Ökumene konkret

MenschOlten!

In allen Pfarreien sind die Fastenaktionen mit viel Freiwilligenarbeit verbunden. Am Beispiel von MenschOlten!, der Aktion der Oltner Kirchen zur Fastenzeit, stellen wir vor, wie Ökumene – der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen christlichen Religionen – lebendig gestaltet und konkret wird. In der Stadt Olten, von welcher die meisten vom Umsteigen her nur den Bahnhof kennen, gibt es jedes Jahr vor Ostern vielfältige Anlässe zur Ökumenischen Kampagne von «Fastenopfer», «Brot für alle» und «Partner sein». Engagierte Gemeindemitglieder verschiedener christlicher Kirchen, unterstützt von der Gemeindeleitung der katholischen Kirche, den Pfarrerinnen der reformierten und der evangelisch-methodistischen Kirche sowie dem christkatholischen Pfarrer stellten auch 2016 ein abwechslungsreiches Programm für die Fastenzeit zusammen. Sie wollen damit die Ökumenische Kampagne in den Ort tragen, mit der Kirche nach aussen treten.

Freiwillige in Aktion

11 000 Adressen erhält MenschOlten! jeweils von der Stadt. Es werden ausnahmslos alle Haushalte angeschrieben und mit einem Fastenkalender, einem Brief, der auf die Anlässe hinweist, sowie einem Einzahlungsschein für das ausgewählte Projekt bedient – egal ob christlich, muslimisch oder konfessionslos.

Als wir am 10. Februar vor einem Jahr den Saal der Pauluskirche in Olten betraten, war die Einpackaktion in vollem Gange. Seit acht Uhr morgens wurden hier Fastenkalender in Couverts gesteckt, begleitet von einem Gemeindebrief, der auf die Veranstaltungen von MenschOlten! hinweist und einem Einzahlungsschein für das ausgewählte Projekt. Organisiert wird der Versand seit Jahren von den ehemaligen Stadträten Doris Rauber und Werner Bütikofer. Beide engagieren sich in der reformierten Kirche, sie als Lektorin, er als Kirchenkommissions-mitglied und Präsident der Seniorenarbeit «aktiv 66+». Neu gehört Raymond Rohner zum Organisationsteam.

Tatkräftig unterstützt wurden sie an diesem Morgen vom Sakristan Werner Berger und seiner Frau, welche nicht nur die Palette mit den von «Fastenopfer» und «Brot für alle» angelieferten Kalender in den Raum fahren, auspacken und auf die Tische verteilen, sondern gleichzeitig in der angrenzenden Küche eine Suppe kochen. Die reformierte Pfarrerin Katharina Fuhrer und ihr christkatholischer Kollege Kai Fehringer hatten die Aktion gemeinsam eröffnet und arbeiteten nun ebenfalls mit.

Helfen, wo man kann

Insgesamt waren rund 40 Freiwillige versammelt. Vor allem ältere Leute sassen um die Tische – aber nicht nur. Auch ein paar Frauen mit Kindern und ein paar Junge sind dem Aufruf gefolgt. «Ich studiere Sozialpädagogik, und da Semesterferien sind, kann ich ein paar Stunden erübrigen», sagt der 23-jährige Daniel Lässer, der in der reformierten Kirchenkommission für die Jugendarbeit zuständig ist. Ein Ehepaar ist seit bald vier Stunden dabei, Adressen auf die Couverts zu kleben. Ein verantwortungsvoller Job, da diese säuberlich nach Wohnquartieren geordnet werden müssen. Denn das Verteilen der Briefe wird danach ebenfalls von Freiwilligen übernommen, um das Porto – fast 10 000 Franken – zu sparen. Die beiden sind heute aktiv bei den Christkatholiken, obwohl sie reformiert geheiratet haben. Sie wurden von ihrem Pfarrer für die Versandaktion angefragt und machen gerne mit, obwohl das Adressaufkleben ermüdend ist.

Sozialer Treffpunkt

Etwas weniger anstrengend ist die Arbeit an den grossen Tischen, wo die Briefe und Kalender ins Couvert gesteckt werden. Hier gibt es Zeit, ein paar persönliche Worte zu wechseln. Eine ältere Dame erklärt: «Hier am Tisch sind wir alle Witfrauen. Wir kennen uns von ganz verschiedenen Anlässen, welche die Kirchen mit oder für Seniorinnen und Senioren anbieten: Wandern, Turnen, Jassen, Spielen, die Weihnachtsfeier, die Seniorenferien, das Älplermagronenessen … Wir helfen schon mehrere Jahre beim Einpacken. Es ist gut, wenn man nicht so viel allein ist.» Ihr Kollege am nächsten Tisch kommt ebenfalls von der Seniorenarbeit: «Eigentlich bin ich ja Wanderleiter bei ‹aktiv 66+›, dem Seniorenprogramm der reformierten Kirche, aber hier helfe ich gerne, ich bin sicher schon das siebte Mal dabei.» Er bezeichnet sich als Überzeugungstäter: «Weil ich politisch interessiert bin, lese ich den Fastenkalender immer. Denn die Kampagne nimmt immer interessante Themen auf und zeigt, wo es in der Welt nicht rund läuft.»

