Öko-Theologie - Drei Religionen, ein Anliegen

Wirkt der Schöpfer in der Natur? Welche Stellung hat der Mensch darin? Ökologische Theologie liest die religiösen Quellen neu, um den Eigenwert alles von Gott geschaffenen Lebens zu begründen. Eine Tagung an der Universität Freiburg bot einen Einblick in ein erfrischend neuartiges Forschungsfeld und feierte das Jubiläum 30 Jahre Verein oeku Kirche und Umwelt. Die SKZ dokumentiert daraus einige Beiträge.

In der Öko-Theologie spielt der deutsche Sprachraum nicht (mehr) mit. Ein Aufsatzband zum Verhältnis von Religion und Ökologie zitiert abgesehen von Albert Schweitzer niemanden deutscher Zunge. Das amerikanische Buch behandelt die theologischen Reaktionen auf den vor 50 Jahren erschienenen Artikel von Lynn White Jr. über die historischen Wurzeln unserer ökologischen Krise.1 Ökologische Theologie hat das Anliegen, auf die damals angeprangerten religiösen Denkmuster zu reagieren. Mein Beitrag fasst die These von White zusammen, berichtet über die Tagung und schliesst mit den bibelwissenschaftlichen, systematischen und ethischen Feldern der Öko-Theologie.

Die religiöse Herausforderung durch die Ökologie

Lynn White war Fachmann für Technikgeschichte und hielt 1966 einen Vortrag auf der Jahresversammlung der American Association for the Advancement of Science. Darin behauptete er, Glaubensüberzeugungen seien die treibenden kulturellen Kräfte, die das Verhältnis der Menschheit zur Natur bestimmen. Die jüdisch-christliche Bibel verneine, dass Grössen in der Natur wie Bäume oder Flussläufe einen eigenen Wert in sich haben. So werde der Mensch ermächtigt, andere Lebewesen oder intakte Lebensräume technisch zu nutzen und auszubeuten.

Später untersuchte White, wie das lateinisch-katholische Christentum die naturwissenschaftlichen Entdeckungen islamischer Gelehrter aufgriff und weiterentwickelte.2 Das fordert Judentum, Christentum und Islam, die man seit 1950 auch «abrahamitische Religionen» nennt, gemeinsam heraus. White verschonte das orientalische, orthodoxe Christentum und Franz von Assisi, empfahl sogar Franziskus als Patron der Umweltschützer. Als Presbyterianer trug White in sich das Doppelgesicht reformierter Naturbetrachtung. Einerseits waren Calvinisten in ihrem Fleiss die Speerspitzen der Industrialisierung. Andererseits rekrutierten sich grüne Aktivisten besonders aus Reformierten.

Öko-Theologie der abrahamitischen Religionen

Die Tagung zur ökologischen Theologie in der Schweiz stellte Reaktionen der Glaubensrichtungen auf die ökologische Krise vor. Martin Robra präsentierte die Umweltinitiativen des Ökumenischen Rats der Kirchen. Aus der reformierten Tra dition griff François Démange, Professor für Ethik an der Theologischen Fakultät Genf, die Wirkung von Calvins Wertschätzung für die Natur auf, in der dieser das Theater der Glorie Gottes sah. Die Haltung der Orthodoxie zur Natur zeigt sich in Umweltinitiativen des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel. 1989 erklärte der Ökumenische Patriarch den 1. September zu einem Tag des Gebetes für die Bewahrung der Schöpfung. Erzbischof Job Getcha, Professor an der Hochschule für Orthodoxe Theologie Chambésy, sprach über die von einem Mönch auf dem Athos neu geschaffene Liturgie für diesen Tag.

Die Liebe des Franz von Assisi zu allen Geschöpfen findet Widerhall in katholischen Ordensgemeinschaften. Klöster suchen einen nachhaltigen Lebensstil, und englischsprachige Ordensfrauen, die Theologie lehren, forschen über dessen christliche Grundlegung. Das beleuchtete der Vortrag von Cornelia Mügge und Walter Ludin OFMcap. Die Vorträge zum Judentum und zum Islam hielten Gaby Knoch-Mund und Rifa’at Lenzin. Es hat sich gut gefügt, dass Frauen über die als eher männlich dominiert wahrgenommenen katholischen, jüdischen und islamischen Traditionen sprachen.

Die Wahl seines Namens zeigt ein ökologisches Anliegen bei Papst Franziskus. In der Enzyklika Laudato Si’ bestätigt er den Eigenwert aller Lebewesen unabhängig von menschlichem Nutzen und nimmt damit die Forderung von Lynn White auf, die zerstörerischen Haltungen im Christentum zu wandeln. Davor veröffentlichte die Päpstliche Akademie der Wissenschaften zu Klimawandel und ökologischer Krise. Werner Arber, Nobelpreisträger und Präsident der Akademie, beschrieb deren Arbeit.

