Koinonia – aber bitte mit Abstand!

Die vier Grundvollzüge der Kirche zu leben, sei derzeit schwierig, sagt Hanspeter Wasmer: «Martyria und Diakonia sind eingeschränkt, Leiturgia ist zwar möglich, aber nur mit wenig Mitfeiernden.» Schwerwiegend findet Wasmer aber die Einschränkungen in der Koinonia.

Die Situation, in der wir jetzt leben müssen, ist für einige Gebiete ganz normal. Wenn ich die Situation meiner Schwester vor Augen halte, die in einem kleinen Ort im Norden Kanadas lebt, dann sind die Einschränkungen nicht so stark. Dort gibt es kaum Massenveranstaltungen wie bei uns, man bleibt in der Regel zu Hause und lädt ab und zu mal Nachbarn oder Freunde zu sich ein. Ganz selten geht man zu einer Grossveranstaltung, wie z. B. zu einer Traktorenausstellung, die dann aber schon beinahe eine Tagesreise weit weg ist. Alles kein Problem also? Nun, es ist wohl eine Frage des Preises: Meine Schwester erzählt mir von Problemen mit Alkohol und Psyche, die weit verbreitet sind.

Eingeschränkt in Gemeinschaft und Kultur

Es ist etwas mehr als vier Jahre her, seit Justizministerin Simonetta Sommaruga erklärte, dass Händeschütteln zu unserer Kultur gehöre und deshalb auch in der Schule niemand davon dispensiert werden könne. Es ist noch kein halbes Jahr her, seit Bundespräsidentin Sommaruga dringend empfohlen hat, auf das Händeschütteln zu verzichten.

Ganz besonders seltsam kommt es mir aber immer wieder vor, wenn ich an Feiern oder Veranstaltungen bin und ich mir wie ein Fernsehzuschauer vorkomme, weil ich einsam dasitze, da der Abstand eingehalten werden muss. Das ist dann wahrlich kein Gemeinschaftsgefühl! Kommt hinzu, dass der Wegfall der klassischen Apéros auch nicht dazu beiträgt. Und genau die seien in der Schweiz so genial, weil man so mit vielen Leuten locker ins Gespräch kommen könne, schwärmte einmal ein deutscher Professor, lange vor der Corona-Pandemie.

Wenn man nicht im gleichen Haushalt wohnt, gilt eigentlich auch beim Essen ein Abstand von eineinhalb Metern. Wird dies konkret umgesetzt, ergibt sich dann doch ein ziemlich schräges Tischbild. Man stelle sich einmal das letzte Abendmahl unter Corona-Regeln vor: Um den Tisch liegen? Brot herumreichen, das man vorher gebrochen hat? Aus einem Kelch trinken?

Bei aller Sorge um den Körper darf die Seele nicht vergessen werden. Es ist wichtig, dass man mit den Massnahmen nicht noch grösseres Leid hervorruft, wie z. B. mit einem Besuchsverbot, dem Schliessen von Gassenküchen usw.

Was tun wir als Kirche?

Auch wenn diese Massnahmen notwendig sind, bleibt bei mir doch ein flaues Gefühl. Schaffen wir es, je wieder als Gemeinschaft zu leben? Oder bleiben wir lieber auf sicherer Distanz? Können wir als Kirche unsere Grundvollzüge wieder ganz erfüllen oder siegt die Angst und Skepsis vor der Gemeinschaft? Genau jetzt zeigt sich, ob die Kirche als Gemeinschaft fähig ist, mit ihren Grundvollzügen für die Menschen da zu sein und als echte Hilfe wahrgenommen zu werden. Das erfordert neben viel Engagement auch viel Fantasie und neue Wege. Viele Seelsorgende in den Pfarreien bemühen sich ausserordentlich darum – ihnen sei an dieser Stelle einmal herzlich gedankt!

Tun wir unser Möglichstes, damit bei der Einhaltung aller Regeln und Schutzmassnahmen nicht eine in sich zurückgezogene und vereinsamende Gesellschaft zurückbleibt, sondern eine im Glauben gestärkte Gemeinschaft. Möge Gott uns dabei helfen und uns Kraft geben.

Hanspeter Wasmer


Hanspeter Wasmer

Hanspeter Wasmer (Jg. 1966) hatte seine Priesterweihe am 2. Juni 1996, war Vikar in Reiden LU, Subregens am Priesterseminar in Luzern und Pastoralraumpfarrer im Pastoralraum Meggerwald-Pfarreien. Seit 2018 ist er Bischofsvikar in der Region St. Viktor des Bistums Basel. Weiter ist Hanspeter Wasmer Delegierter der DOK für das «Netzwerk Katechese» und «Chance Kirchenberufe» sowie Präsident der IKB.