Mission im Dialog mit Muslimen

Das Thema Mission im christlich-islamischen Dialog erweist sich als aktuell in den Kirchen – inklusive politischer Implikationen.

Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt. Missionsverständnisse im Gespräch am Beispiel des christlichen Zeugnisses in der Beziehung zum Islam in Deutschland. So lautete der Titel der Studientagung 2015, welche die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland veranstaltete. Mitwirkend waren Anja Middelbeck-Varwick von der Freien Universität Berlin, Johannes Berthold von der Evangelischen Hochschule Moritzburg und Dr. Riem Spielhaus als Islamwissenschaftlerin.

Mission und Dialog auf Augenhöhe

Anja Middelbeck (röm.-kath.) sieht den Begriff «Mission» trotz Belastung durch die Kolonialisierung als ein Grundcharakteristikum der Kirche. Auch Papst Franziskus spreche von einer permanenten Mission. Ziel sei aber nicht die Bekehrung vieler Menschen. Die Kirche verstehe sich als universell, doch zeige das Konzilsdokument Nostra Aetate, dass in allen Religionen Wahrheit zu finden sei. In Bezug auf den Islam betone es die Wertschätzung für den Glauben an den Einen Gott und die Bedeutung Jesu und seiner Mutter. Mission impliziere die Bezeugung des Glaubens, ohne den anderen überreden zu wollen. Es gehe um Zuwendung und darum, den Standpunkt der anderen wahrzunehmen. Gläubige seien nie im Besitz der absoluten Wahrheit, sondern immer auf dem Weg dorthin. Darum sei der Dialog auf Augenhöhe ein wichtiger Teil der christlichen Sendung, so Middelbeck. Voraussetzung sei für Christen die Kenntnis des Korans sowie der eigenen Tradition. Nur so könnten sie falschen Deutungen des Christentums von Seiten der Muslime begegnen. Sie wies dabei auf den Unterschied der jeweiligen Quelle hin: Der Autor des Korans ist für Muslime Gott. In der Bibel spricht Gott zu Menschen unterschiedlicher Zeiten und in unterschiedlichem Kontext. Dieser Unterschied kann nicht nivelliert werden. Es gelte das Eigene mitzuteilen und den anderen zu verstehen, nie aber darum, Recht zu haben und Recht zu behalten. Die Theologin forderte Lernfähigkeit sowie Selbstkritik. Allerdings sei die Offenbarung Jesu Christi das Nicht-zu-Überschreitende im Dialog.

Für Johannes Berthold gehört Mission zum Wesen der Kirche. «Dabei sind nicht die Wahrheitsansprüche der Religionen das Problem, sondern wie sie mit diesen Ansprüchen umgehen.» Christen werden ihren Glauben angstfrei der Gewissheit des anderen aussetzen. Er sprach vom Glanz und der Herrlichkeit Gottes, die Christen auch im Dialog spiegeln sollen. Das Evangelium und das Wirken Gottes gelte es zu respektieren, aber auch das Gegenüber. Dabei warnte er vor vorauseilender «Selbstrücknahme». Man nehme andere nur ernst, wenn man den eigenen Glauben respektiere. Dies zeige die Erfahrung der Ökumene: Hier gelte es ebenfalls, zum Eigenen zu stehen und einander kennen zu lernen. Berthold betonte, dass die Gewissensfreiheit das dreifache Recht schützt, den eigenen Glauben in Freiheit zu leben, zu bezeugen und zu wechseln.

Fragen muslimischer Identität

Die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus forscht zu Fragen der Identität von Muslimen in einer pluralistischen Gesellschaft zwischen Selbstidentifikation und Fremdzuschreibung. Sie betonte, dass Mission im Islam die Einladung zum Paradies sei und in diesem Kontext nicht unproblematisch. Für Muslime gehe es darum, den Islam (in seinen Auffächerungen) im eigenen Glauben vorzuleben. Das Kopftuch gelte dann als vorbildliches Zeichen nach aussen. Zu den Folgen der Apostasie äusserte sie sich zurückhaltend; in Deutschland lehnt der Zentralrat der Muslime die Todesstrafe als Strafe für Konversionen ab. Spielhaus sprach sich dezidiert gegen den Dialog als Missionierung aus. Er müsse als Ziel die allgemeine Stärkung der Religion als Ressource der Gemeinschaft haben. Die Islamwissenschaftlerin verwies darauf, dass die Dominanz einer Religion zu Machtpositionen führe. So sei das heutige Europa christlich konnotiert, etwa bei den Feiertagen. Ein Teil der aktuellen Konflikte sei durchaus religiös gerahmt. Für Lösungen sei es daher wichtig, das Verbindende an den Anfang des Dialogs zu stellen.

