Hoffnung für Bauern in Haiti

Eine gesicherte, vielseitige Ernährung ist das wichtigste Ziel der Projektarbeit von Fastenopfer in Haiti

Haiti ist das ärmste Land der nördlichen Hemisphäre. Neben Korruption und politischer Instabilität wird die Insel immer wieder von Erdbeben erschüttert. Als Folge der Klimaerwärmung nehmen auch starke Wirbelstürme und Trockenzeiten zu. Dennoch organisieren sich Frauen und Männer und suchen gemeinsam Lösungen, um menschenwürdigere Lebensbedingungen zu schaffen. Die landwirtschaftliche Genossenschaft Tèt Kole in Mahotière (UPTKMA) ist eine dieser Initiativen, die mit Unterstützung von Fastenopfer Hoffnung vermittelt.

Irena Léveillé ist eine jener Frauen, die Respekt verdienen. Als Führungs- persönlichkeit wartet die 40-jährige nicht darauf, dass die Lösungen ihrer Probleme vom Himmel fallen. Die Mutter von fünf Kindern, die vom Pflügen über Schultern wie ein Mann verfügt, hat einen unerschütterlichen Durchhaltewillen. In der landwirtschaftlichen Genossenschaft UPTKMA haben sie und ihr Mann Lösungen für ihre Probleme gefunden. Sie war eine treibende Kraft, um die Bäuerinnen und Bauern zum Beitritt zur Genossenschaft zu motivieren. Ihr erstes Ziel war: raus aus dem Teufelskreis der Schulden.

"Die Banken geben keine Kredite an Kleinbauernfamilien", sagt Léveillé. Aber wenn eine Dürre herrscht und nichts wächst, sind die Kleinbauernfamilien gezwungen, Geld auszuleihen, um ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. "Früher habe ich mich in einem solchen Fall an einen Kredithai oder an einen Grossgrundbesitzer gerichtet, die Kredite mit Zinsen von 100 Prozent vergeben", erklärt Léveillé. Für einen Kredit von 1000 Gourdes – etwas mehr als 21 Franken – musste sie sechs Monate später das Doppelte zurückzahlen: 2000 Gourdes. Als Sicherheit musste sie Wertsachen der Familie hinterlegen, die sie verloren hätte, wenn sie die Schulden nicht beglichen hätte: "Wir waren gezwungen, uns auf solche Kredite einzulassen. Es gab keine Alternative, um zu überleben."

Unterstützung hat viele Farben

Mit UPTKMA haben Irena Léveillé und die anderen Bäuerinnen und Bauern Gruppen zur gegenseitigen Unterstützung eingeführt: Heute sind es 118 Gruppen. Ihr Grundsatz ist einfach: 15 bis 50 Menschen, die sich kennen und einander vertrauen, gründen eine Spargruppe. Jedes Mitglied trägt regelmässig kleine Beiträge zur Gemeinschaftskasse bei. Die Mitglieder verwalten die Ersparnisse selber und definieren die Regeln ihrer Gruppe, die Höhe der Beiträge sowie die Bedingungen für einen Kredit. Jede Gruppe verfügt am Ende über drei unterschiedliche Kassen:

  • Die "rote Krisenkasse" hilft Mitgliedern im Falle einer Krankheit, eines Todesfalls in der Familie oder einer Naturkatastrophe. Kommt sie zum Einsatz, ist keine Rückerstattung erforderlich: Diese Kasse hilft weiter, wenn jemand nicht mehr weiter weiss.
  • Die "grüne Sparkasse" gewährt den Mitgliedern während drei bis fünf Monaten kurzfristige Darlehen. Diese reichen von 1000 bis 10 000 Gourdes und weisen niedrige Zinsen auf. "Anfänglich haben wir einander Kredite zu 5 Prozent Zins gegeben", sagt Léveillé: "Weil die Rückzahlung so gut funktioniert, haben wir die Zinsen auf 2 Prozent pro Monat gesenkt." Diese kleinen Darlehen, die auf dem Ersparten der Mitglieder beruhen, bieten den Mitgliedern die Möglichkeit, ein kleines Geschäft aufzubauen oder Vieh für die Aufzucht zu erwerben. Initiativen also, die den Menschen unerlässliche Zusatzeinnahmen ermöglichen.
  • Die "blaue Investitionskasse" verstärkt die "grüne Sparkasse". Sie beantragt Darlehen von Finanzinstituten wie Mikrokredit-Banken, um den Mitgliedern Investitionen von grösserer Bedeutung zu ermöglichen. Sie bürgt auch für die Person, die ein solches Darlehen nutzen möchte.

Irena Léveillé erzählt von ihrer eigenen Erfahrung: "Ich begann mit einem ersten Darlehen in der Höhe von 5000 Gourdes aus der ‹grünen Sparkasse›. Damit konnte ich Erdnüsse pflanzen, meine Kinder zur Schule schicken und ein Pferd kaufen. Das Pferd brachte drei Maultiere zur Welt. Heute habe ich eine richtige Viehzucht mit Schweinen, Ziegen und Pferden."

