Meilenstein reformierter Identitätsbildung

Handbuch Heidelberger Katechismus

Ein Team von internationalen Wissenschaftlern hat jüngst ein Handbuch zum Katechismus herausgebracht. Der historische Text soll einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden.

Vor zwei Jahren haben niederländische Theologen zusammen mit Wissenschaftlern aus Amerika, Deutschland und der Schweiz ein "Handbuch" zum Klassiker "Heidelberger Katechismus" (HK) (1563) herausgegeben. Ein Jahr später erschien die deutsche Übersetzung, eine englische ist geplant. Zum 500-Jahr-Jubiläum soll dieser Grundlagentext der Reformation neu zugänglich gemacht und einem breiten Interessentenkreis erschlossen werden.

Der "Heidelberger Katechismus" gehört neben Martin Luthers "Kleinem Katechismus" (1528) zu den grundlegenden protestantischen Unterrichtslehrbüchern. Auf katholischer Seite sind es die drei Katechismusausgaben des Petrus Canisius (1555). Das neue, sorgfältig elaborierte "Handbuch Heidelberger Katechismus" enthält 34 Beiträge, über 30 Seiten Bibliographie und neben einem Sachwortregister und einer Autorenliste ein Register an Fragen und Antworten.

Originelle Eröffnungsfrage

In die Geschichte eingegangen ist die originelle Eröffnungsfrage des Heidelberger Katechismus: "Was ist der einzige Trost im Leben und im Sterben?"

Diese Frage zeigt den anthropologischen Ansatz des Katechismus. Der Mensch und sein Schicksal stehen im Zentrum. Die Antwort auf diese Frage nach dem "einzigen Trost" besteht darin, dass der Glaubende sich Jesus Christus anvertraut und letztlich übereignet.

Die grossen Themen des reformierten Katechismus sind im ersten Teil: das Elend des Menschen, der Trost in Jesus Christus, die Erlösung des Menschen (von Sünde und Tod) durch Jesu Kreuzestod und schliesslich die Dankbarkeit für die Erlösung. Das Gesetz oder Hauptgebot für Christen ist das Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe. Der zweite Teil des HK handelt vom Credo und von den Sakramenten der Taufe und des Abendmahls. Der dritte widmet sich den Zehn Geboten und dem Gebet. Die Hauptteile (Credo Dekalog, Sakramente und Gebete) kommen in den meisten Katechismen vor. Die Verfasser des HK, zu denen Zacharias Ursinus (1534–1583) gehört haben dürfte, haben das Material mit dieser originellen Frage spezifisch angeordnet und aus protestantischer Sicht akzentuiert. Das Handbuch beschreibt im ersten Teil "Geschichtliches". Es werden Katechismusgeschichte, deren Glaubensinhalte weitgehend biblisch verankert sind, das Umfeld der Entstehung des HK in der Pfalz, die damalige Politik, kirchliche und universitäre Verhältnisse sowie die Rezeption des HK in den Niederlanden, in Deutschland und der Schweiz verhandelt.

Neben viel Lob für den Katechismus bezüglich Klarheit, Aufbau und Inhalt hat es auch Kritik an und Widerstand gegen ihn gegeben. Dass er eine "Unterordnung" verlangte, liess einige Pfarrer fremdeln. Seine memorative Didaktik beziehungsweise Methodologie gefiel auch nicht immer. In der damaligen Eidgenossenschaft führte der HK ein "Schattendasein", doch wurde er für die eigens erstellten Religionslehrbücher oft als Grundlage verwendet.

Im zweiten Teil, "Theologie", beschäftigen sich die Autoren mit den theologischen Schwerpunkten des HK. Unter anderem mit seinem Schriftgebrauch, seinen Quellen, dem Gottesverständnis und den Jesusbildern. Die Lesenden übersehen nicht, dass der HK in einer Zeit vehementer theologischer Auseinandersetzungen entstanden ist. So wird die Taufe nicht als Gnadenmittel beschrieben, sondern als "äusseres Zeichen, das die in der Taufe geschehende innere Wandlung begleitet und zum Ausdruck bringt".

Reflexion über Sexualität fehlt

Während Zwingli das Abendmahl, "Herzstück des Christentums", als "blosse Memoria" verstehe, vertritt der HK eine Anteilhabe an Christus, ohne das Erinnern wegzulassen, da dieses ja in der Bibel verankert ist ("Tut dies zu meinem Gedächtnis"). Durch die Teilnahme am Abendmahl ist eine Teilhabe am Erlösungshandeln Christi möglich: "Brot und Wein dienen als wahre Zeichen dafür, den Christen zu versichern, dass ihre Seelen durch den gekreuzigten Leib Christi genährt und erhalten werden."

Bestritten wird eine "Wiederholung" des "Opfers Christi im Opfer der Messe", was katholischerseits heute als Vergegenwärtigung der Hingabe Christi verstanden wird und durchaus ökumenetauglich ist. Der HK ist kein Lehrbuch mit extremen Positionen, sondern der Versuch, möglichst alle unterschiedlichen reformierten Bekenntnisse zu vereinen. Der Abschnitt über das Gebet ist musikalisch einem "grossen Finale" vergleichbar, der das "Leitmotiv des Trostes" wieder aufgreift und mit der Rechtfertigungslehre unterlegt. Die Ehe wird als "heiliger Stand" verstanden, während die katholischen Katechismen das Unverheiratetsein als heiligen Stand verstünden. Eine Reflexion über Sexualität fehlt sowohl bei Petrus Canisius als auch im HK.

Zugänglich und bündig

Teil III, "Praxis", wendet sich der Didaktik zu, namentlich der Verwendung des Frage-Antwort- Schemas, wie es in Katechismen lange Zeit üblich war, ferner der Katechismuspredigt und der ökumenischen Bedeutung des HK. Nicht zuletzt war der HK deshalb so beliebt und bei vielen Pfarrern ein bevorzugter Lerngegenstand, weil er "eine zugängliche und bündige Zusammenfassung des christlichen Glaubens" abgab, "in den reformierten Kirchen als konfessionelle Schrift fungierte" und damit zur reformierten Identitätsbildung beitrug.

Seit den 1960er Jahren ist die memorative Didaktik grundsätzlich hinterfragt worden. Anstelle des kognitiven Auswendiglernens ist ein Lernen mit allen Sinnen getreten.

Vor allem ist im Religionsund Konfirmandenunterricht eine breitere, subjektorientiertere Auseinandersetzung mit den Grundlagen, mit den Inhalten der Schrift getreten, um mit Jugendlichen zusammen nach verantwortlichen Antworten des Glaubens zu suchen und damit ein mündiges Christsein zu fördern. Gleichwohl kann der HK eine Hilfe sein, um sich mit den Vorstellungen des Glaubens zu befassen. Das "Handbuch Heidelberger Katechismus " liefert dazu eine Menge Ideen. Es erschliesst den klassischen Text des HK in vielfältiger Weise und eröffnet Zukunftsfragen.

Arnold Huijgen, John V. Fesko, Aleida Siller (Hg.): Handbuch Heidelberger Katechismus. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2014. 410 Seiten, Fr. 105.–.

 

 

 

Stephan Leimgruber

Stephan Leimgruber

Dr. Stephan Leimgruber ist seit Februar 2014 Spiritual am Seminar St. Beat in Luzern und zuständig für die Theologinnen und Theologen in der Berufseinführung. Bis zu seiner Tätigkeit in Luzern war er Professor für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät in München.