Peter Faber SJ, ein sanfter Reformer

Eine programmatische Heiligsprechung durch Papst Franziskus:

Kurz nach seinem Amtsantritt hat Papst Franziskus die Absicht geäussert, den ersten Priester der Gesellschaft Jesu, den sel. Peter Faber, heiligzusprechen. Am 17. Dezember 2013, seinem 77. Geburtstag, hat er dies getan, nach einem verkürzten Verfahren, das in den letzten Jahren öfters angewendet wurde. Am 3. Januar 2014, dem Patronatsfest der Gesellschaft Jesu, hat der Papst den neuen Heiligen mit einer Messe in der Kirche Al Gesù verehrt. Mit der Eintragung in das Verzeichnis der Heiligen kann Peter Faber in der ganzen Kirche verehrt und gefeiert werden. Uns Schweizern sollte Pierre Favre schon als Sohn des damaligen Bistums Genf nahestehen. Im savoyardischen Dorf Villaret kam er am 13. April 1506 zur Welt. Später durchquerte er dreimal die Schweiz und sammelte Eindrücke aus den reformierten wie aus den katholisch gebliebenen Kantonen.

Mit seiner Kanonisation will der Papst die Kirche auf einen Priester aufmerksam machen, den er zu seinen eigenen Vorbildern zählt. Er sieht in dem liebenswürdigen Savoyarden, einem Genie der Freundschaft, der unermüdlich tätig war und noch unermüdlicher betete, ein Vorbild für alle Seelsorger. Angesichts der sich ausbreitenden Reformation hielt Faber nicht Streitgespräche für das richtige Heilmittel, sondern ehrliche Liebe zu den Andersgläubigen und eine Reform des eigenen Lebens. Das war wohl ein zusätzliches Motiv für seine Heiligsprechung.

Faber wurde 1541 als erster Jesuit nach Deutschland gesandt und bewegte sich dort an der Frontlinie zwischen Katholizismus und Reformation, von Regensburg über Speyer nach Worms, Mainz und Köln. Was er dort erlebte, liess ihn die Reformation als Folge einer tiefen Krise in der Seelsorge verstehen, die nach einer Lebensreform der Seelsorger rief. Bei seiner ersten Seelsorgearbeit in Parma hatte Faber für die Laien eine Bruderschaft gegründet, die sie im Gebetsleben und im diakonischen Einsatz bestärken sollte. In Deutschland wurde er zum Seelsorger für die Seelsorger. Er gab ihnen Exerzitien, lehrte sie, ihre Sünden zu bereuen, das Leben Jesu zu meditieren und so neuen Eifer und Kraft für die Seelsorge zu schöpfen. Faber galt als der beste Exerzitienmeister der jungen Gesellschaft Jesu, der mit seinen Exerzitien auch Petrus Canisius für den Orden gewann.

Fabers Geheimnis lag neben seiner Liebenswürdigkeit wohl vor allem darin, dass er lebte, was er lehrte. Er hat uns ein geistliches Tagebuch hinterlassen, aus dem sich sein geistlicher Reifungsprozess ablesen lässt.1 Bei einer unglaublichen Aktivität («Man hat immer drei bis viermal mehr zu erledigen, als man erledigen kann», schreibt er einmal) und bei ständigen Ortswechseln mit langen Fussmärschen blieb Faber ein bei jeder Gelegenheit betender, innerlicher Mensch. Die Begegnung mit Gott, seinen Engeln und Heiligen war für ihn die Grundlage für die Begegnung mit den Menschen. Ein lebendiges Bild seiner Aktivität und seiner seelsorgerlichen Ratschläge, aber auch seiner Leiden gibt uns Faber in seinen Briefen.2 So klagt er einmal über die ständigen Ortswechsel, zu denen ihn die einander widersprechenden Aufträge von Papst und Kaiser zwangen. Faber ist in den kaum sechs Jahren seines Apostolats (1540–1546) geradezu zu einem Märtyrer des Gehorsams geworden:

«Unser Herr weiss, warum Er mir nie die Gnade gibt, lange an einem Ort bleiben zu können; warum man mich immer dann abberuft, wenn die Sachen gut zu gehen beginnen und die eigentliche Erntezeit kommt.»

Doch Faber weiss sich auch mit diesem Schicksal zu versöhnen:

«Bis jetzt hat das immer zum Besten ausgeschlagen, das sehe ich wohl; und so möchte ich um nichts in der Welt Rom nicht verlassen haben, um nach Parma zu ziehen, Parma, um nach Deutschland zu kommen; noch werde ich je den Ruf bereuen, der mich von Deutschland nach Spanien holte, und noch viel weniger den andern, der mich von Spanien hierher nach Speyer und von Speyer nach Mainz geführt hat.»3

Aus dieser geistlichen Erfahrung zieht er dann eine Lehre für seine Mitbrüder:

«Gesetzt, es geschähe, dass der Wille des Gehorchenden voll Nächstenliebe und voll Eifer für eine grosse Frucht, die ihm als sicher vorschwebt, ein Werk unternehmen möchte, während ihm der Gehorsam ein anderes aufträgt, von dem scheinbar gar keine Frucht zu erwarten ist: Dann wäre es gut, daran zu denken, dass man nicht gelobt hat, diese Frucht der Nächstenliebe zu bringen, sondern zu gehorchen; dass man auch nicht gelobt, Seelen nach eigenem Gutdünken zu retten, ja nicht einmal nach den frommen Wünschen, die uns der Herr vielleicht eingibt, sondern das zu tun, was uns von unseren Obern aufgetragen ist.

