Joseph Ratzinger und das Zweite Vatikanische Konzil

 Joseph Ratzinger: Zur Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils. Formulierung – Vermittlung – Deutung [= Gesammelte Schriften Bd. 7/1 und 7/2]. (Verlag Herder GmbH) Freiburg-Basel-Wien 2012, 1250 S.

Noch als Kardinal und erst recht als Papst hat sich Benedikt XVI. klar zur Frage der Konzilsdeutung geäussert; er tut dies auch in seinem Vorwort in Bd. 7/1, S. 9, wo er eine Hermeneutik des Bruchs als absurd bezeichnet. Während er den Aspekt der Kontinuität betont, legt sein Widersacher in diesem Punkt, Hans Küng, sein Augenmerk auf den Bruch, den das Konzil nach seiner Deutung darstellt. Beide Konzilsteilnehmer haben in gewissem Sinne recht und unrecht zugleich, denn das Konzil war Kontinuität, im Einzelfall aber auch Bruch (z. B. mit der Anerkennung der Religionsfreiheit) und wohl mehrheitlich Weiterentwicklung.

Wer sich für die Geschichte des letzten Konzils und der wesentlichen Akteure interessiert, kommt um die hier anzuzeigenden zwei Bände der Gesamtausgabe Joseph Ratzingers nicht herum: Schon am Vorabend des Konzils veröffentlichte der junge Theologe Texte, die thematisch für das Konzil von Bedeutung waren. Vom Kölner Kardinal Josef Frings 1961 als Konzilsberater berufen, begann Ratzingers einflussreiche Mitwirkung am Zweiten Vatikanum als Peritus und Mitglied verschiedener Kommissionen. Mit zahlreichen Vorträgen wirkte er bei der aktuellen Berichterstattung und Vermittlung mit und verfasste nach Abschluss des Konzils Kommentare zu wichtigen Dokumenten und begleitet(e) als kritischer Beobachter die Rezeption des Konzils bis in die Gegenwart. Die beiden Teilbände dokumentieren ausführlich diese weitreichende publizistische Tätigkeit, womit nun auch abgelegen erschienene Texte gut greifbar sind, darunter auch Unveröffentlichtes oder die Niederschrift eines Interviews zusammen mit Hans Küng des Bayerischen Fernsehens aus dem Jahre 1985. Leider fehlt die wichtige Rede von Kardinal Ratzinger an die Bischöfe Chiles vom 13. Juli 1988 mit dessen umstrittener Aussage, dass nicht alle Dokumente des Konzils den gleichen Rang hätten, womit wohl schon damals eine Brücke zu den Lefebvristen gebaut werden sollte; das aber misslang auch später.

 

Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.