Interreligiöse Begegnung

Unglaublich, welche Impulse von einer Grundhaltung ausgehen können, wie sie etwa Franz von Assisi in seinem Leben und Werk schlicht vorgelegt hat: Zwischen Religionen (und Kulturen) soll Begegnung herrschen, nicht Entgegnung, ein Zugehen auf den Andern, nicht ein Abkanzeln und Verdammen. Dieser Frage geht ein Sammelband von (zumeist) Vorträgen nach, die zur Emeritierung des Ethikprofessors Adrian Holderegger an der Universität Freiburg i. Ü. gehalten wurden.1 Das genau umgrenzte Thema erlaubt einen Zugriff von verschiedenen Seiten her, bringt Beispiele aus verschiedenen Zeiten und Gegenden, vertieft und führt weiter. Echte Begegnung scheiterte meist daran, dass man jahrhundertelang fest überzeugt war, dass nur die Taufe dem Menschen das (ewige) Heil vermittle, sodass dem Nicht-Christen (Heiden, Muslimen usw.) das Christentum vermittelt, ja aufgezwungen werden müsse. Der demütige Franz setzte da andere Masstäbe.

Als die Kreuzfahrerheere 1219 beim fünften Kreuzzug am Nildelta vor Damiette (Ägypten) lagerten, um dem muslimischen Sultan den Garaus zu machen, zog Franz mit einem Bruder durch die einander feindlich gegenüberliegenden Heere hindurch und wurde vor den Sultan gebracht, der sie wohl wegen der Ähnlichkeit mit islamischen Sufis freundlich empfing. In den interessengeleiteten Biografien wurden ihm dann verschiedene Motive angedichtet: Drang zum Martyrium, Herausforderung sogar mit Gottesurteil (Feuerprobe – bis heute wiederholt, obwohl überhaupt nicht bestätigt) – aber es ging ihm einfach um Frieden: Gottgläubige sollten sich nicht gegenseitig ausrotten. Aber die christlichen Heerführer samt dem päpstlichen Delegaten hielten nichts davon, harrten aus und metzelten die Muslime nieder. Franz schrieb in der nur mündlich bestätigten Regel, man solle sich, wenn man sich berufen fühle, bei den Nichtchristen niederzulassen (also mit ihnen leben), weder Zank noch Streit auslösen, sondern ihnen dienstbar sein und friedlich seinen Glauben bekennen. – Was der Drang nach Martyrium bewirkte, sieht man an den fünf Franziskanern, die kurz darauf in Marokko bewusst so aggressiv predigten, dass sie prompt hingerichtet wurden. – Doch sehr viel friedlicher wollte der Tertiar Ramon Lull vorgehen, der perfekt Arabisch lernte, ständig im Dialog zwischen den monotheistischen Religionen verblieb und bis heute wegleitende Bücher schrieb.

Im Gegensatz zu andern Missionsmethoden versuchten die Franziskaner, weitgehend friedliche Wege zu gehen, auch in Mexiko etwa und China. Immer war eine genaue Kenntnis der einheimischen Sprachen, Sitten und Gebräuche wegleitend. Und der franziskanische Impuls wirkt bis heute weiter: So hat der Belgier Placide Tempels im Kongo eine «Tiefenevangelisierung» angestrebt, die von einer einfühlsamen Darstellung der afrikanischen «Philosophie » ausging (ich erinnere mich, wie ein berühmter Dominikaner in Fribourg sehr stirnrunzelnd von solchen Gedankengängen sprach). Einen eigenen Weg ging auch der Muslim Mohammed Ben Abdel- Jalil aus Marokko, der mit 24 Jahren Katholik und gleich darauf Franziskaner wurde (Louis Massignon war sein Taufpate, der vielleicht in diesem Band etwas häufiger hätte erwähnt werden können). Sehr viel Einfühlung erheischt ein vorurteilsloser Kontakt mit afro-brasilianischen Religionen – mit dogmatischer Konfrontation kommt man da nicht weiter. Der im Band geehrte Adrian Holderegger beschliesst das Buch mit sehr erwägenswerten Überlegungen zur «Anerkennungspraxis» (dem andern müssen zum Vornherein gleiche Würde und gleiche Rechte zuerkannt werden) und zur «Subjektgemeinschaft» (alle Geschöpfe müssen ihrem eigenen Sein entsprechend geachtet werden, woraus sich Folgen für die Behandlung von Tieren und Pflanzen ergeben: Ich erinnere mich, wie ein Junge fassungslos zusehen musste, als fehlgeleitete Kinder ein ganzes Blumenbeet aus reiner Zerstörungslust «köpften»).

Es ist unmöglich, die 15 Beiträge einzeln vorzustellen. Einige Übersetzungen (v. a. die von Michael Lauble) sind hervorragend, eine ist reichlich schief, aber die vielen mit fremdsprachlichen Titeln und Zitaten versehenen Fussnoten sind hervorragend fehlerfrei. Die sorgfältigen, kenntnisreichen und zumeist auch meisterhaft dargestellten Studien beweisen erneut, dass genaue geschichtliche Erkenntnisse für das Handeln in der Gegenwart wegleitend sind. Man sieht auch bestätigt, dass der Jesuit Bergoglio seinen Papstnamen Franziskus sehr überlegt gewählt hat, er will offensichtlich in dieser Spur vorwärtsgehen.

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Franziskus – ein Name als Programm

Anton Rotzetter (Hrsg.): Franziskus – ein Name als Programm (= topos taschenbücher, Band 863). (topos Verlagsgemeinschaft) Kevelaer 2013, 219 Seiten.

Auslöser für das Buch ist die Namenswahl von Jorge Mario Bergoglio am 13. März 2013, sich als Bischof von Rom Franziskus zu nennen. Anton Rotzetter hat bereits kurz nach dieser Papstwahl in der SKZ (Nr.13–14 / 2013) pointiert darauf hingewiesen, was dies für die Kirche bedeuten kann. Das vorliegende Buch ist nun die Ausfaltung dieser Gedanken, wobei er in fünf Punkten darlegt, wohin die Reise gehen könnte: 1. Die Freude am nahegekommenen Gott, 2. Die geschwisterliche Aufmerksamkeit für andere in überschaubaren Gemeinschaften, 3. Die bedingungslose Solidarität mit den Armen; 4. Die universale Sendung sowie 5. Der mystische Grund der Kirche. Rotzetter erachtet ein solches Programm für die heutige Kirche, um ihre Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, als notwendig, aber auch für die moderne Gesellschaft, die unter dem neoliberalen Kapitalismus von Krise zu Krise stürzt. Rotzetter bringt viele Quellen- und Grundlagentexte, die in die fünf Punkte einführen und diese verdeutlichen.

Urban Fink-Wagner

 

 

1 Adrian Holderegger / Mariano Delgado / Anton Rotzetter (Hrsg.): Franziskanische Impulse für die interreligiöse Begegnung (= Religionsforum, Band 10). (W. Kohlhammer) Stuttgart 2014, 295 S.

Iso Baumer

Iso Baumer

Dr. Iso Baumer, geboren 1929 in St. Gallen, studierte Sprach- und Literaturwissenschaft und war als Gymnasiallehrer in Bern und Lehrbeauftragter für Ostkirchenkunde an der Universität Freiburg (Schweiz) tätig. Er befasste sich früh mit Theologie und verfasste viele Publikationen zur westlichen und östlichen Kirchengeschichte (religiöse Volkskunde, Ostkirchenkunde).