Mehr Zeit für die Seelsorge

Sie unterstützen Leitungspersonen von Seelsorgeeinheiten oder Pastoralräumen in administrativen Aufgaben und der Personalführung. Der neue Beruf «Leitungsassistenz» ist vielfältig und anspruchsvoll.

Dr. theol. Christoph Gellner (Jg. 1959) ist Leiter des Theologisch-pastoralen Bildungsinstituts der deutschschweizerischen Bistümer TBI in Zürich. Andrea Balzer absolvierte die Ausbildung zur Leitungsassistentin. (Bilder: zvg)

 

Es entstehen immer grössere Seelsorgegebilde, dadurch nehmen die Koordinations-, Kommunikations- und Managementaufgaben zu. Für Pfarreisekretärinnen und Quereinsteigende aus Wirtschaft und Verwaltung bieten sich interessante und attraktive berufliche Entwicklungsperspektiven.

«Es war mir schon klar, dass Kirche mehr ist als nur Gottesdienste», berichtet Jacqueline Fisch. «Aber ich war dann doch überrascht, wie viele verschiedene Gruppen und Vereine es in einer Pfarrei gibt und wie gut frequentiert ein Pfarreizentrum ist.» Die gelernte Kauffrau ist Leiterin Administration und Betrieb in der Pfarrei Heilig Kreuz in Zürich-Altstetten. Sie schätzt ihr breitgefächertes Pflichtenheft und betont: «An meiner jetzigen Stelle schätze ich, dass der Mensch mehr im Vordergrund steht – wir verkaufen kein Produkt.»1

Ihre Aufgaben sind in der Tat vielfältig: Sie nimmt an den Leitungssitzungen teil, ist zuständig für betriebliche Abläufe und organisatorische Belange, zudem ist sie Vorgesetzte der Pfarreisekretärinnen und weiterer Mitarbeitender wie Hauswart und Reinigungspersonal.

Neues kirchliches Berufsbild

Seit die Deutschschweizerische Ordinarienkonferenz 2008 die Einführung der neuen kirchlichen Tätigkeitsfunktion der Leistungsassistentinnen und Leitungsassistenten beschlossen hat, erscheinen regelmässig Stellenausschreibungen, meist sind es grössere städtische Pfarreien, die Leitungsassistenzen anstellen. Wichtig ist dabei eine gute Verankerung im pastoralen Leitungsteam.

Die konkreten Tätigkeiten können von der Verantwortung für Sitzungseinladungen und Protokolle über Terminpläne, Korrespondenz, Kommunikation nach innen und aussen, Suche nach Aushilfen, Verwaltung kirchlicher Gelder, Pfarreibücher und Archive bis hin zur Erstellung und Umsetzung von Konzept- und Projektarbeiten sehr unterschiedlich ausfallen, auch die Bezeichnungen sind in der Deutschschweiz ganz verschieden. Je nach den konkreten Anstellungsbedingungen und individuellen Voraussetzungen gestaltet sich auch die fachliche Qualifikation bzw. Weiterbildung sehr vielfältig. Mindestvoraussetzung ist eine abgeschlossene kaufmännische Lehre oder eine adäquate Ausbildung sowie mehrjährige Berufserfahrung.

Kirchliche Feldkompetenz

Für die Berufsfelderweiterung von erfahrenen Pfarreisekretärinnen und Quereinsteigenden aus Wirtschaft und Verwaltung bietet das TBI zwei Weiterbildungsmodule an, die als Teil des kirchlichen Berufsbildungssystems ForModula die notwendige kirchliche Feldkompetenz vermitteln.

Das kirchliche Arbeitsfeld stellt vielschichtige Anforderungen. Um es gewinnbringend mitgestalten zu können, ist die Kenntnis der strukturellen Rahmenbedingungen und der wichtigsten inhaltlichen Vorgaben erforderlich. Modul 1 «Grundzüge der Kirche und Pastoral» dient als Basis- bzw. Kirchenkundemodul, das Wissen zu den kirchlichen Grundvollzügen einschliesslich Freiwilligen- und Diakoniearbeit sowie zum dualen Kirchensystem reflektiert und vertieft, Modul 35c «Leben und Arbeiten in der Kirche: Leitungsassistenz» thematisiert das professionelle Rollenhandeln. Wer durch Teilnahme, Vor- und Nacharbeit (Kompetenznachweis) beide Modulzertifikate erworben hat, erhält von ForModula das Weiterbildungszertifikat «Leitungsassistenz».

Christoph Gellner*


Andrea Balzer arbeitet als Pfarreisekretärin in der Pfarrei St. Benignus (Pfäffikon ZH) und hat die Ausbildung «Leitungsassistenz» besucht. Im Interview mit der SKZ erzählt sie von ihren Erfahrungen und Aufgaben.

