Karl Marx

Karl Marx (1818–1883) (Bild: de.listofimages.com)

 

Der Umgang der katholischen Kirche mit den Herausforderungen des Marxismus-Leninismus ist ein historisches Lehrstück, das für die Zukunft hoffen lässt, dass wir keine völlig beratungsresistente Institution sind, sondern durchaus kreativ reagieren können. Gerade in der Deutschschweiz gehörten ja die Katholiken im 19. Jahrhundert zu den Verlierern der rasanten Entwicklung in die Neuzeit hinein, dies sowohl politisch wie ökonomisch. Ein grosser Teil des Proletariats, das in den rasch wachsenden Städten entstand, waren katholische Arbeiter und ihre Familien. Die St. Galler Bischöfe Augustin Egger und Alois Scheiwiler, motiviert durch die Enzyklika «Rerum Novarum», reagierten schnell und überlegt, legten sich aber darum auch mit den linken Gewerkschaften an. Die Christlich-soziale Partei (CSP) entstand als bewusste Alternative zu einer Sozialdemokratie, die zunächst sowohl dem demokratischen Staat wie auch der Religion gegenüber eine feindselige Position einnahm. Priester und Pfarrer engagierten sich politisch, dies natürlich nicht nur in St. Gallen, man denke etwa an Adolph Kolping als Vorkämpfer.

In rein katholischen Gebieten – wie es die italienische Emilia-Romagna war und ist – waren natürlich sowohl die kapitalistischen Gewinner der Entwicklung (die Grossgrundbesitzer und Industriellen) wie auch die Angehörigen des Proletariats (die Land- und Fabrikarbeiter) katholisch. Der Bruch und die damit verbundenen Schützengräben verliefen quer durch die Kirche. Giovannino Guareschis Romane mit Don Camillo und Peppone als humorvoll-friedliche Vermittlungsversuche wie auch der epochale Zweiteiler «Novecento» von Bernardo Bertolucci mit seinen überbrutalen Bildern lassen diese vergangene Epoche vor uns lebendig werden. Doch noch in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts hörte ich in der Herzegowina davon, wie kommunistische Funktionäre ihre Kinder heimlich taufen liessen; so weit entfernt ist der Streit zwischen Don Camillo und Peppone, auf welchen Namen dieses Kind nun getauft werden solle, also nicht!

Spannend darum die überaus kreative Idee im Katholizismus, den heiligen Josef in diesen Konflikt einzubeziehen und den 1. Mai listig umzufunktionieren. Und so hiess es in der Andacht zum heiligen Josef, dem «Vorbild der Arbeiter»: «Heiliger Joseph, schaffe du Frieden auf allen Arbeitsstätten. Verbanne Zwietracht, Fluch und Hass, die den Werktag vergiften und die Arbeit zur Qual machen. Lass uns zwischen Arbeiter und Arbeitgeber, zwischen Reich und Arm Brücken der Liebe bauen, die keine Verhetzung zerstören kann» (Orate, Gesang- und Gebetbuch für die Diözese St. Gallen).

Heinz Angehrn*

*Heinz Angehrn ist Pfarrer und Präsident der Redaktionskommission der SKZ.