Nun aber ist Christus auferstanden ( 1Kor 15,20)

Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel: 1 Kor 15,20–27 (Offb 11,19a; 12,1–6a.10.ab; Lk 1,39–56)

Der Erste Brief des Apostels Paulus an die Christinnen und Christen von Korinth behandelt in grosser theologischer Intensität und Dichte eine Vielzahl wichtiger Themen. Er zeugt dabei von nicht wenigen, bis dato in der Gemeinde ungeklärt gebliebenen oder sogar kontrovers diskutierten Glaubensinhalten (vgl. 1 Kor 7,1–40; 8,1–11,34; 12,1–14,40).

Die Ausführlichkeit, mit der Paulus sich in 1 Kor 15 dem Thema der leiblichen Totenauferstehung widmet, lässt vermuten, dass er sich in Korinth vor die Notwendigkeit einer gewissen Klar- und Richtigstellung gestellt sah. Mit Entschiedenheit weist der Apostel den von einigen Korinthern erhobenen Einwand gegen die Vorstellung einer leiblichen Auferstehung der Toten zurück (vgl. 1 Kor 15,12). Dieser Einwand fügt sich ein in den Kontext eines auch sonst in Korinth zu beobachtenden übersteigerten Spiritualismus (vgl. 1 Kor 2,6–16; 8,1–6; 15,44–46), dessen Preis u. a. die Abwertung der Leiblichkeit des Menschen ist (vgl. 1 Kor 6,12 ff.). Die Vorstellung einer Auferstehung der Toten lehnte man (im Anschluss an die platonisierende Weisheitstheologie Philos) zwar nicht als solche ab, wohl aber in ihrer spezifisch christlichen Gestalt als Auferstehung von Toten.

Sowohl die Auferstehung Christi als auch die erhoffte eigene Auferstehung verstand man in Korinth als Übergang und Aufstieg in eine leiblose Geistexistenz. Die Verkündigung der Auferstehung von Toten stiess hingegen auf Skepsis, weil sie eine leibliche Existenzweise impliziert. Leibexistenz aber bedeutete nach korinthischer Vorstellung zwangsläufig eine Rückkehr in dieses Leben. So steht der Apostel vor der diffizilen Aufgabe, das schöpfungsimmanente Denken der korinthischen Bestreiter einer Totenauferstehung aufzubrechen auf die eschatologische Kategorie einer neuen Schöpfung hin. «Leib» (soma) hat schon in der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des hebräischen Alten Testaments (3. Jhdt. v. C hr.), im Unterschied zum profangriechischen Sprachgebrauch eine mehr als physisch- körperliche Bedeutung. Das Wort bezeichnet den Menschen sowohl als Ganzheit als auch im Gegenüber zu Gott, Mitmenschen und Mächten. Im Neuen Testament meint «Leib» nicht einen vom Geist oder der Seele abgetrennten Teil des Menschen («Körper»), sondern den ganzen Menschen in seiner unteilbaren Einheit als Person. Leib ist also nicht nur die äussere Körperlichkeit, sondern die Person als ganze. Insbesondere bei Paulus bezeichnet der Terminus «Leib» den Menschen in der Ganzheit dessen, was ihn ausmacht, was er gelebt hat, was zu ihm gehört und was ihn bestimmt. «Leib» meint also den Menschen als Person, als Selbst und Ich, in der Gesamtheit seiner Bezüge. Im Eingehen auf die Frage nach der Auferweckung Jesu Christi bringt Paulus die Mitte des christlichen Glaubens zur Sprache. Er weiss um die Brisanz der Beantwortung dieser Frage (1 Kor 15,17). Mit dem Glauben an die Auferstehung steht und fällt alles. Ohne sie bliebe jede christliche Hoffnung unbegründet. Auch das Schicksal der Verstorbenen entscheidet sich hier: Erst die Wirklichkeit der Auferweckung des Gekreuzigten eröffnet ihnen eine eschatologische und soteriologische Perspektive (vgl. 1 Kor 15,22 ff.). So skizziert der Apostel das Schicksal der Christen in enger Verknüpfung mit dem Geschick Christi. Gleich nachdem Paulus den österlichen Glauben noch einmal vor den Korinthern bezeugte (1 Kor 15, 1–11), thematisiert er darum die Hoffnung auf eine Auferstehung der Toten als Frucht des österlichen Geheimnisses (1 Kor 15,12– 34). Dient 1 Kor 15,1–34 also der Proklamation des Glaubens an eine Auferstehung der Toten durch die Auferweckung Jesu Christi, wendet sich der dann folgende Gedankengang der Frage nach dem Wie solcher Auferstehung zu (1 Kor 15,35–58). Paulus gelingt es, eine Theologie der Auferstehung zu formulieren, die in hymnischer Sprache die Hoffnungsperspektive des Evangeliums bezeugt.

