Ja zu Körperschaften auf verbindlicher Grundlage

Francesco Kardinal Coccopalmerio, der Präsident des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte, sagte es am 25. Juni 2014 mündlich und legt es im Geleitwort zum Buch «Staatskirchenrechtliche Körperschaften im Dienst an der Sendung der Katholischen Kirche in der Schweiz (herausgegeben von Libero Gerosa; LIT-Verlag Berlin u. a. 2014, 289 S.) auch schriftlich vor: Er dankt für die Arbeit der von der Schweizer Bischofskonferenz eingesetzten Expertenkommission, die sich unter der Leitung von Prof. Dr. Libero Gerosa vertieft mit staatskirchenrechtlichen Fragen auseinandergesetzt hat und diese Resultate im erwähnten Buch präsentiert. Kardinal Coccopalmerio wünscht sich, auch im Namen des Heiligen Stuhls, «dass der Geist des Dienstes an der Kirche, wie er sich offenkundig während der Arbeiten der Kommission gezeigt hat, und der Wille zur Förderung einer aktiven und wirksamen Zusammenarbeit zwischen den staatskirchenrechtlichen Körperschaften, insbesondere den kantonalen, und den Diözesanbischöfen das Salz seien, das auch alle Debatten, Tagungen und Fortbildungen würzt, die auf diesem Gebiet veranstaltet werden unter dem Patronat der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und der Römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ)» (S. 9). Damit unterstützt er das, was Libero Gerosa im Vorwort des Buches darlegt:

Ein Ja zum Schweizer System

Nicht nur das erwähnte Geleitwort, sondern auch das Vorwort des Herausgebers Libero Gerosa sind ein Ja zum Schweizer System der staatskirchenrechtlichen Körperschaften: «Der Arbeit der Fachkommission liegt ebenso wie dem (…) Vademecum die Überzeugung zugrunde, dass das sog. schweizerische System der öffentlichen Körperschaften gut ist. Es kann und muss aber verbessert werden im Interesse einer engeren und effektiveren Zusammenarbeit zwischen den Diözesanbischöfen und den kantonalen staatskirchenrechtlichen Körperschaften. Das gilt insbesondere dort, wo sich eine Diözese auf verschiedene Kantone erstreckt» (S. 7).

Versöhnliche Töne

Der Stil des Buches wie auch die mündlichen Äusserungen der an der Buchvernissage Beteiligten kommt also anders daher, als dies im Zusammenhang mit der (von gewisser Seite instrumentalisierten und nicht abgesprochenen) Veröffentlichung des «Vademecum» Ende August 2013 der Fall war (vgl. SKZ-Frontartikel Nr. 36 /2013, 541): nicht schroff und apodiktisch, sondern auf Dialog und Zusammenarbeit bedacht. Die Bischöfe verdeutlichen damit, dass sie nicht einfach den staatskirchenrechtlichen Körperschaften Massnahmen aufzwingen können, sondern notwendige Verbesserungen gemeinsam besprochen und festgelegt werden müssen. Der in mehrerer Hinsicht fragwürdige Umgang der SBK mit dem «Vademecum», insbesondere, was die «Empfehlung» am Schluss dieses Dokuments betrifft, sind mit der Vernissage des hier anzuzeigenden Buches und dem Buch selbst nun glücklicherweise überwunden.

Zum Inhalt des Buches

Das Buch listet insgesamt fünf Problemfelder auf: 1. Die Frage der Nomenklatur; 2. Die Wahl und Wiederwahl der Pfarrer durch die Kirchgemeinden; 3. Der Kanonische Status der Kirchensteuern und der Kirchgemeinden; 4. Die Zusammenarbeit zwischen Diözesanbischof und staatskirchenrechtlichen Körperschaften und 5. Kirchliches Leben im Rahmen des staatlichen Rechts. Diese Problemfelder werden mit einem umfangreichen Anhang ergänzt: Register, Autorenliste, Bibliografie, Synopsen über das Pfarr- und Pfarrwiederwahlrecht in den einzelnen Kantonen und über die kirchlichen Mitwirkungsrechte im Besetzungsverfahren, Synopsen «Vorbehaltsgehalt» bzw. «Vorbehaltseinschränkungen », d. h. ob und wie und in welchen Kantonen die Anwendung des Kirchenrechts bei den staatskirchenrechtlichen Organisationen anerkannt bzw. gewährleistet ist. Hier zeigt sich eine grosse, manchmal unzulässige Bandbreite, wo eine gewisse Vereinheitlichung wünschenswert ist, die gewährleistet, dass die kirchliche Rechtsordnung berücksichtigt wird. Das Buch schliesst mit zwei Karten, einerseits der Kantonseinteilung, andererseits mit der Bistumseinteilung, wo – ärgerlich und peinlich zugleich – die kirchlich provisorisch administrierten Gebiete nicht als solche ausgewiesen werden.

