Katechese - heute und morgen

Wenn es um die Weitergabe des christlichen Glaubens geht, wird die gegenwärtige Situation meist als schlecht wahrgenommen. «Abnehmend» sei das religiöse Wissen, die familiäre religiöse Sozialisation, die kirchliche Bindung usw. Der Wandel ist jedoch ungleichzeitig.

Nach wie vor gibt es die Pfarreien, wo es «läuft», andere haben sehr zu kämpfen, vielleicht durch Personalmangel oder Personalwechsel, durch strukturelle Veränderungen oder anderes. Unterschiedlich sind auch die Menschen selbst in ihrem religiösen Interesse und Wissen, ihren Glaubensüberzeugungen oder ihrer kirchlichen Bindung. Bei aller Vielfalt gibt es unwiderrufliche kulturelle Bedingungen, die den Rahmen für die Katechese bilden. Dazu gehört etwa der Anspruch auf Selbstbestimmung und Individualität, das Recht, sich nicht auf längere Zeit verpflichten zu wollen, dazu gehört auch die technologische Entwicklung des Internets.

Doch sind die Herausforderungen unserer Zeit nur Misstöne? Statt einem nostalgischen Ideal nachzutrauern, gilt es Veränderungen realistisch und produktiv aufzunehmen. Dafür gibt es keine Patentrezepte. Vielmehr müssen in den jeweils verschiedenen Situationen mit ihren Möglichkeiten und Grenzen unterschiedliche Prioritäten gesetzt, gegensätzliche Pole unterschiedlich austariert werden.

Zwischen Bewahren und Ausprobieren

Wohin soll der Weg gehen? Der erste notwendige Schritt ist, innerhalb eines Leitungsteams, mit der ganzen Pfarrei, in einer Seelsorgeeinheit Klarheit zu schaffen, wie man die Zukunft gestalten will. Was gelingt gut, was will man nicht aufgeben, wo muss man sich verabschieden, wo wird etwas Neues ausprobiert?

Beispiel Heterogenität: Wenn die Kinder so unterschiedlich sind, warum müssen dann alle dieselbe Sakramentenkatechese durchlaufen? Man kann ein Minimalprogramm und ein intensiveres anbieten. Warum nicht eine Firmgruppe machen mit einem eher erlebnisbezogenen und einem eher theologisch-intellektuellen Zugriff? Grösser werdende Pastoralräume können dies begünstigen. Vielleicht braucht es aber gerade ein ortsbezogenes Angebot. Es gilt: genau hinsehen, Neues unvoreingenommen prüfen, Betroffene involvieren.

Zwischen Gemeinschaft schaffen und Individuellem Raum lassen

Viele Menschen sehnen sich nach Gemeinschaft. In der Katechese hängt von Kommunikation und Atmosphäre in der Gruppe fast alles ab. Wenn diese Ebene stimmt, ist katechetisch sehr viel möglich. Gleichzeitig erwarten die Menschen, dass Angebote für sie individuell stimmen und sie sich ohne Groll wieder verabschieden können, wenn’s nicht mehr passt.

Katechese wirkt länger, wenn es nach einem begrenzten Anlass Formen der Vergemeinschaftung gibt, wo unterschiedliche Menschen sich wohl fühlen: Eltern und Kinder, Alleinstehende, nach Generationen getrennt oder generationenübergreifend, Handfeste und Kopfmenschen usw. Es genau zu überlegen, welche Angebote einladend wirken auf Zielgruppen, die man noch nicht erreicht hat. Hier zeigt sich, dass die Grenzen zwischen Pastoral und Katechese fliessend sind, weil Katechese, wie es in «Katechese im Kulturwandel» heisst, mit dem gesamten pastoralen Handeln vernetzt ist.

Zwischen klarem kirchlichem Profil und heterogenen Bedürfnissen

In der Katechese treffen häufig kirchliche Interessen auf spezifische Bedürfnisse der Teilnehmenden. Ist die Firmung aus kirchlicher Sicht feierlicher Abschluss der religiösen Initiation, kann sie aus Sicht der Firmanden und ihrer Familien nur funktionieren, wenn sie nicht zu lang dauert, man nicht übermässig beansprucht wird und dabei noch irgendwie «spannend» ist. Gleichzeitig gibt es solche Kinder und Jugendlichen, die religiös sozialisiert und interessiert sind und die einer katechetischen Vertiefung gegenüber aufgeschlossen wären.

