Papst Franziskus will es wissen

Im Vorfeld der 15. Weltbischofssynode, in deren Fokus die seelsorgerische Begleitung junger Katholiken steht, führte die SBK eine Online-Befragung unter Jugendseelsorgern durch, deren Resultate nun vorliegen.

40 Fragen über die Jugend umfasst der im Vorbereitungsdokument vom Vatikan vorgelegte Fragenkatalog für die Bischofssynode, die im Oktober stattfindet. Es sollen die gegenwärtig «stärksten Herausforderungen» für Jugendliche in den einzelnen Ländern benannt werden. Das Synodensekretariat möchte auch erfahren, welche kirchlichen Jugendvereinigungen den grössten Erfolg haben und welche Gründe es dafür gibt. Dazu wurde auf der Medienplattform www.kath.ch eine intensive Debatte geführt. Weitere Themen sind, wie sich Jugendliche in die Kirche einbringen können und wie kirchenferne Heranwachsende wieder näher an die Kirche herangeführt werden können.

Jugendliche in einem komplexen Umfeld

Der römische Fragenkatalog wurde in einer dafür gebildeten Taskforce für die Schweiz adaptiert und von der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) als Online-Befragung in Auftrag gegeben. Sie richtete sich entsprechend der römischen Vorgabe nicht direkt an die Jugendlichen, sondern an ihre Begleiter, an Personen also, die in der Jugendarbeit über Kompetenzen und breite Kontakte verfügen. Es wurden Institutionen angeschrieben sowie haupt- und ehrenamtliche Jugendarbeiter. Vor allem hauptamtliche Jugendarbeiter antworteten. Insgesamt gab es 40 Rückmeldungen.

Die Antworten auf die 20 gestellten Fragen sind letztlich Interpretationen von persönlichen Erfahrungen, Eindrücken und Fachwissen. Sie geben Einschätzungen aus bestimmten Blickwinkeln wieder und entsprechen den Erfahrungen, die viele Begleiter im Umgang mit jungen Menschen persönlich machen, auch ohne speziell in die kirchliche Jugendarbeit eingebunden oder in ihr professionell tätig zu sein.

In diesem Sinn ist es keine Offenbarung, dass sich Jugendliche heutzutage Herausforderungen gegenübersehen, die mit einer multikulturellen, immer komplexeren und schnelllebigen Informations- und Wohlstandsgesellschaft, mit flexiblen und hochentwickelten Arbeitswelten, grossen Bildungsangeboten und Wahlmöglichkeiten verbunden sind, wenigstens hierzulande. Genannt werden in diesem Kontext Leistungs- und Erfolgsdruck, Konsumismus, Digitalisierung, Dauererreichbarkeit und Orientierungsprobleme inmitten eines Overkills an Informationen.

Wen überrascht es, wenn in diesem Zusammenhang auch kritisch konnotierte Stichworte fallen wie «keine Ruhe und Stille», «Bindungsängste», «Relativismus in Weltanschauungsfragen», «Überbetonung des Äusseren», «Identitätsprobleme», «Entscheidungshemmungen» oder «innere Einsamkeit und Depressivität». Die positiven Seiten der Medaille sind der leichte Zugang von Jugendlichen zu Wissen, die grossen individuellen Freiheiten, ihre guten Bildungschancen, die Vielfalt der Lebensstile und Vernetzungsmöglichkeiten, die interkulturellen Erfahrungen, die hohe Mobilität usw. Die Sprachregionen in der Schweiz ergeben diesbezüglich ein einhelliges Bild.

Gläubige Jugendliche haben es in ihrem jeweiligen Umfeld nicht leicht. Sie fallen auf und brauchen Mut, zu ihrem Glauben zu stehen. Sie sind täglich – auch stillschweigend – mit multiplen Infragestellungen konfrontiert. Sie brauchen Begleitung. Letztere ist das grosse Anliegen von Papst Franziskus: Begleitung und Unterscheidung.

Berufungsorientierte Jugendpastoral

Die Kirche will alle Jugendlichen in einem Unterscheidungsprozess begleiten, durch den sie im Licht des Glaubens die eigene Berufung erkennen können. So lautet das grosse Anliegen von Franziskus. Es geht um existenzielle Fragen wie «Was ist mein Platz in der Welt?», «Worum geht’s für mich?», «Wofür schlägt mein Herz?» oder «Wie will ich leben?». Deshalb bildet die «berufungsorientierte Jugendpastoral» den Schwerpunkt der Fragen.

Aus dem Vorbereitungsdokument geht auch hervor, dass mit «Berufung» nicht nur «geistliche Berufe» gemeint sind. Vielmehr geht es darum, Jugendlichen zu helfen, sich über ihren eigenen Lebensweg Klarheit zu verschaffen und den Ruf Gottes in ihrem jungen Leben zu vernehmen. «Die Unterscheidung wird dann geübt, wenn es gilt, in Situationen der Unsicherheit und angesichts sich widersprechender innerer Regungen Entscheidungen zu treffen und dem eigenen Handeln eine Richtung zu geben. Unterscheidung ist ein klassischer Begriff der Tradition der Kirche, der auf viele verschiedene Situationen angewandt wird» (Zitat aus dem Vorbereitungsdokument).

Authentische Begleitung ist gefragt

Schliesslich soll die Synode auch Gelegenheit dazu bieten, sich durch die «Best Practice» anderer, die in der Jugendarbeit erfolgreich sind, inspirieren zu lassen. Der Erfolg kirchlicher Jugendarbeit wird entsprechend der Umfrage in hohem Mass an einer authentischen, dialogischen Beziehungsarbeit festgemacht. Dabei spielt die eigene Kohärenz in Glaubensfragen (Vorbildcharakter) eine entscheidende Rolle. Wo dies der Fall ist, überzeugt auch die Sprache. Mit anderen Worten: Man wird vom Jugendlichen verstanden!

Wichtig sind im Weiteren gemäss den Antworten der Online-Befragung die Orientierung an der Lebenswelt der Jugendlichen, Freundschafts- und «Community»-Erfahrungen, die Einbeziehung der sozialen Medien und die Verbindung von Tiefe mit Lebensfreude.

Eine der grössten Herausforderungen bleibt zweifellos, dass viele Jugendliche von der Kirche nicht mehr viel erwarten und sie für ihr Leben im Alltag wenig Relevanz hat. Die positive Seite dieser Herausforderung ist, dass die Kirche für viele von ihnen als «terra ignota» (Neuland) auch wieder interessant wird und neu ins Gespräch gebracht werden kann. Vorurteile und kritische Einwände von Jugendlichen gegen kirchliche Positionen sind Anknüpfungspunkte für eine ehrliche Auseinandersetzung und bestenfalls auch für Erkenntnisfortschritt. Ein Weg zu kirchendistanzierten Jugendlichen führt über ihre kirchlich sozialisierten Freunde und über die sozialen Medien, in denen sie präsent sind. In diesem Sinn sind Jugendliche für Jugendliche die besten Missionare oder Werbeträger guter kirchlicher Angebote.

Das sind einige Streiflichter aus der Online-Umfrage. Im März wird in Rom ein weiteres Vorbereitungstreffen stattfinden. Der Papst lädt Jugendliche aus allen Ländern dazu ein. Wir sind gespannt darauf, was sie selber sagen.


Marian Eleganti

Dr. theol. Marian Eleganti OSB (Jg. 1955) ist 
emeritierter Weihbischof des Bistums Chur und war von 2011 bis 2018 Jugendbischof für die deutschsprachige Schweiz und das Tessin.

 

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