Bibelwissenschaft, Dogmatik, Ethik und Öko-Theologie

Viele ökologisch engagierte Menschen teilen die Vorbehalte von Lynn White gegenüber dem Anthropozentrismus der Bibel. Es gibt im Alten Testament aber Texte, vor allem aus der Weisheit, die den Menschen ganzheitlich in die Natur einordnen. Der australische Exeget Norman Habel, Fachmann für das schöpfungstheologisch wichtige biblische Buch Ijob, unterhält eine Website über die Schöpfungszeit. Das ist der zunehmend liturgisch gefeierte Zeitraum vom 1. September, dem orthodoxen Fest des Schöpfergottes, bis zum 4. Oktober, dem Gedenktag des Franz von Assisi. Habel organisiert seit 2004 Sektionen zur Ökologischen Hermeneutik auf den Jahrestagungen der Society of Biblical Literature in den USA. Dort hat noch nie jemand aus dem deutschen Sprachraum mitgemacht. Ist Ecotheology eine angelsächsische Angelegenheit? Im Buch von Dave Bookless, einem anglikanischen Priester, der über den Weg seiner Familie zu einem christlich begründeten nachhaltigen Lebensstil erzählt, stiess ich zum ersten Mal auf Zitate eines deutschen systematischen Theologen, nämlich von Jürgen Moltmann.3 Es gab also eine Zeit, da beeinflusste deutschsprachige Theologie die Ecotheology. Die amerikanische Theologin Celia E. Deane-Drummond hat ein Buch über diese Einflüsse geschrieben.4

Heute betreibt man Öko-Theologie im deutschen Sprachraum fast nur als Seitenlinie der theologischen Ethik. Darin forschen z. B. Ingeborg Gabriel in Wien, Markus Vogt in München und Jens Köhrsen in Basel. Von 1985, aus der Zeit einer weiter gefächerten deutschsprachigen Öko-Theologie, stammt das ökologische Memorandum «Mensch sein im Ganzen der Schöpfung» der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz. Es war die Wiege des ökumenischen Vereins oeku Kirche und Umwelt.

30. Geburtstag des Vereins oeku Kirche und Umwelt

Als Folge des ökologischen Memorandums entstand im Dezember 1986 die ökumenische Arbeitsgemeinschaft Kirche und Umwelt (OeKU). Zur Bestandsaufnahme dessen, was schöpfungstheologisch in der Schweiz und den Nachbarländern getan wurde, veranstaltete man im Januar 1988 die Studientagung «Schöpfungstheologie – gegenwärtiger Stand und zukünftige Aufgaben». Es lag nahe, den 30. Geburtstag von oeku am 4. und 5. November 2016 mit einer Tagung zu feiern, um die deutschsprachige Öko-Theologie aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken.

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Politische Solidarität mit Folgen

Es ist wichtig, dass auch durch die Kirchen Führungskräfte gefördert werden, die sich für die Durchsetzung einer echten Solidarität in Politik und Wirtschaft einsetzen.

In politischer Solidarität mit Menschen und Völkern, die durch Brandrodung des tropischen Regenwaldes ihrer Lebensgrundlagen verlustig gehen, ist konkret zu verlangen:

1. Die Entschuldung der verschuldeten Länder durch einen Zinsenstopp.

2. Der Verzicht auf Rückzahlung fälliger Kredite.

3. Der Einsatz von Geldern für die Rettung des Lebensraumes bedrohter Völker.

Aus: Mission und Bewahrung der Schöpfung. Thesen zum missionarischen Auftrag in: Zeitschrift für Mission XV (1989) 149–152, 151 f. (These 6)

 

 

1 Todd LeVasseur und Anna Peterson (Hg.), Religion and Ecological Crisis: The «Lynn White Thesis» at Fifty. (Routledge Studies in Religion 50), New York: Routledge, 2016, © 2017. Zitiert wird der französische Sammelband: Charles-François Mathis und Jean-François Mouhot (Hg.), Une protection de l’environnement à la française?: (XIXe-XXe siècles). Seyssel: Champ Vallon, 2013.

2 Lynn White Jr., The Historic Roots of Our Ecological Crisis, Science 155/1367 (1967) 1203–1207. Ders., Medieval Religion and Technology: Collected Esseys. Berkeley: University of California Press, 1978.

3 Dave Bookless, Und mittendrin leben wir: Gott, die Ökologie und Du. Basel, Fontis-Brunnen, 2015.

4 Celia E. Deane-Drummond, Ecology in Jürgen Moltmann’s theology. Lewiston, NY: Edwin Mellen Press, 1997. Neudruck: Eugene, OR: Wipf & Stock, 2016.  

Hans Ulrich Steymans | © Uni Fribourg

Hans Ulrich Steymans

Prof. Dr. Hans Ulrich Steymans OP unterrichtet Altes Testament und Biblische Umwelt an der Universität Freiburg i. Ue.