«Mich bewegt das Unverfügbare»

 

Als Katholikin der Generation Y fühle ich mich manchmal fast wie ein Phänomen, das demnächst in die Datenbank der ProSpecieRara aufgenommen wird. Kommt der Papst in die Schweiz, gibt es einen Skandal oder wird eine Feldforschung zur religiösen Befindlichkeit der jungen Generation durchgeführt, wird man von der Öffentlichkeit ins Kreuzverhör genommen. Ohne besonders findig zu sein, weiss ich mittlerweile, welche Frage als Erstes gestellt und in vielen Variationen und Teilaspekten sie häppchenweise auf das weitere Nachhaken aufgeteilt wird: Was stört dich an der Kirche? Von gleichaltrigen Freunden hingegen werde ich oft auf andere Weise in Frage gestellt: Was bedeutet dir die Stille? Gehst du jeden Sonntag zur Messe? Zündest du mir eine Kerze an, wenn du in Einsiedeln bist? Und unlängst erreichte mich eine Postkarte mit dem PS: Was bedeutet dir Ostern? Dieses PS, diese Randnotiz des Alltags, hat mich erschüttert. Eine Scheu und ein Zögern empfand ich, ob dem Ernst des Ergründens meiner Hoffnung, des Grund und Bodens meiner Existenz. Ostern. Die Frage der Fragen und das Ringen um die Grösse der Antwort – unausschöpfbar und wohl auch der Grund, weshalb ich bisweilen in Ehrfurcht niederknie. Vor dem Geheimnis. Vor dieser ungeheuren Provokation, dass der Tod nicht das letzte Wort hat.

Über die Faszination für das Unmodische

Tatsächlich ist in einer Zeit, in der in unseren Breitengraden alles und zu jeder Zeit verfügbar ist, für die junge Generation nicht dasjenige attraktiv, was man ohnehin überall kriegt. Will ich zu einer karitativen Veranstaltung, zu einem Kreativworkshop oder zu einem Achtsamkeitsseminar habe ich 1001 Angebote, für die ich nicht annähernd etwas mit der Kirche am Hut haben muss. Meistens sind solche Angebote auch noch viel professioneller organisiert, als wenn die Kirche angestrengt versucht, modern zu sein, indem sie in einer Predigt zehnmal das Wort «online» einbaut, «Grosser Gott wir loben dich» mit «ins Wasser fällt ein Stein» ersetzt oder den Kindern anstelle des Evangeliums die Geschichte vom rosa Elefanten erzählt. Bereits vor Jahrzehnten hat Hans Urs von Balthasar treffend formuliert: «Zur Definition der Mode gehört, dass sie nächstes Jahr wechselt. Das wahrhaft Christliche war zum Glück nie Mode, auch in den sogenannt christlichen Zeiten nicht.» Natürlich ist das Gestalten ein grosses Thema. Man möchte alles neu erfinden, lotet den Raum aus, um das Eigene und Persönliche einzubringen, man wünscht sich auch wirklich eine kreative, lebendige Kirche und kein verstaubtes, weltfremdes Kuriositätenkabinett. Dennoch suche ich in der Kirche keine möglichst getreue Imitation der gesellschaftlichen Trends. In einer Zeit, in der ich von meinen Sneakers über das Sofa bis hin zu meinem Frühstücksmüesli alles individuell konfigurieren kann, braucht es nicht auch noch die Kirche als Anbieter von beliebig zurechtzimmerbarem, widerstandslosem Seelenwellness. Mich bewegt das Unverfügbare, das ich nur als Gabe annehmen kann. Kirche als einen Ort, an dem ich empfange, was ich selber nicht gemacht habe und auch nicht herstellen kann; einen Ort, an dem sich jenseits des Konsums die Wirklichkeit als nicht konsumierbare Realität zeigt. Fasziniert bin ich dort, wo ich merke, dass der frohen Botschaft auch noch nach über 2000 Jahren alles zugetraut wird. Dass das Wort in jede Zeit hineinspricht, auch in unsere. Dass es zwar übersetzt, wieder erzählt und entdeckt zu werden braucht, aber keineswegs ersetzt, weil wir auf einmal so klug geworden wären.

Generationengespräch

Beat Altenbach SJ durfte ich während eines Adoray-Festivals in Zug persönlich kennenlernen. Sein Besuch hat mich zunächst in Erstaunen versetzt. In ein mit heimlichem Misstrauen durchzogenes Erstaunen, dass ich vermutlich mal wieder vor einem Diagnostiker stehe, der einer verirrten, jungen Kirchengeneration die Augen öffnen möchte. Mein Erstaunen hat sich allmählich in Dankbarkeit verwandelt. Ich habe gemerkt: Da kommt jemand aus einer anderen Generation, mit einer abweichenden Erfahrung von Aufbrüchen, mit komplett verschiedenen Prägungen und Vorstellungen und ist erst einmal einfach da. Nicht als Kritiker, sondern als Freund mit kritischem Geist, der nicht in erster Linie über uns, sondern mit uns spricht. Das hebt zwar den Sprung zwischen den Generationen nicht auf, macht ihn aber bisweilen zum Sprungbrett, auf die gemeinsame Mitte hin.


Magdalena Hegglin

 

PS: Was bedeutet Ihnen Ostern?


Magdalena Hegglin

Magdalena Hegglin (Jg. 1988) studierte Philosophie und Germanistik in Basel. Sie ist Buchhändlerin und Redaktorin der Zeitschrift «Melchior».