Paulus im jüdischen Kontext

Paulus bewegt sich mit seinen Gedanken zur christlichen Auferstehungshoffnung nicht im luftleeren Raum. Zur religiösen Landschaft des Judentums im 1. Jahrhundert gehören Gruppierungen, die sich ihrerseits der Frage nach einem Leben nach dem Tod stellten. Freilich in sehr unterschiedlicher Weise. Die pharisäische Spiritualität, der an einer Umsetzung levitischer Reinheitsideale in die alltägliche Lebenswirklichkeit der Menschen gelegen war, hob den hohen Stellenwert von Reinheitsgeboten, rituellen Waschungen und Speisevorschriften hervor. Ihr Traditionsprinzip war weit gefasst. Neben der geschriebenen Tora galt auch das Wort mündlicher Überlieferung. Der so eröffnete weite Interpretationsrahmen der Schrift liess Raum auch für die Vorstellung einer Auferstehung der Toten, die nicht nur eine individuelle Hoffnungsperspektive der Menschen entwarf, sondern auch die Idee einer unmittelbaren Wirkmacht Gottes über jedes Leben und alle Natur.

Anders verhielt es sich im Kontext sadduzäischer Frömmigkeit. Als Vertreter der festen Institution des Jerusalemer Tempels standen sie mündlicher Tradition eher skeptisch gegenüber. Daraus erschlossene Glaubensinhalte lehnten die Sadduzäer rundweg ab – eine eschatologische Zukunftshoffnung genauso wie den Glauben an die Auferstehung der Toten. Stattdessen konzentrierte sich alles auf den recht vollzogenen Tempelkult: Er allein war ihnen Garant der Gegenwart Gottes und Ort seiner Wirksamkeit.

Der hier nur grob skizzierte religionsgeschichtliche Kontext lässt bereits erahnen, wie sehr seine pharisäischen Wurzeln dem Apostel zu helfen vermochten, dem Mysterium der Auferweckung des Gekreuzigten als Grund christlicher Auferstehungshoffnung Wort und Ausdruck zu verleihen.

Heute mit Paulus im Gespräch

Die Frage nach dem Tod, und was ist, wenn wir nicht mehr leben, ist eine Menschheitsfrage und darum auch eine – wenn nicht – die zentrale Frage des christlichen Glaubens. Sie wird im postmodernen, oft säkularen Meinungs- und Weltanschauungspluralismus unterschiedlich beantwortet. Das Spektrum der Vorstellungen ist weit. Es reicht von der Negation der Vorstellung eines Lebens nach dem Tod (so schreibt etwa der französische Philosoph und Existenzialist Jean Paul Sartre an seine Lebensgefährtin: «Sie liegen dann in Ihrer kleinen Kiste. Sie werden nicht herauskommen […]. Selbst wenn man mich neben Ihnen beerdigt, wird kein Weg von Ihrer Asche zu meiner Asche führen») über die westlich-verzerrte Variante der von ihren Ursprüngen her ostasiatischen Reinkarnationstheorie, die sich vielleicht am deutlichsten in der schlichten Parole «Ich wünsch’ Dir noch ein Leben!» Ausdruck verleiht (so die Popgruppe PUR in ihrem Album «Seiltänzertraum »), bis hin zu dem (nicht zuletzt durch die paulinische Evangeliumsverkündigung tief geprägten) Glauben an ein österliches Leben nach dem Tod.

Die Position der Hoffnung, die Christinnen und Christen einnehmen, ist nicht unerheblich, und zwar aus zweierlei Gründen. Zum einen gilt bis in die Gegenwart hinein das – auch im Sinne eines kritischen Korrektivs unseres eigenen Glaubens zu deutende – Wort des Apostels, dass der christliche Glaube de facto «nutzlos» wäre und wir Glaubende «erbärmlicher daran sind als alle anderen Menschen», wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus setzen könnten, weil er eben nicht auferweckt worden wäre (vgl. 1 Kor 15, 17.19). Zum anderen ist der österliche Glaube als solcher gerade nicht nutzlos, sondern – im Gegenteil – fruchtbringend, nicht nur für die an Christus Glaubenden, sondern für alle Menschen und sogar die ganze Welt, weil er vom Wert des Lebens und seiner Strahlkraft kündet. Paulus weiss um beides.

Darum lässt er nicht nach, den Menschen damals wie heute das Evangelium vom Leben, vom gekreuzigten und auferweckten Kyrios Jesus Christus zu verkünden.

 

Robert Vorholt

Robert Vorholt

Prof. Dr. Robert Vorholt (Jg. 1970) wurde in Münster/Westfalen (D) geboren, studierte in Münster und Paris, ist Priester, seit 2012 ordentlicher Professor für Exegese des Neuen Testaments und seit 2017 Dekan der Theologischen Fakultät an der Universität Luzern.