Mehr als Brot

Entwicklungsprojekte leisten weit mehr als materielle Hilfe – sie sind das Sprungbrett zu mehr Menschenwürde und Unabhängigkeit. So auch das Projekt Kponno von Brücke – Le pont in Togo.

Die Bäckerin Mazalo Ahe verbessert mit Brot aus einheimischem Getreide ihr Einkommen und die Perspektiven ihrer Familie. (Bild: Brücke – Le pont/Peter Käser)

 

Mazalo Ahe arbeitet seit 24 Jahren als Bäckerin. Seit sie im Projekt Kponno von Brücke – Le pont bäckt, hat sie ihr Einkommen fast verdoppelt und gute Beziehungen zu ihrer Kundschaft und Arbeitskolleginnen und -kollegen aufgebaut. Die Togolesin ist Mutter zweier Kinder und unterstützt fünf weitere Familienangehörige, die von ihrem Einkommen abhängig sind. Sie lebt im Norden Togos, wo fast 90 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen sind und unzählige Menschen an Mangel- und Unterernährung leiden. Hier ist das Projekt Kponno angesiedelt, mit dem Brücke – Le pont Produzierende und Verarbeitende dabei unterstützt, Brot aus lokalen Zutaten herzustellen und zu vermarkten. Dieses bietet viele Vorteile gegenüber dem weit verbreiteten Weizenbrot.

Lokale Alternativen zum Weizen

Seit der Kolonialisierung durch Frankreich ist Weizenbrot in Westafrika sehr beliebt. Doch Weizen gedeiht in der Region nur schlecht oder gar nicht. Togo greift deshalb auf billige Weizenprodukte aus dem Ausland zurück, die wenig zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen. Gesundheitssachverständige kritisieren gar, dass sie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördern. Zudem schaden die Billigimporte der lokalen Landwirtschaft. Produzierende finden keinen Absatzmarkt für ihre Produkte und verarmen. Lokal angebautes Getreide hätte sowohl gesundheitliche als auch wirtschaftliche Vorteile. Brücke – Le pont fördert deshalb in Togo die Produktion von Brot, das mit einheimischem Sorghum – einer lokalen Hirseart – und Soja angereichert wird. Beide enthalten wertvolle Proteine, Vitamine und Mineralstoffe wie Eisen und Kalzium. Zudem sind die Pflanzen an die lokalen Gegebenheiten angepasst und weniger anfällig für Ernteausfälle als Weizen; gerade Sorghum gedeiht auch auf kargen Böden.

Gesünder und gut fürs Portemonnaie

Sorghum und Soja produzierende und verarbeitende Personen erhalten im Projekt Zugang zu Geräten, die ihnen die Arbeit erleichtern, bilden sich in Produktionstechniken und Hygienemassnahmen weiter und lernen, die Qualität und Haltbarkeit ihres Brots zu verbessern. Das ist sehr erfolgreich: Letztes Jahr konnten jene, die Getreide verarbeiten, mehr Qualitätsmehl herstellen und ihren Monatsumsatz um 25 Prozent steigern. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Bäckerinnen und Bäcker aus. Ihre Mehlmischungen enthalten inzwischen bis zu 30 Prozent Sorghum oder Soja, was den Nährstoffgehalt des Brots stark erhöht.

Mazalo Ahe ist dankbar für die Unterstützung: «Das gesündere Brot verkauft sich gut und ich verdiene fast doppelt so viel wie früher. Heute rufen mich Kundinnen und Kunden an, um ihre Bestellungen aufzugeben. Früher bin ich zu ihnen gegangen, um etwas zu verkaufen. Das war anstrengend und ich habe weniger produziert als jetzt.» Die Bäckerin ist stolz auf ihre beliebten Brote und kann das zusätzliche Einkommen für sich und ihre Familie dringend gebrauchen. Hilfreich sind auch die Werbekampagnen des Projekts, welche die Vorzüge von Sorghum- und Soja-Brot in der Region bekannt machen. Mit Radiosendungen und Degustationen auf Märkten erreicht das Projektteam die Bevölkerung. Es zeigt auf, dass das Brot schmeckt, gesund ist und die lokale Wirtschaft ankurbelt.

