Maria, Mutter Gottes

Fresko in der Arenakapelle in Padua (I), die Szene Maria Geburt darstellend. Von Giotto di Bondone, entstanden in den Jahren von 1304 bis 1306. (Bild: zeno.org)

 

Die Geburt der Maria. In den Geschichten der zwölf Stämme Israels war Joachim ein sehr reicher Mann, und er brachte alle seine Opfergaben für den Herrn doppelt; denn er sagte sich: «Was ich zu viel darbringe, soll für das ganze Volk sein, und was ich zur Vergebung darbringe, soll für den Herrn sein, mir zur Versöhnung.» Nun war der grosse Tag des Herrn herangekommen, und die Kinder Israels brachten ihre Opfergaben dar. Da traten sie vor ihn, auch Rubel, der sagte: «Es ziemt dir nicht, deine Opfergaben als erster darzubringen, denn du hast in Israel keine Nachkommen.» Da wurde Joachim sehr traurig […], und er zeigte sich seiner Frau nicht, sondern er begab sich in die Wüste; dort schlug er sein Zelt auf und fastete vierzig Tage und vierzig Nächte. […] Anna, seine Frau, stimmte indessen ein zwiefaches Klagelied an und erhob ein zwiefaches Jammern: «Meine Witwenschaft will ich bejammern, bejammern meine Kinderlosigkeit dazu.» […]

Und siehe, ein Engel des Herrn trat zu ihr und sprach: «Anna, Anna, der Herr hat deine Bitte erhört. Du wirst empfangen und gebären, und deine Nachkommenschaft wird in der ganzen Welt genannt werden.» Da sprach Anna: «So wahr der Herr, mein Gott, lebt, wenn ich gebären werde, sei es ein Knabe oder ein Mädchen, so will ich es dem Herrn, meinem Gott, als Opfergabe darbringen, und es soll ihm Dienste verrichten alle Tage seines Lebens.» Und siehe, da kamen zwei Boten und sprachen zu ihr: «Siehe, Joachim, dein Mann, kommt mit seinen Herden; denn ein Engel des Herrn ist zu ihm herabgestiegen und hat ihm gesagt: Joachim, Joachim, Gott, der Herr, hat deine Bitte erhört. Ziehe hinab! Siehe, Anna, dein Weib hat in ihrem Leib empfangen.» […]

Es erfüllten sich aber ihre sechs Monate, wie der Engel gesagt hatte: im siebenten Monat gebar Anna. Und sie sprach zu der Hebamme: «Was habe ich geboren?» Und die Hebamme sprach: «Ein Mädchen.» Da sprach Anna: «Erhoben ist meine Seele an diesem Tag.» Und sie legte es nieder. Als aber die Tage erfüllt waren, da reinigte sich Anna von ihrem Wochenbett und gab dem Kinde die Brust, und sie verlieh ihm den Namen Maria.

Aus dem Protoevangelium nach Jakobus*

 

* Protoevangelium des Jakobus, Die Geburt der Maria, in: Schneemelcher, Wilhelm (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen. I. Evangelien, 5. Auflage, Tübingen 1987, hier 338–340.