Privateigentum und Landnutzung aus theologischer Sicht

Die vom Fastenopfer unterstützte TCOE , einer Bewegung zur Bildung und Mobilisierung ländlicher Gemeinschaften, setzt sich in Südafrika für ehemalige Landarbeiter ein. (Foto: FO/Patricio Frei)

1. Einleitung

Konflikte um Land waren im Laufe der Geschichte immer ein wichtiges Thema – bis heute. In Südafrika mit seiner Geschichte von Enteignungen und ungleicher Landverteilung war eine der grössten Herausforderungen der ersten demokratischen Regierung von 1994, einen fairen Weg zu finden, wie Land zurückgegeben und umverteilt werden konnte. Da die Besitzrechte in der Verfassung garantiert waren, verabschiedete die Regierung die Politik der «willing seller/willing buyer», des freiwilligen Verkaufs an Kaufwillige. Doch damit wurden keine echten Fortschritte erzielt. In den ersten 18 Jahren wurde nur sehr wenig Land umverteilt, was bei den Millionen Landlosen zu einer wachsenden Frustration führte. Diese explodiert jetzt: Die Besetzung von staatlichem, kommunalem und privatem Besitz durch Landlose ist an der Tagesordnung. Aus diesem Grund hat die südafrikanische Regierung kürzlich die «willing seller/willing buyer»- Politik aufgegeben. Dies wird künftig zu mehr Enteignungen führen, wofür es in der Verfassung einigen Spielraum gibt. Viele andere Länder haben diese Richtung eingeschlagen, jüngstes Beispiel ist Brasilien. Das Problem wird verschärft durch das zunehmende globale Phänomen des Landraubs, bei dem ausländische Unternehmen riesige Landstriche aufkaufen, die für die Umverteilung von Land notwendig wären. Hier sind Massnahmen gefragt, welche weitere Ungerechtigkeiten verhindern. Diese Situationen werfen zu Privateigentum und dessen Grenzen und alternative Möglichkeiten der Landnutzung viele Fragen auf.

2. Die Soziallehre der Kirche zum Thema Privatbesitz

Die Kirche vertritt den Grundsatz, dass Eigentum niemals zum Schaden des Gemeinwohls genutzt werden darf. Dies ist das grundlegende Kriterium, aufgrund dessen die produktive Nutzung des Bodens zu Gunsten der Allgemeinheit rechtens ist, Grossgrundbesitz aber illegitim. Denn dieser widerspricht den Grundsätzen «die Erde ist für alle da, nicht nur für die Reichen» und «… niemand kann guten Grunds seinen Überfluss ausschliesslich für sich gebrauchen, wo andern das Notwendigste fehlt».1 Während die Kirche sich für das Recht auf Privateigentum einsetzt, um die persönliche und familiäre Autonomie als Teil der menschlichen Freiheit zu gewährleisten, macht sie doch klar, dass dieses Recht nicht bedingungslos, sondern an Verpflichtungen geknüpft ist. Es ist ein Mittel zumZweck und nicht das Ziel an sich. Das Recht eines jeden Menschen auf ausreichende Lebensgrundlagen setzt dem Privateigentum Grenzen. Denn «wer sich in äusserster Notlage befindet, hat das Recht, vom Reichtum anderer das Benötigte an sich zu bringen»,2 wie von Thomas von Aquin so dargelegt. Sie unterstützt die Beurteilung mancher komplexer sozio-ethischer Situation. Zum Beispiel, wenn Bauernfamilien von Land vertrieben werden, das sie bebaut haben, ohne Garantie, dass sie danach das Lebensnotwendige weiter zur Verfügung haben. Oder in Fällen von Besetzungen von ungenutztem Land durch Kleinbauernfamilien, die in grosser Armut leben. Sowohl das Zweite Vatikanische Konzil wie «Populorum Progressio» nehmen dazu Stellung: «Das Gemeinwohl verlangt deshalb manchmal eine Enteignung, wenn ein Besitz wegen seiner Grösse, seiner geringen oder überhaupt nicht erfolgten Nutzung, wegen des Elends, das die Bevölkerung durch ihn erfährt, wegen eines beträchtlichen Schadens, den die Interessen des Landes erleiden, dem Gemeinwohl hemmend im Wege steht.»3 – « Hier s ind Reformen geboten mit dem Ziel, (…) die nicht hinreichend genutzten Besitzungen aufzuteilen unter diejenigen, die imstande sind, diese Flächen ertragbringend zu machen.»4 D ie Kirchenväter haben nie über die «gerechte Entschädigung» der enteigneten Grundbesitzer diskutiert. Es ist eine einfache Frage von Gerechtigkeit, wie Ambrosius betonte: «Nicht von Ihrem Besitz schenken sie dem armen Mann, sie geben nur zurück, was ihm gehört. Von dem, was uns zu aller Nutzen gegeben wurde und sie sich selbst aneigneten.»5 Die Position der Kirche in Bezug auf Privateigentum ist also klar. Wer Land nutzt, soll das Recht haben, es zu besitzen. Im Gegensatz dazu sollten jene, die es nicht produktiv bewirtschaften, dieses auch nicht besitzen. Auf dieser Basis verurteilt die Kirche den Grossgrundbesitz als ungerecht und ungesetzlich.