Dieser Spagat ist nicht gänzlich zu überwinden. Heterogenität kann zu Vielfalt werden, wenn alle die Möglichkeit haben, einen Beitrag zum Ganzen zu leisten. Auch hier gilt: nicht blind irgendetwas planen, sondern wahrnehmen, worin die Verschiedenheiten bestehen; Ressourcen und Stärken einzelner bewusst einsetzen; Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen in die Planung einbeziehen. Ernst gemeinte Partizipation vor, während und nach einem kirchlichen Angebot ist der Königsweg gegen Konsumentenhaltung und zur Vermeidung von Angeboten, die niemanden interessieren.

Aus kirchlicher Sicht muss man sich ins Bewusstsein rufen, dass das Sich-Einlassen auf Katechese seitens der Eltern und Kinder bereits ein Vertrauensvorschuss ist. Familien, die kaum eine kirchliche Praxis haben, schicken ihr Kind in die Katechese oder den Religionsunterricht. Sie trauen den Verantwortlichen zu, dass es recht kommt. Defizitorientiert denken heisst: Warum schicken die ihre Kinder, die haben doch selbst keine Ahnung. Ressourcenorientiert denken heisst: Danke für den Vertrauensvorschuss. Wir werden sorgfältig damit umgehen.

Religiöse Bildung, Schule und Katechese?

Durch Veränderungen der Volksschule ist kirchlicher Religionsunterricht vielerorts schwieriger oder unmöglich geworden. In manchen Kantonen ziehen sich die Pfarreien fast ganz von der Schule zurück. Dafür kann es gute Gründe geben.

Das darf keine Entschuldigung dafür sein, dass Katechese nichts anderes als ein halbgarer Religionsunterricht in der Pfarrei ist. Katechese hat zeitlichen, räumlichen und methodischen Gestaltungsfreiraum, sie kann erlebnisbezogene, liturgische, kreative, meditative Elemente einbeziehen und so eigenes Profil zeigen.

Gleichzeitig ist religiöse Bildung notwendig, wenn die Schule als Lernort wegfällt. Der Erwerb religiösen Wissens und Glaubensdialog beschränkt sich nicht auf Heranwachsende. Eine Glaubenssprache, die nur binnenkirchlich verstanden wird, verhallt. Gläubige wollen wissen, was der Glaube mit ihrem Leben zu tun hat. Dazu braucht es Orte, bei denen um den Glauben, um Bibel, um Tradition gerungen wird. Gelingt dies, kann eine inhaltliche Substanz entstehen, die in der Liturgie ihren Niederschlag findet und das Fundament einer Pfarrei und der Kirche stärkt.

Wo jedoch konfessioneller Unterricht in der Schule stattfinden kann, bietet er eine grosse Chance, wenn die kirchlichen Lehrkräfte im pädagogischen Umfeld der Schule professionell bestehen können. Diese Chance darf nicht leichtfertig vergeben werden. Wo kirchlicher Religionsunterricht nicht oder nicht mehr möglich ist, kann man Mitarbeit in schulischen Projekten anbieten.

Wer bringt die notwendigen Veränderungen voran?

Katechese spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab: bei den religionspädagogisch Tätigen in der Pfarrei, bei der Pfarrei- oder Pastoralraumleitung, bei den Bistümern und der schweizerischen Kirche. Wenn Veränderungen vorangebracht werden sollen, greifen idealerweise alle Ebenen ineinander.

Die Bistümer haben mit dem von der DOK 2009 verabschiedeten Leitbild «Katechese im Kulturwandel» eine ausgezeichnete Grundlage, die kreativ umgesetzt werden will. Eine weitere Herausforderung auf allen Ebenen ist vor allem eine gute Personalpolitik. Die Sinusstudie hat gezeigt, dass die kirchlichen Angestellten aus wenigen gesellschaftlichen Milieus kommen. Wie kann man qualifizierte, engagierte Menschen ohne «Stallgeruch» für den kirchlichen Dienst gewinnen?

Daneben ist auf der Ebene der Pastoralräume eine mittel- und langfristige Planung der Katechese mit klaren Zielen notwendig. Es reicht nicht, einfach von Jahr zu Jahr zu schauen. Diese ist eine wichtige Rahmenbedingung dafür, dass die religionspädagogisch Tätigen ihre Arbeit gut machen können, nicht nur heute, sondern auch in Zukunft.

 

Monika Jakobs

Monika Jakobs

Prof. Dr. Monika Jakobs leitet als Professorin für Religionspädagogik/Katechetik das Religionspädagogische Institut (RPI) der Universität Luzern.