Konzilsmütter und Konzilstöchter – Vatikanum II und die Frauen

Theologische Kommission des Katholischen Deutschen Frauenbundes e. V. (Hrsg.): Die Tür ist geöffnet. Das Zweite Vatikanische Konzil - Leseanleitungen aus Frauenperspektive. (Aschendorff) Münster 2013, 152 S.

Das Zweite Vatikanische Konzil war Männersache - jedenfalls auf den ersten Blick. Auf den zweiten und dritten Blick kommt aber mehr und mehr auch der Beitrag von Frauen zum Vorschein. Nachdem 1963 erstmals männliche Laien als Auditoren des Konzils zugelassen wurden, kamen 1964 fünfzehn Frauen dazu (acht Ordensschwestern und sieben weitere Frauen). 1965 stieg ihre Zahl auf dreiundzwanzig an. Im Verhältnis zu den über 2000 Bischöfen eine verschwindend kleine Zahl - aber als Zeichen für die Öffnung der Kirche immerhin ein Anfang.

Es ist das Verdienst der Theologischen Kommission des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB), an die «Konzilsmütter» zu erinnern. Ebenso wird an die Rolle von Frauen erinnert, die als Gastgeberinnen von «Konzilsvätern» in Rom fungierten und nicht selten wichtige Beiträge zum Networking während des Konzils lieferten.

Die Notizen der «Konzilsmutter» Gertrud Ehrle (damals im Vorstand der «Arbeitsgemeinschaft katholischer deutscher Frauen») aus der Schlussphase des Konzils klingen bis in unsere Gegenwart hinein: Es «möge für uns in aller Welt der Auftrag lebendig werden, der durch dieses gewaltige, einmalige Ereignis, nicht nur für dieses Jahrzehnt, sondern für unser Jahrhundert, ja für alle Zeiten, aber eben doch zuerst an uns ergeht. Die Verantwortung, die daraus erwächst, fordert unsere Antwort. Sie bedeutet ein ernstes Sich-Mühen um die Verwirklichung der Konzilsbeschlüsse. Es darf zu keinem Müde-Werden kommen - keine Zögerung darf eine Verzögerung bringen » (13).

Das Buch stellt die Konzilsmütter vor und skizziert den Kontext, in dem sie zur Teilnahme am Konzil berufen wurden. Ergänzt werden diese historischen Hinweise durch Zeitzeuginnen-Berichte und deren Erinnerungen. Den Schwerpunkt des Buches bildet aber nicht die Rückschau. Eine materialreiche und vielfältige Sammlung an Vorschlägen zur Aneignung des Konzils (nicht nur) durch Konzilstöchter und -enkelinnen stellt den Kern der Publikation dar. Zentral sind Leseanleitungen zu den wichtigsten Konzilstexten. Eine Einführung in das Zweite Vatikanische Konzil und eine Übersicht über die verschiedenen Dokumente eröffnet den Hauptteil des Buches. Ergänzend und in der Sache hilf- und aufschlussreich ist die Berücksichtigung von Texten, die «rund um das Konzil» entstanden sind: die Radiobotschaft von Johannes XXIII. (1962), seine Enzyklika «Pacem in terris » (1963), die Schlussansprache sowie die Botschaft an die Frauen von Paul VI. (1965); aber auch der «Katakombenpakt » der Gruppe «Kirche der Armen», die während des Konzils gegründet wurde (1965).

Die Dokumente des Konzils werden sachkundig vorgestellt und eingeleitet. Zitate aus den Konzilstexten werden kommentiert – und für ein heutiges Leserinnen- (und Leser-)Publikum zugänglich gemacht. Besonders wertvoll sind die Anregungen zur Arbeit mit den Texten in Gruppen: Auf jedes vorgestellte Dokument folgen «Fragen aus Frauenperspektive» und «Methodische Ideen». So wird aus dem spannend aufbereiteten Konzilslesebuch zugleich ein Arbeitsbuch.

Interessierte Gruppen können damit ohne viel Aufwand eine Verheutigung und Aneignung des Konzils in unserer Zeit gestalten. Der Fokus auf die Perspektive von Frauen verschafft der Publikation unter den zahlreichen Veröffentlichungen im Kontext des Konzilsjubiläums eine besondere Bedeutung. Während die Konzilstexte und ihre Rezeption allzu oft vornehmlich um Fragen der (männlichen) Hierarchie, das Verhältnis der Bischöfe zum Papst und untereinander, die Beziehungen der Priester zu den Bischöfen und der Laien (scheinbar geschlechtsneutral) zur Hierarchie kreisen, wird auch noch in der Konzilsrezeption die «Frauenfrage » viel zu wenig gestellt. Die jetzt vorliegende Leseanleitung ist nun endlich eine Brücke von den Konzilsmüttern zu ihren Töchtern und Enkelinnen, die auch von Söhnen und Enkeln erprobt werden darf.

Arnd Bünker

Arnd Bünker

Tit. Prof. Dr. Arnd Bünker ist Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI) in St. Gallen