Solidarisch sein und ökumenisch handeln

Für Catrine Grassi – die während drei Jahren für «Brot für alle» gearbeitet und MenschOlten! mitbegründet hat – sind die Themen der ökumenischen Kampagnen ebenfalls wichtig. Gleichzeitig meint sie: «Diese Einpackaktion war von Anfang an ein ‹Social Event›. Man trifft sich, unterhält sich während der Arbeit, und am Schluss gibt es einen feinen Zmittag für alle. Ich bin schon seit 31 Jahren dabei, die ökumenische Zusammenarbeit gibt es in Olten also schon lange. Doch erst seit 2009 treten wir als MenschOlten! mit einem eigenen Logo auf.»

Zur Zusammenarbeit der verschiedenen Kirchgemeinden äussert sich eine der ältesten Freiwilligen: «In Olten sind wir ökumenisch! Ich bin zwar katholisch, aber meine Tochter hat reformiert geheiratet, und jetzt bin ich mit ihr und den vier Buben oft auch in der reformierten Kirche. Früher gab es noch Machtkämpfe zwischen den Konfessionen, aber das ist vorbei. Ich war letztes Jahr mit der reformierten Kirche in der Ferienwoche. Wir haben den Frieden in Olten. Es brauchte eigentlich nur eine Kirche, wir haben ja alle den gleichen Herrgott.»

Pfarrerin Katharina Fuhrer drückt es so aus: «Mir ist es wichtig, die Offenheit der Kirche zu pflegen. Denn Kirche ist, wo man einfach hinkommen und sein spirituelles Bedürfnis pflegen kann. Ob man reformiert, katholisch oder etwas anders ist, ist nicht so wichtig. Es ist viel wichtiger, dass man sich fragt, was wir brauchen. Und dass man mal über die eigene Nasenspitze hinausschaut. Bei der Ökumene geht es nicht um die Diskus-sion, was uns unterscheidet. Vielmehr geht es um die Frage, was unsere Aufgabe in dieser Welt ist. Diese Einpackaktion ist eine Möglichkeit, sich in diesem Sinne zu engagieren.»

Gemeinsam feiern

Kurz vor Mittag stiessen weitere Freiwillige hinzu und trugen die Taschen mit den Couverts in bereitstehende Autos. Es traf auch die Sekretärin der römisch-katholischen Kirchgemeinde ein – sie war verantwortlich, dass die Verteilung der 11 000 gepackten Couverts in die Briefkästen Oltens klappt. Dann wurde aufgeräumt, die Tische wurden zu einer langen Tafel zusammengeschoben, und es gab für alle Suppe, Wienerli, Brot, Tee – und Wein, die Fastenzeit hatte ja noch nicht begonnen!

MenschOlten! hofft, dass auch 2016 viele Einwohnerinnen und Einwohner ihren Einladungen Folge leisten: Es gibt einen ökumenischen Gottesdienst, verschiedene Suppenessen, ein Referat über Hunger im Neuen Testament von der Theologin Luzia Sutter-Rehmann und den neuen Film «La buena vida» über die negativen Folgen einer Kohlemine für die Bewohner der Waldgebiete Kolumbiens.

Zum ersten Mal wird gemeinsam für ein Projekt gesammelt, das vom christkatholischen Hilfswerk «Partner Sein» betreut wird: Im Kongo, wo die Menschen unter den Folgen internationaler Minenkonzerne leiden, soll mit den Spenden ein Schulhaus gebaut werden. Alle Beteiligten hoffen, dass auch dieses Jahr wieder mehr als 30 000 Franken zusammenkommen, damit ihr Engagement auch konkrete Früchte trägt.

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Ökumenische Kampagne 2016: Verantwortung tragen – Gerechtigkeit stärken

Die Schweiz spielt im globalisierten Goldgeschäft eine zentrale Rolle. Doch häufig verletzen die internatio-nalen Rohstofffirmen in armen Ländern die Menschenrechte und verseuchen die Umwelt. Deshalb nehmen «Fastenopfer», «Brot für alle» und «Partner sein» mit der Ökumenischen Kampagne 2016 Schweizer Unternehmen unter die Lupe, konkret ihre Goldgeschäfte. Die Entwicklungsorganisationen zeigen auch Handlungsmöglichkeiten: Sie fordern zur Unterzeichnung der Konzernverantwortungsinitiative auf und setzen damit direkt bei den Ursachen an.

www.sehen-und-handeln.ch

Über MenschOlten!: www.mensch-olten.ch

 

Blanca Steinmann, Fastenopfer, unter Mitarbeit von Maria Dörnenburg, Brot für alle

Die Ethnologin und Journalistin Blanca Steinmann ist Mitarbeiterin von «Fastenopfer». Maria Dörnenburg ist bei «Brot für alle» verantwortlich für die Zusammenarbeit mit den Kirchgemeinden.