Mission und die Taufe von Muslimen

Berthold betonte den Auftrag der Christen, aus dem Glauben in die Gesellschaft zu wirken. Er plädierte für ein charmantes und offenes Zeugnis. Middelbeck sah Mission in der Nachfolge im Glauben an Jesus, nicht in der Vermehrung der Kirchenmitglieder. Die Mission der Kirche sei die Botschaft, dass alle Menschen in den universellen Heilswillen Gottes hineingenommen sind. Von orthodoxer Seite will man aber die Aufforderung Jesu, alle Menschen zu Jüngern zu machen, nicht relativieren. Gesprächsbedarf sah man auch im Fakt, dass viele Muslime den Heilswillen Gottes in der Rückkehr aller Menschen zum Islam sehen. Es gehe vielmehr um einen friedlichen Wettstreit der Religionen in der Gesellschaft.

Die Taufen von Muslimen waren ein wichtiges Thema. Allein in einer lutherischen Kirche in Berlin sind mehr als 600 Gemeindemitglieder getaufte Muslime. Diese Taufen sehen die Vertreter der Freikirchen wie auch der Orthodoxie positiver als die der grossen Kirchen. Die Handreichung der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Thema stellt fest, dass neben der Begeisterung für den christlichen Glauben auch die Entfremdung vom Land und der religiösen Prägung, aus dem ein Mensch geflohen ist, zu einem Glaubenswechsel führen kann. «Darüber hinaus verbinden viele mit der Taufe eine umfassende Inkulturation, neben dem neu ergriffenen Glauben also auch die Hoffnung auf eine neue Beheimatung, auf freiheitliche Werte, auf eine echte Zukunftsperspektive und Akzeptanz im Zufluchtsland.» Ob hier auch Hoffnung auf einen positiven Ausgang des Asylverfahrens bestehe, sollte erfragt werden.

Weihbischof Dr. Nikolaus Schwerdtfeger, Hildesheim, beruft sich auf das Menschenrecht der Religionsfreiheit. Auch für Muslime müsse die Taufe möglich sein. Allerdings sei dabei die Gefährdung der Konvertiten zu berücksichtigen. In Deutschland würden die meisten Muslime zwar das Recht auf Religionsfreiheit respektieren, ein gewisser Anteil aber setze «Abtrünnige» schwersten Repressalien (bis hin zum Tod) aus. «Darum ist bei deren Taufvorbereitung besondere Umsicht erforderlich, so dass der Taufbewerber zu einer wirklich freien Entscheidung kommt. Christlicherseits ist das Evangelium zur rechten Zeit in Wort und Tat zu bezeugen und darauf zu vertrauen, dass Gott selbst Menschen berufen kann, die Grenzen ihrer angestammten Religion auf die Kirche Christi hin zu überschreiten», so der Bischof. Die Frage, wie weit die Mission der Kirche im Dialog mit den Muslimen auch missionarisch sein soll, wurde je nach Kirche unterschiedlich beantwortet. Hier besteht weiterer Gesprächsbedarf innerhalb der Kirchengemeinschaft.

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Publikationen

  • Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt. Ökumenische Empfehlungen für einen Verhaltenskodex, 2011. Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog, Ökumenischen Rat der Kirchen, Weltweite Evangelische Allianz.
  • Zum Umgang mit Taufbegehren von Asylsuchenden. Eine Handreichung für Kirchengemeinden, Kirchenamt der Evangelischen Kirche (EKD) und die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) 2013.
  • Getaufte Muslime in der Schweiz: http://www.nzz.ch/articleDM3ZP-1.14490

Projekte in Deutschland

«Lade deinen Nachbarn ein», 1999–2002; «Weisst du wer ich bin?» 2004–2007 und 2008– 2011, je mit Zentralrat der Juden und Zentralrat der Muslime.

Film

Der Imam und der Pastor (zur Überwindung von Gewalt zwischen Religionen): http://www.filmeeinewelt.ch/deutsch/pagesnav/framesE4.htm?../pagesmov/52043.htm&KA

 

Christiane Faschon

Christiane Faschon

Christiane Faschon ist dipl. Religionspädagogin, Fachjournalistin (BR) und Dozentin.