3. Folgerungen für die Beurteilung von Landbesetzungen

Es ist wichtig zu verstehen, aus welchen Gründen Menschen Land besetzen. Wenn Familien, die zu wenig Land besitzen, um ihre grundlegenden Bedürfnisse erfüllen zu können, in ihrer Reichweite Land finden, das ungenutzt ist, kommen sie in Versuchung, diesen Lebensraum für sich zu erobern. In Südafrika hat auch die katholische Kirche eine Reihe von Landbesetzungen erfahren. Als die ersten Missionare nach Südafrika kamen, mussten sie sich auch selbst erhalten. Sie erwarben deshalb Grundstücke, welche sie vielfältig nutzten. Mit der Zeit haben immer weniger Missionsstationen Landwirtschaft betrieben, und ihre Farmen lagen brach. Dieses Land zieht Landbesetzer an. Oft sind es traditionelle Führer, welche diese Besetzungen initiieren. Dafür gibt es historische Gründe: Es war die traditionelle Rolle der «Chiefs», das Land zu verwalten und es jenen zuzuteilen, welche es brauchten. Auch die Missionare hatten das Land von ihnen erhalten. Später liessen sie es als «freies Grundeigentum» auf sich registrieren. Aus der Sicht der traditionellen Führer aber gehört das Land immer noch ihnen. Sie erwarten daher, dass die Grundstücke wieder an sie zurückfallen, wenn die Kirche keinen Nutzen mehr daraus zieht. Doch um diese Erwartung zu erfüllen, braucht es rechtliche Schritte, welche Zeit brauchen. In einigen Diözesen begleitet das Büro für Landfragen von «Justice and Peace» Südafrika diesen Prozess. Doch gibt es traditionelle Führer, welche es einfacher finden, das Kirchenland als ihr eigenes zu behandeln, ohne mit der Kirche Rücksprache zu nehmen. Unter dem Strich kann man festhalten, dass Landbesetzungen aus einem echten Bedürfnis nach Land motiviert sind. In Brasilien hat das Problem des ungenutzten Landes, das durch Grossgrundbesitzer blockiert war, dazu geführt, dass die notleidende landlose Bevölkerung begann, sich in sozialen Bewegungen zu organisieren und ungenutzes Land zu besetzen. Inzwischen sind sie durch die nationale Gesetzgebung geschützt.

4. Folgerungen für die Beurteilung des «Land Grabbing»

«Land Grabbing» ist ein neueres Phänomen: Multinationale Konzerne und ausländische Regierungen sichern sich grosse Landreserven, worauf sie Agrodiesel oder andere Exportprodukte anbauen. In Afrika kann man beobachten, wie südafrikanische Farmer sich grosse Flächen in den nördlicheren Ländern sichern. Oft geschieht dies unter dem Vorwand, dass durch die ausländischen Investitionen Arbeitsplätze geschaffen werden, was meist unerfüllt bleibt. Auch verhandeln die multinationalen Unternehmen und ausländische Investoren direkt mit den Regierungen und erhalten grosse Ländereien zugesprochen, ohne dass die lokale Bevölkerung ihre Meinung dazu äussern kann. Aufgrund des kirchlichen Grundsatzes der Solidarität mit den Armen ist Land Grabbing, das der ländlichen Bevölkerung ihre bereits mageren Lebensgrundlagen entzieht, nicht akzeptabel. In Südafrika selbst bleiben Schwarze von der grossen landwirtschaftlichen Produktion ausgeschlossen. Kolonialherren und die Vertreter der Apartheid haben dies in die Wege geleitet. Kann man den Schwarzen heute vorwerfen, dass sie nicht die Fähigkeiten und die Mittel besitzen, moderne Landwirtschaft zu betreiben? Als Kirche ist es unsere Aufgabe, sich mit diesen Armen zu solidarisieren, sie zu stärken – wenn wir dies wollen!

Philani Mkhize / Fr. Mike Deeb OP, Justitia et Pax, Pretoria/Südafrika

1 Enzyklika Populorum Progressio – über die Entwicklung der Völker von Papst Paul VI., Nr. 23. Die Übersetzung des vorliegenden Textes besorgte Blanca Steinmann, Fastenopfer.

2 Zweites Vatikanisches Konzil: Gaudium et Spes – Über die Kirche in der Welt von heute, Nr. 69.

3 Populorum Progressio, Nr. 24.

4 Gaudium et Spes, Nr. 71.

5 Übersetzt aus dem Englischen, zitiert in: Charles Avila: Ownership: Early Christian Teaching. Maryknoll N. Y. 1983, 137.