Staatskirchenrechtliche Terminologie

Die staatskirchenrechtliche Terminologie ist vielfältig. Die Begriffe «Kirchgemeinde» und «Kirchenpflege » sind sehr alt, oftmals im staatlichen Recht benutzt und auch deswegen eigentlich nicht problematisch, weil der Kirchgemeinde mit der Pfarrei ein kirchliches Institut gegenübergestellt ist. Auf kantonaler Ebene aber, wo in einzelnen Kantonen mit «Landeskirche», «Kantonalkirche» oder «Synode » auch missverständliche und ekklesiologisch fragwürdige Begriffe verwendet werden, sieht es problematischer aus, umso mehr, weil den kantonalen staatskirchenrechtlichen Körperschaften kein kirchliches Institut auf gleicher Ebene beigestellt ist. Der Wunsch nach einer neuen Nomenklatur ist somit berechtigt, wenn auch nicht einfach umsetzbar, da in einzelnen Kantonen das staatliche Recht solche Begriffe vorgibt. Die «Auflistung der unpassenden Ausdrücke und der möglichen Alternativen» im Buch kann zur Problemerkennung hilfreich sein, enthält im Einzelfall aber auch Bemerkungen, die höchst fragwürdig sind, so etwa der Wunsch nach Streichung des Punktes in der Kirchenordnung der Körperschaft des Kantons Zürich, dem Generalvikar Fragen vorzulegen – welches Kirchenbild steht hinter so einem Postulat, denn auch in der Kirche ist die Meinungsäusserungsfreiheit und damit das Recht, Fragen zu stellen, gewährleistet (vgl. can. 212 § 2)?

Pfarrwahlrecht

Dass der das Pfarrwahlrecht betreffende Teil soumfangreich ist, dürfte eine Folge des leidigen Falles «Röschenz» sein, wo die entsprechende Kirchgemeinde unzulässig Grenzen überschritten und das Bistum durch Formfehler unfreiwillig diesen Übergriffen Raum gegeben hat. Oftmals geht vergessen, dass in den meisten Kantonen ein solcher Fall wegen bereits bestehender staatskirchenrechtlicher Vorgaben, die sicher in den meisten Fällen mit dem betreffenden Bistum abgesprochen sind, so gar nicht möglich wäre. Die heute wegen des Priester- und des noch dramatischeren Pfarrermangels faktisch fehlende Auswahlmöglichkeit hat das in den meisten Kantonen vorgeschriebene Pfarrwahlrecht ausgehöhlt, nun verstärkt durch die Bildung von Seelsorgeräumen. Umso ruhiger können Problemrestanzen angegangen werden, denn ein sinnvoll ausgestaltetes Pfarrwahlrecht nützt auch dem Bischof. Im Buch wird zurecht festgestellt: Kirchensteuern sind kein Kirchengut und staatskirchenrechtliche Gremien haben keinen kanonischen Status. Beides ist nicht unbedingt nachteilig, sondern bietet auch gewissen Freiraum.

Zusammenarbeit zwischen Bischof und Körperschaften

Hier besteht eindeutig der grösste Handlungsbedarf. Der Wunsch nach vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Bistum und den kantonalen Körperschaften, die eine längerfristige Planung und Finanzierung ermöglichen, ist berechtigt. Das stellt aber auch an die Bistümer höhere Anforderungen an Planung und Führung. Und man steht glücklicherweise nicht am Nullpunkt, wurde doch schon bisher vieles bilateral abgesprochen und geregelt. Eine Übersicht darüber liegt leider im Buch nicht vor. Für die Umsetzung aller Massnahmen gilt: «Ohne Vertrauen und Kooperationsbereitschaft bleiben rechtliche Regelungen wirkungslos und ohnmächtig. Und ohne rechtliche verbindliche Regelungen bleibt die verantwortungsvolle Zusammenarbeit unverbindlich und entfaltet keine Wirkung» (S. 162). Das ist nicht nur für staatskirchenrechtliche Gremien anspruchsvoll, sondern auch für Bischöfe und Priester – vor allem für die Kreise, die offen oder verdeckt, auch heute noch und auch in der Schweiz, dem Klerikalismus huldigen. Das Kirchenbild des Zweiten Vatikanischen Konzils und der amtierende Papst geben hier unter Wahrung der besonderen Zuständigkeit des kirchlichen Amtes anderes vor: Kirche soll gemeinschaftlich gelebt werden, wo die Laien nicht Untergebene sind, sondern unter allen Gläubigen aufgrund der Wiedergeburt in Christus eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit besteht (vgl. can. 208).

Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.