Lokaler Konsum stärkt lokale Wirtschaft

Dass sie einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Region leistet, ist für Mazalo Ahe ein willkommener Nebeneffekt. «Mir geht es in erster Linie darum, meiner Kundschaft ein Qualitätsprodukt zu bieten und dafür einen guten Preis zu erhalten. Wenn ich gleichzeitig dazu beitrage, die lokale Wirtschaft voranzutreiben, ist das umso besser. Seit ich im Projekt mitmache, versuche ich auch sonst möglichst oft, Nahrungsmittel aus der Region zu kaufen.» Indem sie lokale Produkte konsumiert, investiert die Bäckerin in ihre Gesundheit und in dringend benötigte Arbeitsplätze in ihrem Land. Allein vom Brotprojekt Kponno profitieren 10'000 Personen: von den Getreideproduzierenden über die Müller, Bäckerinnen und das Verkaufspersonal bis zu den Konsumentinnen und Konsumenten.

Brücke – Le pont bezieht die ganze Wertschöpfungskette von Brot mit ein und legt viel Wert darauf, dass die Projektteilnehmenden gute Kontakte knüpfen und faire Geschäftsbeziehungen pflegen. Mazalo Ahe arbeitet heute direkt mit einem Händler und vier Brotverkäuferinnen zusammen. Diese verkaufen ihr Brot auf Märkten oder an eigens eingerichteten Strassenkiosken. Die Zusammenarbeit macht Mazalo Ahe Freude und ist gut fürs Geschäft. Mit gesunden Produkten aus lokalen Zutaten stärken die Beteiligten nicht zuletzt die Ernährungssouveränität Togos: Die Bevölkerung ernährt sich ausgewogen von Produkten aus der Region und ist weniger von Importen abhängig.

Brot ist mehr als Brot

Die Idee der Souveränität steckt generell hinter der Arbeit von Brücke – Le pont: Alle Projekte leisten weit mehr als materielle Hilfe. Sie begleiten Menschen auf ihrem Weg in die Unabhängigkeit und zielen darauf, dass alle ihren Lebensunterhalt durch eine rentable und menschenwürdige Arbeit verdienen und sich beruflich und persönlich entfalten können. Das Beispiel von Mazalo Ahe zeigt: Für die Projektteilnehmenden in Togo ist Brot mehr als nur Brot. Die Bäckerin kann sich dank ihrem Einkommen Schulgeld und medizinische Versorgung für ihre Kinder leisten, sie besucht Weiterbildungen, ist selbstbewusster geworden und nimmt vollwertig am sozialen Leben teil. Gleichzeitig leistet sie einen Beitrag gegen den Hunger und die Mangelernährung in ihrem Land und trägt dazu bei, dass die Togolesinnen und Togolesen gestärkt in die Zukunft blicken.

Fabienne Jacomet

Ernährungssouveränität: In Erweiterung zur Ernährungssicherheit, die den Zugang aller Menschen zu sicheren und nahrhaften Lebensmitteln fordert, bezieht die Ernährungssouveränität ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte mit ein. Im Kern bezeichnet sie das Recht einer Bevölkerung, ihre Landwirtschafts- und Ernährungspolitik selbst zu bestimmen. Dabei fördert sie eine nachhaltige landwirtschaftliche Entwicklung und steigert den Wert gesunder, lokaler und saisonaler Produkte. Wenn viele verschiedene Menschen an der Produktion und Verarbeitung beteiligt sind, schafft dies auch langfristige Arbeitsplätze in der Region.

Mai-Aktion: Brücke – Le pont unterstützt mit dem Programm «Arbeit in Würde» mit rund 30 Projekten benachteiligte Menschen in Afrika und Lateinamerika. Jedes Jahr stellt das KAB-Hilfswerk den katholischen Pfarreien einen Gottesdienstentwurf zu. Manche Pfarreien führen diese Aktion an einem Mai-Wochenende durch, andere zu einem späteren Zeitpunkt. Der aktuelle Vorschlag zum Thema «Mehr als Brot» findet sich auf der Website www.bruecke-lepont.ch/aktionen


Fabienne Jacomet

Fabienne Jacomet (Jg. 1986) ist seit Oktober 2018 beim KAB-Hilfswerk Brücke − Le pont für Kommunikation und Entwicklungspolitik zuständig. Sie hat Spanisch, Ethnologie und Gender Studies studiert und engagiert sich auch privat für Frauen- und Menschenrechte.