Kirchliche Stiftungsaufsicht im Fokus

Im vergangenen Juni hat die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala unter dem Titel "Finanzierung von religiösen Gemeinschaften. Mangelnde Transparenz und fehlende Aufsicht" eine Interpellation eingereicht, mit welcher sie dem Bundesrat verschiedene Fragen zu kirchlichen bzw. religiösen Stiftungen und Vereinen gestellt hat1.

Frau Fiala behauptete in ihrer Interpellation, es fehle betreffend Finanzierung von Religionsgemeinschaften in der Schweiz an "jeglicher Transparenz". Ferner zeigten die islamistischen Attentate von Paris und Brüssel, dass religiöse Stiftungen von Terrorismusfinanzierung und Finanzkriminalität betroffen sein könnten. In einem prominent platzierten Beitrag in der "Neuen Züricher Zeitung" vom 16. Juni 2016,2 der die Interpellation bekannt machte, konnte man lesen, dass sie nicht nur von der Sorge um die Sicherheit der Schweiz umgetrieben ist, sondern ihr Fernziel sei, alle religiösen Stiftungen der staatlichen Aufsicht zu unterstellen.

Transparente kirchliche Stiftungen

Mit Kirchenvertretern hat Frau Fiala leider weder im Vorfeld noch nach der Einreichung ihrer Interpellation das Gespräch gesucht. Im Dialog mit den Betroffenen hätte sich vermeiden lassen, die kirchlichen Stiftungen pauschal zu verunglimpfen. Denn es ist nicht so, dass die kirchlichen Stiftungen "keine Aufsicht" haben. Vielmehr sieht das im Jahr 1912 erlassene Zivilgesetzbuch (Art. 87 ZGB) vor, dass die kirchlichen Stiftungen durch die betreffenden Religionsgemeinschaften beaufsichtigt werden.3 Dies ist ein Entgegenkommen des Staates, der sich dadurch auch erheblicher Kosten entledigt. Dabei wird die Aufsicht nicht nur vom Staat erlaubt, sie findet auch statt und manifestiert sich in der Prüfung, ob die Stiftungsmittel zweckkonform verwendet wurden. Die kirchliche Stiftungsaufsicht umfasst zudem die durch spezialisierte Rechtsanwälte vollzogene vorgängige Überprüfung der grundbuchlich relevanten Verträge, welche Stiftungen eingehen wollen. Nicht zuletzt beinhaltet die kirchliche Aufsicht die Genehmigung von Bauprojekten, was stets den Einbezug spezialisierter Beratungsbüros bedeutet, die bekanntlich nicht gerade billig sind. In all diesen Bereichen hat die katholische Kirche in der Schweiz das in sie seitens der Eidgenossenschaft gesetzte Vertrauen seit über 100 Jahren nicht enttäuscht. Auch von Experten des Stiftungsrechts wird betont, dass sich das System der kirchlichen Aufsicht bewährt hat.4

Auch ist die Behauptung unzutreffend, dass es an "jeglicher Transparenz" im Bereich der kirchlichen Stiftungen fehle. Über die Grundbuchämter weiss der Staat, was der Kirche gehört. Zudem sehen die Statuten der kirchlichen Stiftungen im Bistum Chur vor, dass ihre Rechnungen von Revisoren geprüft werden. Oft sind es die gleichen Personen, welche die Kirchgemeinderechnungen revidieren. Zudem halten die Stiftungsstatuten die Verantwortlichen an, einmal jährlich die Pfarrei über den Stand der Stiftung zu informieren. Überdies ist durch regelmässigen Einbezug von Mitgliedern der Kirchgemeindevorstände in den Stiftungsrat ein weiteres Element der Öffentlichkeit geschaffen. Deshalb hat man bis heute noch nie davon gehört, Stiftungen der katholischen Kirche seien in Terrorismusfinanzierung oder Geldwäsche verwickelt gewesen.

