Mehr Authentizität

Authentische Zeugen sind heute in der Pastoral gefragt: ein Plädoyer für eine Kirche, die begeistert, als Nachlese zu «Vielfältig begabte Kirche» (2/2018).

Besten Dank für das neue Heft der SKZ! Die Straffung des Auftritts scheint mir gelungen, und bei diesem Heft «Vielfältig begabte Kirche» gefällt mir der konsequent pneumatologische Ansatz. Ja, es handelt sich nicht primär um eine pragmatische Frage, sondern um eine Frage des Glaubens an den Heiligen Geist. Spannend auch der Röstigraben: Es ist eben wirklich die Frage des Geldes, das die Strukturen mehr prägt als das Vertrauen auf den Geist. Oder andersherum: An den Geist zu glauben, lernen wir oft erst in der Not.

Auf unsere Werte gewendet: Die Pastoral bedarf nicht nur der Professionalität, sondern vor allem auch der Authentizität. «Nur wer professionell gebildet und angestellt ist, kann unsere Kirche repräsentieren!», denkt eine reiche Kirche. Richtig: Wer Steuern zahlt, darf, etwa bei einer Beerdigung, sorgfältige Arbeit erwarten. Und falsch: So ersetzt der Profi den Zeugen. Die Gläubige wird zur Konsumentin, der Freiwillige zum Hilfsarbeiter.

Unsere Sendung verlangt andere Spielregeln. Charles Taylor, der bedeutendste lebende Religionsphilosoph, sieht uns im Zeitalter der Authentizität: Nach dem Verlust ihrer äusseren Macht kann die Religion sich ausschliesslich über die Authentizität der Zeugen vermitteln. Wenn ich nicht spüre, dass von genau diesem Menschen etwas Erlöstes ausgeht, glaube ich nicht.
Bloss weil eine Kirche gut organisiert ist, begeistert sie noch nicht. Was mit viel Geld funktioniert, berührt meine Sehnsucht noch nicht. Unsere Zeit, von Systemen verplant, dürstet nach Authentizität. Darum ist das lebendige Zeugnis wichtiger als professionelle Standards. Viel lieber ein von Freiwilligen geplanter und getragener Anlass mit Schwächen als ein spiegelblanker Auftritt, an dem nur Profis mitwirken.

Was folgt daraus? Für die Profis ein Bedeutungsverlust. Keine Frage: Unsere Kirche bedarf der professionellen Kontrollen, zum Beispiel im Blick auf Finanzen oder Missbräuche. Aber insgesamt soll ihre Gestalt viel mehr von Vertrauen als von Kontrolle bestimmt sein. Sonst gibt sie kein authentisches Zeugnis. Die Kirche ist für Vertrauen, Hoffnung und Liebe da. Sie darf es sein, indem sie selbst vertraut: dem Gottesgeist nämlich, der in den Herzen aller Gläubigen Zeugnis gibt, dass sie Gottes Kinder sind. Wie? Indem er als Sehnsuchts- und Gebetsbewegung immer schon da ist und «Abba, lieber Vater» (Röm 8) ruft. Im Glaubensbekenntnis ist nicht Professionalität das Fundament der Kirche, sondern die Gegenwart des Geistes in allen. Nur er macht lebendig. Übersieht eine reiche Kirche ihn schon deshalb, weil er gratis ist?


Thomas Philipp, Bern