Einführung in das Studium der Quellen über Bruder Klaus

Othmar Frei: Einführung in das Studium der Quellen. (Selbstverlag Othmar Frei) Luzern 2013, 175 Seiten.

Bezug direkt beim Autor zum Selbstkostenpreis von 20 Franken pro Exemplar: St.-Leodegar-Str. 9, 6006 Luzern, Tel. 041 266 06 21, E-Mail an: .

Das schönste Geschenk zu seinem 80. Geburtstag bereitete sich der Luzerner Stiftspropst Othmar Frei gleich selbst. Er publizierte in kleiner Auflage seine gesammelten Studien zu den Quellen des Bruder Klaus unter dem allzu bescheidenen Titel «Einführung in das Studium der Quellen über Bruder Klaus».

«Lasst die Quellen sprechen!»

Diese Aufforderung ist für kaum einen Heiligen gültiger denn für Niklaus von Flüe, «der als heilig gilt, weil er nichts isst» (Bernardo Imperiali, 1483). Der langjährige Religionslehrer am Kantonalen Lehrerseminar Luzern und ehemalige Präfekt der Jesuitenkirche Luzern nutzt seine soliden Kenntnisse in der Bibelexegese und untersucht mit der ihm eigenen Sorgfalt und Genauigkeit die wichtigsten Quellentexte über Niklaus von Flüe (1417–1487).

Sorgfältige Suche nach den «ipsissima verba»

Das Resultat dieser Bemühungen ist eine höchst wertvolle Lektüre, namentlich für Personen, welche davon ausgehen, diesen «Rätselmann im Ranft» (Manfred Züfle, 1998) bereits gut oder sogar sehr gut zu kennen. Seine spezifische Fragestellung schärft den Blick und zwingt uns, genauer hinzusehen, nicht nur, aber auch dort, wo er nach den «ipsissima verba» des «lebenden Heiligen» (Hans von Waldheim, 1474) sucht und diese herausschält. Ich denke dabei unter anderem an seine sorgfältigen, geradezu skelettierenden Erläuterungen der Tagebuchaufzeichnungen von Hans von Waldheim. Dieser Jerusalempilger aus Halle an der Saale besuchte Bruder Klaus 1474, und seine erfrischende, ungekünstelte und wache Beschreibung des Besuches ist eines der wichtigsten Zeugnisse über den Ranfteremiten und dessen näheres Umfeld, inklusive Bruder Ulrich im Mösly.

Ganz besonders wertvoll ist auch die chronologische Anordnung aller Zeugenaussagen, die um 1488 im Kirchenbuch von Sachseln niedergeschrieben wurden. Diese Anordnung lässt, trotz oder gerade wegen der Nüchternheit der einzelnen Aussagen, daran teilhaben, «was denn eigentlich geschieht, wenn Gott einen Menschen hinter sich her und schliesslich aus allen Bindungen herauszieht » (Joseph Bättig, 1990).

Wertvolle Vergleiche dank genauem Studium

Die sorgfältige Analyse der Texte durch Othmar Frei gewinnt überall dort an besonderem Wert, wo mehrere Quellen zum selben Sachverhalt vorliegen. Das zeigt sich insbesondere in seinen Studien über die Zeugenaussagen im Kirchenbuch von Sarnen von 1488 und der Chronik des Berners Heinrich Wölflin, verfasst um 1501, einerseits, in den zwei Beschreibungen des Betrachtungsbildes andererseits.

Dank des sorgfältigen Studiums Zeile um Zeile zeigt Othmar Frei überzeugend auf, warum das Kirchenbuch von Sachseln unsere besondere Wertschätzung als authentische Quelle verdient. Da es allerdings bis zur grundlegenden Arbeit von Robert Durrer, dem 1917–1921 publizierten, vierbändigen Quellenwerk,1 praktisch unbekannt war, blieb der Einfluss von Wölflins Biografie, der diese Quelle nur zu hagiografischen Zwecken und deshalb ziemlich partiell nutzte, dominierend, wie Othmar Frei nicht ohne Bedauern festhält.

Und die sorgfältige Gegenüberstellung der beiden überlieferten Texte, welche eine erste ausführliche Beschreibung des Betrachtungsbildes enthalten, wird zur spannenden Spurensuche und enthält – gerade im Vergleich mit dem heute bekannten Meditationsbild – kleine, aber feine und somit vielsagende Unterschiede, die durchaus weiterer Prüfung und Forschungen würdig wären.

Glaubwürdige Kernaussagen

Othmar Frei hält sich an den Grundsatz, die Quellen sprechen zu lassen, und eher zu selten als zu häufig zieht er eigene Schlussfolgerungen. Er schliesst seine Arbeit jedoch mit einem abschliessenden Kapitel über «Grundlinien der Quellenkritik der Bruder- Klausen-Überlieferung», an dem sich auch künftige Forscherinnen und Forscher, welche direkt mit den Quellen arbeiten wollen, werden messen müssen. In einer Zeit, in der das Ursprüngliche, das Authentische, kurzum das «Original » (und nicht die daraus abgeleitete Meinung) eine hohe Wertschätzung geniessen, ist seine abschliessende Feststellung deshalb sowohl erfreulich wie beruhigend: «Die Glaubwürdigkeit der eigenen Aussagen des Nikolaus kann aufgrund der ganzen Quellenlage klar erwiesen werden. Der eindrücklichste Beweis für seine Kompetenz in theologischen Fragen ist sein Brief an die Berner, in dem er sich prägnant und klar zu Fragen des christlichen Glaubens und Lebens äussert.»

Reicher «Steinbruch» für künftige Forschungen

Othmar Freis exegetischer Ansatz und seine sorgsame Analyse der Quellentexte führt zu keinen grundlegend neuen Erkenntnissen, aber er legt uns hier einen «Steinbruch» vor, einen Schatz an Analysen, der für künftige Forschungen über Niklaus von Flüe und für die biografische Darstellung seines Lebens weitere Präzisierungen und ein genaues Abwägen, der authentischen und weniger authentischen Aussagen und Feststellungen ermöglichen.

 

 

1 Durrer Robert: Die ältesten Quellen über den seligen Nikolaus von Flüe, sein Leben und seinen Einfluss. Sarnen 1917–1921/unveränderter Nachdruck Sarnen 1987.

Roland Gröbli (Bild: zvg)

Roland Gröbli

Dr. phil. I Roland Gröbli ist Autor des Standardwerks «Die Sehnsucht nach dem Einig Wesen» (Zürich 2006), Präsident des Wissenschaftlichen Beirats für «600 Jahre Niklaus von Flüe», Vorstandsmitglied im gleichnamigen Trägerverein und Projektleiter und Co- Herausgeber der offiziellen Gedenkpublikation.