Nach mehr als zehn Jahren Erfahrungen mit Unterstützungsgruppen zieht auch Tibòs Ervilus, der Leiter von UPTKMA, eine positive Bilanz: "Die Gruppen haben sich zu einem soliden Fundament entwickelt, das den Kleinbauernfamilien eine wichtige wirtschaftliche Unterstützung bietet."

Freude an Landwirtschaft wiedergewinnen

Im Zentrum der Tätigkeiten von UPTKMA stehen der Zugang zu Land und die Unterstützung von Kleinbauernfamilien. Die Genossenschaft ist aufgeteilt in drei Einheiten: eine für Männer, eine für Frauen und eine für die Jugend. "Die Probleme der Jugend sind nicht dieselben wie die der Männer, und Männer haben andere Sorgen als Frauen ", erklärt Durogène Monmiste, der sämtliche Aktivitäten der Genossenschaft mit ihren über 2000 Mitgliedern koordiniert: "Die Beweggründe und die Interessen sind unterschiedlich. Weil die Mitglieder in verschiedenen Gruppen zusammenkommen, haben sie die Möglichkeit, die Probleme zu diskutieren, die sie wirklich betreffen."

Neben der Spargruppe haben Léveillé und die anderen Mitglieder weitere Initiativen entwickelt. Darunter etwa Gemeinschaftsgärten. "Diese werden von allen Mitgliedern der landwirtschaftlichen Genossenschaft gemeinsam angebaut", sagt Ervilus: "Gemeinsam nehmen sie Besitz von bislang ungenutzten Grundstücken, machen sie fruchtbar und bepflanzen sie." Sie bauen darauf Hirse, Mais, Bananen oder Erbsen an. Der Überschuss kommt in den gemeinsamen Speicher oder wird auf dem lokalen Markt verkauft.

Die Genossenschaft unterstützt auch die Viehzucht: "Das Prinzip ist einfach", sagt Ervilus: "Die UPTKMA vertraut einem ihrer Mitglieder eine Ziege, ein Schwein, ein Schaf, ein Pferd oder einen Esel an." Dieses Mitglied ist dann verantwortlich, das Tier aufzuziehen und der Genossenschaft zwei Würfe abzuliefern. Die Genossenschaft gibt die Jungtiere an andere Mitglieder weiter. "Diese Form der Zusammenarbeit dauert nun fünf Jahre", fügt Ervilus an: "Und bereits konnten 250 Personen davon profitieren."

Zum Schluss zeigt Ervilus den Gemeinschaftsspeicher von Mahotière. "Weil ihn die Mitglieder selber verwalten, können hier die Menschen direkt und zu einem günstigen Preis ihre Grundnahrungsmittel beziehen: Sie müssen nicht mehr weite Wege bis zum nächsten Markt reisen."

Ersatz für abwesenden Staat

Für UPTKMA ist klar, dass sich gegenseitiger Beistand nicht auf Landwirtschaft und Viehzucht beschränken darf: "Ein einzelner Sektor vermag nicht alle Probleme zu lösen", sagt Monmiste. In Mahotière ist der Staat kaum präsent: Nur sechs Schulen gibt es für die gesamte Region. In diesen Schulen mit durchschnittlich 350 Schülerinnen und Schülern gibt es nicht einmal Sitzbänke. "Und für ein Gebiet mit 22 000 Menschen existieren nur zwei Krankenstationen mit nur je einer Arztgehilfin." Mit Unterstützung von Fastenopfer zeigt die Genossenschaft ihren Mitgliedern ihre Rechte auf. Und sie begleitet sie dabei, ihre Rechte bei den Behörden einzufordern. Dies verlangt einen langen Atem. Dennoch hegen Monmiste und Ervilus grosse Ambitionen. "Unsere Gemeinschaft hat eine aussergewöhnliche Hebelwirkung! Und weil sich die Jungen beteiligen, ist die Zukunft in Mahotière gesichert!"
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Gegen Not und Ungerechtigkeit

2014 ermuntert Papst Franziskus die Katholiken explizit für die Fastenzeit zum aktiven Einsatz gegen Not und Ungerechtigkeit. Mit einer Unterstützung der Arbeit von Fastenopfer tragen Sie zur Verbesserung der Lebenssituation benachteiligter Bäuerinnen und Bauern im Süden bei und ermöglichen Ihnen, sich aus eigener Kraft aus der Armut zu befreien.

PK 60-19191-7 (Vermerk: Haiti)

Blanca Steinmann

Blanca Steinmann

Lic. phil. Blanca Steinmann, Journalistin und Ethnologin, ist bei Fastenopfer Programmverantwortliche für Madagaskar.