Neue Eintragungspflicht

Die Eidgenossenschaft hat den Religionsgemeinschaften mit dem ZGB zugestanden, dass ihre Stiftungen nicht ins Handelsregister eingetragen werden müssen. Seit 1. Januar 2016 besteht nun allerdings für die kirchlichen Stiftungen die Eintragungspflicht. 5 Hintergrund dafür sind die Empfehlungen der GAFI (Groupe d’action financière), welche Standards in Finanzfragen und Transparenz festlegt, um Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung zu verhindern. 6 Das Bistum Chur hat die Eintragung der kirchlichen Stiftungen ins Handelsregister in einer Vernehmlassung im Vorfeld begrüsst. Sie verursacht zwar mehr Bürokratie, schafft aber mehr Öffentlichkeit. Dies wird zweifellos dazu beitragen, dass man ihnen nicht länger Intransparenz vorwerfen kann. Die Übergangsfrist für die Eintragung läuft bis Ende 2020. Die Diözesen und Ordensgemeinschaften tun gut daran, diese Frist zu nutzen, um einmal mehr den Tatbeweis zu erbringen, dass sie gewillt sind, gesetzeskonform zu arbeiten. Mit der Eintragung der Stiftungen im Kanton Zürich wurde begonnen, wo über hundert Stiftungen betroffen sind. Der Prozess wird längere Zeit in Anspruch nehmen und Gelegenheit geben, Stiftungsstatuten auf den neuesten Stand zu bringen und andere, die nach heutiger Praxis des Bundesgerichts und der eidgenössischen sowie kantonalen Aufsichten keine kirchlichen Stiftungen mehr sind, der staatlichen Aufsicht zu unterstellen.7

Es wird noch einiger Anstrengungen bedürfen, um der Öffentlichkeit sowie den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung deutlich zu machen, dass es angebracht ist, an der jetzigen Regelung festzuhalten. Zweifellos ist es ein gutes Argument, darauf hinzuweisen, dass man erhalten sollte, was klaglos über hundert Jahre funktioniert und den Staat von Kosten und Aufgaben entlastet hat, die nicht zu seinem Kernauftrag gehören. Man wird jedoch darauf hinweisen müssen, dass die Aufsicht der Kirche über ihre Stiftungen für sie selbst ein wichtiges Führungsinstrument darstellt. Denn die Kirche ist darauf angewiesen, dass ihre Kirchgebäude, Pfarrhäuser und die sonstigen Immobilien stets ihrem Zweck entsprechend verwendet werden und erhalten bleiben. Es darf mit guten Gründen behauptet werden, dass dem Staat das kirchenspezifische Knowhow fehlt, um kirchliche Stiftungen sachgerecht zu beaufsichtigen. Wie Restaurationen von Kirchen und Umbauten von Pfarrhäusern zu beurteilen sind, ist nicht nur eine zivilrechtliche, sondern auch eine pastorale Frage. Was die langfristige sowie nachhaltige Bewirtschaftung des Immobilienbesitzes der kirchlichen Stiftungen angeht, reicht dafür eine rein formalrechtliche Beurteilung geplanter Rechtsgeschäfte nicht aus. Selbstverständlich würde die Kirche nicht untergehen, wenn sie ihre Stiftungen nicht mehr auch gemäss staatlichem Recht beaufsichtigen dürfte. Es käme dann jedoch zwangsläufig zu dem, was die Väter des ZGB verhindern wollten: zu einer Doppelspurigkeit von staatlicher und kirchlicher Aufsicht über dieselben Stiftungen. Denn die Bistümer können auf die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen nicht verzichten. Der "Codex Iuris Canonici " von 1983 sieht sie ausdrücklich vor.8 Folge des Entzugs der Stiftungsaufsicht wären für die Stiftungen höhere Kosten durch die staatliche Aufsicht und eine doppelte Bürokratie.

Ablehnende Stimmen aus Graubünden

In Graubünden ist die Interpellation von Frau Fiala bereits bei der katholischen und evangelisch-reformierten Landeskirche auf Ablehnung gestossen. Der Präsident des Kirchenrats der Evangelisch-Reformierten Landeskirche, Grossrat Andreas Thöny, meinte, der Entzug der Aufsicht wäre ein "Eingriff ", gegen den sich die Landeskirche "wehren" würde.9 Und der Bundesrat hat in seiner Antwort auf die Interpellation sehr zurückhaltend reagiert.10 Am besten wird man zunächst die Eintragung aller kirchlichen Stiftungen ins Handelsregister abwarten und in ihrer Wirkung evaluieren müssen.