SKZ: Warum haben Sie sich für die Ausbildung «Leitungsassistenz» entschieden?
Andrea Balzer: Ich bin nun schon seit 14 Jahren auf einem Pfarreisekretariat tätig und wollte gerne einen Schritt vorwärts gehen. Ausserdem habe ich bereits früher in einer Assistenzposition gearbeitet und diese Arbeit hat mir immer gefallen.

Wurden Ihre Erwartungen an die Ausbildung erfüllt?
Als ich die Ausschreibung gesehen habe, habe ich zunächst gezögert. Ich empfand die Anforderungen als hoch. Die erste Kurseinheit war wirklich anspruchsvoll, doch ich konnte meinen Horizont erweitern und sehe die Zusammenhänge besser. Das erste Modul war ja das Grundmodul und daher eher theoretisch im Sinne von «Kirche aus der Vogelperspektive». Das zweite Modul war dann praxisorientierter. Wir stellten am Schluss fest, dass das Profil Leitungsassistenz in der Rolle noch nicht klar definiert ist und je nach Pfarrei oder Pastoralraum individuell umgesetzt wird. In der Ausbildung zeigte sich, dass wir Pfarreisekretärinnen und -sekretäre oft unterschätzt werden. Im Kurs haben wir immer wieder gesagt: «Vieles von dem machen wir jetzt schon!»

Inwiefern profitieren Sie von dieser Ausbildung?
Für mich war klar: Wenn ich diese Ausbildung mache, dann möchte ich auch als Leitungsassistenz arbeiten. Vieles mache ich ja bereits als Pfarreisekretärin. Jetzt soll ich stärker ins Seelsorgeteam integriert werden, um die Seelsorgenden zu unterstützen und ihnen den Rücken freizuhalten, und soll auch mehr Verantwortung übernehmen.

Was gehört zu Ihrem Aufgabenbereich als Leitungsassistentin?
Ich arbeite jetzt schon in einer Drehscheibenfunktion, wo alles zusammenläuft und wo ich für die ganze Koordination zuständig bin. Diese soll noch verstärkt werden, damit sich das Seelsorgeteam seiner operativen Tätigkeit widmen kann, während ich sie im Hintergrund in der Organisation entlaste. Ich werde auch für administrative Prozesse verantwortlich sein. Weiter bin ich zuständig für die Organisation von verschiedenen Anlässen, die Führung der Pfarreibücher, das Archiv, die kirchlichen Gelder, für die Unterstützung im Personalbereich, die Budgetkontrolle sowie die Unterstützung in der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation nach innen und aussen. Hier habe ich schon vieles gemacht, doch jetzt wird die Verantwortung bei mir liegen. Ausserdem werde ich Sitzungen vorbereiten und stellvertretend an Sitzungen teilnehmen, wenn die zuständige Person vom Seelsorgeteam verhindert ist (z. B. Baukommission). Kurz gesagt: Ich manage die Administration der Pfarrei und behalte den Gesamtüberblick.

Was gefällt Ihnen besonders an Ihrem Aufgabenbereich?
Es ist eine vielfältige und abwechslungsreiche Tätigkeit. Ich arbeite gerne in einer Drehscheibenfunktion, wo ich aus ganz unterschiedlichen Anlässen mit den verschiedensten Menschen in Kontakt komme. Oft sind wir die erste Ansprechperson und wenn gerade niemand vom Seelsorgeteam anwesend ist, liegt es an uns, die Menschen in ihrer Situation abzuholen. Es gibt dabei auch schwierige Momente, z. B. im Trauerfall. Ich finde es aber schön, dann für einen Menschen da zu sein und ihm zur Seite zu stehen.

Für wen ist die Ausbildung «Leitungsassistenz» geeignet?
In erster Linie für Pfarreisekretärinnen und -sekretäre, die bereits mehrere Jahre auf diesem Beruf arbeiten und sich weiterbilden oder mehr Verantwortung übernehmen möchten. Für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger ohne Erfahrung in der Kirche war es ursprünglich angedacht, doch die Realität hat gezeigt, dass dies eher schwieriger ist. In der Kirche gelten andere Werte als in der Privatwirtschaft. Man muss sicher ein ganzes Kirchenjahr mitgemacht haben, um den Ablauf der kirchlichen Arbeit kennenzulernen und zu verstehen.

Interview: Rosmarie Schärer

 

1 Interview mit Stephan Sigg: https://missmoneypenny.ch/article/eine-assistentin-fuer-die-seelsorge

Ausbildung Leitungsassistenz Informationen zum Funktionsprofil und Ausbildungskonzept unter https://formodula.spi-sg.ch/leitungsassistenz

Detaillierte Informationen zum Modulbesuch unter www.tbi-zh.ch/leitungsassistenz

* Dr. theol. Christoph Gellner (Jg. 1959) ist Leiter des Theologisch-pastoralen Bildungsinstituts der deutschschweizerischen Bistümer TBI in Zürich.