakrament der Ehe» und «Die Bedeutung des Fastens und heutige Einhaltung» in kaum veränderter Form angenommen wurden. «Nicht alle Fragen wurden beantwortet», kommentierte Jérémie. Was vorliegt seien Kompromisse, mit denen sie alle leben können. Was in den Texten stehe, sei das Wort einer orthodoxen Kirche als einer Einheit. Damit liege eine Perspektive vor für eine «Zusammenarbeit ausserordentlicher Art». Alle Abänderungen wurden im Konsens verabschiedet und sind für alle anwesenden Kirchen verbindlich. Offen ist, wie die abwesenden Kirchen damit umgehen werden. Das Konzil soll neu als eine feste Institution alle sieben bis zehn Jahre fortgesetzt werden für Fragen, die alle beteiligten Kirchen angehen, und verstanden als ein Prozess. Für die orthodoxe Kirche ist das Konzil Ausdruck ihrer Einheit und Katholizität, das die isolierten eigenständigen Kirchen zum Austausch zusammenbrachte, damit sie die eine Orthodoxe Kirche als globale Weltkirche erfahren. Diese stelle eine objektive Referenz dar von Wahrheit, Hoffnung, Erwartung und dessen, was der Welt fehle: Spiritualität, erklärte Jérémie. Kardinal Kurt Koch begrüsste auf Kreta dieses Anliegen, denn für die Römisch-katholische Kirche sei «die Orthodoxe Kirche» in globaler Gestalt eine sichtbare Gesprächspartnerin für die Ökumene, die sich ihrer Universalität neu bewusst wird.

Erstmals Beraterinnen dabei

Der Ehrenvorsitzende Bartholomaios I. bekannte sich zur Ökumene: «Wir alle haben die vitale Bedeutung des Dialogs mit anderen christlichen Kirchen betont.» Im Dokument steht nun die Kompromissformel, dass die historisch immer als solche bezeichneten Kirchen und Bekenntnisse anerkannt werden. Zur Trennung aller Christen führte Jérémie aus, arbeiten sie für einen Dialog und leiden selbst darunter, dass nicht alle eins sind. Das Konzil habe sich neu auf Regionen hin geöffnet: Jene Regionen mit westlichem Lebensstil zeigen eine andere Mentalität im Zusammenleben mit den Völkern im Vergleich zu isolierten, die auch keinen Dialog mit andern Christen kennen und deshalb misstrauisch sind.

Die Spannbreite war offensichtlich: Zum ersten Mal waren Frauen dabei. Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel lud neu zwei Beraterinnen ein: die Politikwissenschaftlerin Elizabeth Prodromou (USA) und die Äbtissin des Frauenklosters in Chania (Kreta). Auch das Patriarchat von Albanien unter Erzbischof Anastasios wagte den Versuch mit zwei Beraterinnen, einer Ordensfrau und einer Laiin. Elizabeth Prodromou aus Amerika mit griechischzypriotisch- orthodoxem Hintergrund ist Spezialistin für internationale Beziehungen und Religionsfreiheit. Die ersten Tage erlebte sie als formalistisch. Nach der Absage von vier Kirchen habe sich das Klima verändert, und der Formalismus sei einfühlenden Diskussionen gewichen. «Das war inspirierend, das war der Geist eines konziliaren Prozesses», sagte sie. Die Orthodoxe Kirche wolle ihr eigenes Verständnis von Kirche in Einheit und Verschiedenheit sichtbar machen. Das funktioniere nur, wenn sie sich nicht ängstlich verschliesse, sondern sich die einzelnen eigenständigen (autokephalen) orthodoxen Kirchen einander öffnen und das zentrale Anliegen der Orthodoxie vertreten: Religionsfreiheit. 

Esther R. Suter

Esther R. Suter

Die evangelisch-reformierte Theologin und Pfarrerin Esther R. Suter ist Fachjournalistin SFJ/ASJ und engagiert sich bei UN Geneva als NGO-Representative for International Alliance of Women, bei UN New York als NGO-Representative for International Association for Religious Freedom und ist Vize-Präsidentin der International Association of Liberal Religious Women.