Ferner beachte man wohl, dass unser Herr manchmal unseren Sinn und unsere Bereitschaft zum Guten ausweiten will und darum auf der einen Seite unseren eigenen Willen und unsere eigene Einsicht ein gutes Werk ins Auge fassen lässt, während er auf der andern Seite tatsächlich will, dass wir das Gegenteil davon tun und uns nach dem Willen dessen richten, der uns befehlen kann, was wir wirklich ausführen sollen.»4

Aus dieser Verinnerlichung des Gehorsams ergibt sich auch sein ganz unpolemisches Verhältnis zu den Lutheranern. Er bleibt auch da der Seelsorger. Einem Mitbruder gibt er die immer noch aktuellen Ratschläge:

«Als Erstes muss, wer den Irrgläubigen unserer Zeit helfen will, zusehen, dass er ihnen viel Liebe entgegenbringt und dass er sie in Wahrheit liebt, indem er seinen Geist von allen Überlegungen frei macht, die der Achtung vor ihnen abträglich sein können. Als Zweites müssen wir ihre Gunst zu gewinnen suchen, dass sie uns lieben und uns einen guten Platz in ihrem Geiste geben. Das geschieht, wenn man sich mit ihnen freundschaftlich über Dinge unterhält, die ihnen und uns gemeinsam sind, und sich vor allen Streitgesprächen hütet, wo einer den andern herabzusetzen sucht.»5

Dann folgen Ratschläge zur Erneuerung der kirchlichen Praxis, in der Faber die eigentliche katholische Antwort auf die Reformation sah. So schrieb er einmal dem Prior der Kartause in Köln:

«Welchen Eindruck, so frage ich, würde es auf die ganz kalt gewordenen Irrgläubigen unserer Tage machen, wenn sie nur in einer einzigen Stadt neuen Eifer in Verkündigung und Befolgung eines einzigen jener Glaubensartikel sähen, in denen sie von unserer Lehre abweichen? Wenn sie sähen, wie die Ohrenbeichte nun in höheren Ehren gehalten wird als bisher, wie sie von Laien eifrig gepflegt wird; wie diese durch sie entsühnt werden und wie die Entsühnten froheren Herzens von der Beichte zurückkehren: Sie würden es nicht wagen, ihrer Lehre in diesem Punkte noch einigen Erfolg zu versprechen! Wenn sie in den Kirchen den häufigen Kommunionempfang sähen, der diesen jede Woche, jenen alle vierzehn Tage, an den verschiedenen Tagen an verschiedenen Orten Kraft und Licht spendet: Keiner würde es mehr wagen, noch etwas von der zwinglianischen Abendmahlslehre ins Gespräch zu bringen!»6

Von seinen Wanderungen zwischen Deutschland und Spanien bzw. Portugal völlig erschöpft, starb Faber, kaum vierzigjährig, am 1. August 1546 in Rom – auf dem Weg zum Konzil in Trient. Hätte Faber an ihm teilnehmen können, hätte es vielleicht eine etwas andere Akzentsetzung erhalten.

1 Petrus Faber: Memoriale. Das geistliche Tagebuch des ersten Jesuiten in Deutschland. Nach den Manuskripten übersetzt und eingeleitet von Peter Henrici. ( Johannes Verlag) Einsiedeln 21989, 382 S .

2 Eine vollständige französische Ausgabe dieser Briefe ist in Vorbereitung.

3 Brief vom 7. November 1542 aus Mainz (Memoriale, 340).

4 Unterweisung über den vollkommenen Gehorsam, Valladolid Sommer 1545 (Memoriale, 364).

5 Brief vom 7. März 1546, (Memoriale, 374).

6 Brief vom 12. April 1545 (Memoriale, 343–344).

Peter Henrici

Peter Henrici

Weihbischof Dr. Peter Henrici SJ war von 1960 bis 1993 Professor für neuere Philosophiegeschichte und 1972–1978 sowie 1990–1993 Dekan der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. 1979 gründete er das «Centro Interdisciplinare sulla Communicazione Sociale», dessen erster Direktor er bis 1990 war. Von 1993 bis 2007 wirkte er als Weihbischof und Generalvikar des Bistums Chur in Zürich, bis 2009 versah er Spezialaufgaben in der Schweizer Bischofskonferenz