Das Thema kirchliche Stiftungsaufsicht wird aufgrund der Bedrohung durch islamistische Terroristen virulent bleiben. Der von Frau Fiala anvisierte Entzug der kirchlichen Stiftungsaufsicht wird nicht das Ziel erreichen, das diese Massnahme zu erreichen verspricht. Denn die meisten Moscheen in der Schweiz als Vereine sind nach Art. 60ff. ZGB organisiert. Diese sind von den Stiftungen gänzlich verschiedene juristische Personen, so dass es keinen Sinn macht, die kirchliche Stiftungsaufsicht abzuschaffen, um im Bereich des Vereinsrechts etwas zu erreichen. Wenn Vereine in Verdacht geraten, Terrorismus zu finanzieren, sind - wie der Bundesrat in der Beantwortung der Interpellation Fiala zu Recht festgestellt hat - Finanzintermediäre wie Banken und Treuhänder gefragt. Zudem besteht in der Rechtsprechung und in der juristischen Lehre Einigkeit darüber, dass der Staat die Aufsicht über Stiftungen nur denjenigen Religionsgemeinschaften überlassen soll, die Gewähr bieten, dass sie die Stiftungsaufsicht in einem Mass auszuüben vermögen, die der staatlichen Aufsicht gleichkommt.11 Das ist vorderhand bei neu sich etablierenden Glaubensgemeinschaften wie der islamischen nicht der Fall. Denn es existieren zwar Dachverbände. Diese besitzen aber keinen rechtlichen Durchgriff auf einzelne Gruppierungen. Zudem repräsentieren sie nur einen kleinen Teil der Muslime in der Schweiz. Sie sind also nicht in der Lage, eine wirksame Aufsicht zu gewährleisten, die der staatlichen gleichkommt. Es liegt somit am Staat selbst, konkret an den Handelsregisterämtern, die Eintragung von religiösen Stiftungen von Religionsgemeinschaften, die keine wirksame Aufsicht garantieren können, zu verweigern. Freilich dürfen Angehörige solcher Religionsgemeinschaften dennoch Stiftungen gründen. Die Aufsicht liegt dann wie bei den klassischen Stiftungen beim Staat, jedenfalls so lange, bis die betroffene Religionsgemeinschaft eine glaubwürdige Aufsicht garantieren kann. Wenn somit Bund und Kantone die bereits geltenden Grundsätze anwenden, können sie heute schon der Gefahr wehren, dass Stiftungen für terroristische Zwecke missbraucht werden. Sie können vermeiden, kollektiv diejenigen zu bestrafen, die mit dem Instrument der Aufsicht sorgsam umgegangen sind.

 

 

1 Vgl. https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20163453

2 "Religiöse Stiftungen ohne Kontrolle", in: "Neue Zürcher Zeitung", 16. Juni 2016, S. 15.

3 Vgl. dazu im Einzelnen Andrea G. Röllin, Kirchliche Stiftungen. Im Besonderen die privatrechtlichen im Sinne von Art. 87 i. V. m. Art. 80ff. ZGB, Zürich/St. Gallen 2010, S. 364–406.

4 Vgl. Hans Michael Riemer, Berner Kommentar: Die Stiftungen. Systematischer Teil und Art. 80–89bis ZGB, Bern 1975, Rz 192.

5 Vgl. dazu Praxismitteilung des Eidgenössischen Amts für das Handelsregister EHRA 3/15 vom 23. Dezember 2015; vgl. auch Hans Michael Riemer, GAFI-Umsetzung: Pflicht zur Eintragung ins Handelsregister auch für kirchliche Stiftungen und Familienstiftungen, in: Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsund Finanzmarktrecht / SZW 88 (2016), Nr. 1. S. 70–75.

6 Vgl. Dominique Jakob und Simon Gubler, Kirchliche Stiftungen. Bevorstehende bundesrechtliche Änderungen, in: SKZ 44/2015, S. 552f.

7 Damit eine kirchliche Stiftung nach heutigem Verständnis als solche gelten kann, muss sie einen genuin kirchlichen Zweck verfolgen (also beispielsweise nicht einen − überwiegend oder namhaft − sozialen), und sie bedarf einer organischen Bindung an eine Religionsgemeinschaft, vgl. Harold Grüninger, Kommentar zu Art. 87 ZGB, in: Basler Kommentar – Zivilgesetzbuch I, Art. 1–456 ZGB, 3. Auflage, Basel 2006, S. 583–585.

8 Vgl. dazu vor allem die cann. 1276, 1281, 1284f, 1287 und 1299–1310.

9 Vgl. "Landeskirchen gegen staatliche Aufsicht", in: "Südostschweiz", Ausgabe Graubünden, 19. Oktober 2016, S. 2.

10 Für die Antwort des Bundesrats vgl. oben, Anm. 1.

11 Darauf verweist Patricia Cartier, Fondations ecclésiastiques – Nouvelle obligation d’inscription au registre du commerce, in: Zeitschrift zur Rechtsetzung und Praxis im Gesellschafts- und Handelsregisterrecht (=REPRAX), 18. Jahrgang, 2/2016, S. 1–21, hier S. 7.

Martin Grichting

Martin Grichting

Dr. Martin Grichting ist seit 2009 Generalvikar für das Bistum Chur, Moderator Curiae und residierender Domherr des Bistums Chur