Mission: Innovative Antworten

Wo die Kirche in den letzten Jahrhunderten innovativ war, war sie missionarisch. Dass ihre missionarische Lebendigkeit heute durch die kritische Reflexion von Nebenwirkungen und Schattenseiten der Mission gebremst wird, ist für die Bewältigung aktueller Kirchenprobleme kein Nachteil.

Die Kirche kennt "Mission" seit dem 16. Jahrhundert. Damals war die Mission eine innovative Antwort auf zwei Krisenmomente: einerseits die Reformation und andererseits die Einsicht in die Bedeutung der Entdeckung neuer Kontinente. Mission wurde im Kontext dieser Herausforderungen "erfunden", und sie bot Lösungen: Rückeroberung der Gebiete, die der Reformation anheimgefallen waren, und Eroberung der Welt durch das katholische Europa.

Antworten auf den Druck der Moderne

Auch die nächste grosse Modernisierungskrise der Kirche mit dem Druck durch Aufklärung, Französische Revolution, Industrialisierung, Demokratisierung und Säkularisierung fand ihre Lösung in der Mission. Wo die katholische Kirche im Kampf gegen staatliche Macht und kulturelle Veränderungen zu einem Bollwerk der Vergangenheit zu werden drohte, entstand zugleich eine im Katholizismus breit verankerte Missionsbewegung, die erste moderne Laienbewegung der Kirche. Mission ermöglichte es, zugleich katholisch zu sein und an den Fortschritten der industriellen Moderne – und vor allem am Kolonialisierungsprogramm – teilzuhaben. Die Kolonialmächte haben das für ihre Zwecke nützliche Potenzial der Kirchen erkannt und die Zusammenarbeit gefördert. Die Kirche war wieder im Geschäft.

Gefragt ist Innovation

Heute sieht sich die katholische Kirche wiederum in einer Modernisierungskrise. Säkularisierung, Pluralisierung, Individualisierung und "Ich-Gesellschaft" zwingen uns zum Überdenken des bisherigen Geschäftsmodells. Statistisch zeigt sich ein grosser Funktions-und Relevanzverlust von Kirchenstrukturen und Glaubensvollzügen. Innovation ist gefragt. Ein neues "Missionsprogramm" zeichnet sich aber noch nicht ab. Die Appelle zur Belebung der "missionarischen Kirche" sind eher Eingeständnisse der tiefen Kirchenkrise als programmatisch klare Handlungsleitlinien.

Die Erfahrung gibt Zuversicht

Zwei Perspektiven sind tröstlich: Bislang konnte sich die Kirche angesichts grosser Herausforderungen immer noch missionarisch neu orientieren. Und: Heute kennen wir die Schattenseiten der missionarischen Innovationen gut genug, um die Lebendigkeit der Kirche nicht um den Preis der Verdunklung des Evangeliums zu erkaufen.

 

Arnd Bünker

Arnd Bünker

Tit. Prof. Dr. Arnd Bünker ist Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI) in St. Gallen