Leserbrief zur SKZ 19/2021: Über die letzten Dinge in säkularer Zeit
Wie Jan Loffelt in verschiedenen Facetten und Martin Ostermann anhand von Leinwand-Blicken aufschlussreich zeigen, geschieht in unserer säkularisierten Gesellschaft eine immer radikalere Verlagerung des Jenseitigen, Transzendenten ins Innerweltliche. Man kann diese Tatsache in Verbindung bringen mit der Unterscheidung des immanenten Gottes vom transzendenten, lebendigen Gott, die Franz Jalisc SJ in seinem Buch „Die Geistliche Begleitung im Evangelium“ (Echterverlag 2012) macht, wo er den Glauben mit dem Leben in Beziehung setzt. Der immanente Gott ist nach dem Autor die oberste Instanz des Welt-Himmel-Gefüges. Dieser Gott lässt sich vom Menschen gut in sein Leben integrieren. Man könnte philosophisch ausgedrückt sagen, dass dieser Gott primär in unserm Bewusstsein existiert und im Glauben einen Bezug zum lebendigen Gott hat. Für sich allein genommen ist dieser immanente Gott noch eine Projektion des Bewusstseins. Die Erfahrung des transzendenten, lebendigen Gottes reisst den Menschen aus seinem gewohnten Leben heraus. Aus dieser Erfahrung heraus versucht sich der Mensch in das Leben Gottes zu integrieren, anstatt Gott in sein Leben zu integrieren. Diese Schwerpunktverlagerung zeigt sich zuerst darin, dass man seine irdische Habe hergibt, um Jesus nachfolgen zu können, um für Gott ganz frei zu werden. In dieser Dynamik ist der Tod dann ein weiterer Schritt in der Selbstentäusserung auf den lebendigen Gott hin, oder vielmehr in diesen hinein. So ist die Reflexion von Eva-Maria Faber über die Prozessualität postmortalen Lebens etwas sehr Angebrachtes. Auferstehung bedeutet also nicht einfach die Tatsache, dass jemand nach dem Tod weiterlebt, sondern dass eine im Weltleben begonnene Verwandlung, die mit der genannten Verlagerung des Lebensschwerpunktes in den transzendenten Gott hinein einhergegangen ist, ihrer Vollendung entgegengeht. Für das kirchliche Glaubensleben ist es also wichtig, immer wieder neu vom immanenten zum lebendigen, transzendenten Gott vorzudringen, und zwar über das Lehrhafte hinaus, auch wenn die Lehre die Transzendenz Gottes betont. Denn die Lehre für sich, mag sie noch so göttlich sein, liegt noch auf der Ebene des menschlichen Bewusstseins.
Wendelin Fleischli, Wassen UR