Heilsamer Stolperstein

Papst Franziskus ordnete im Hinblick auf die ausserordentliche Synode «über die pastoralen Herausforderungen der Familie» vom Herbst 2014 eine Umfrage an, für die nicht nur die Meinung der Bischöfe gefragt ist, sondern auch die Erfahrungen der Gläubigen. Die Bistümer Basel, St.Gallen und Lausanne-Genf- Freiburg setzten dies mit einem vereinfachten und damit «verdaulichen» Fragebogen um, der trotz der Kurzfristigkeit auf eine grosse Resonanz stiess (zu den Resultaten siehe den SPI-Bericht im Amtlichen Teil und die Berichterstattung in der Kipa-Woche). Nicht nur die Umfrage selbst, sondern auch die Medienkonferenz der Schweizer Bischöfe vom 5. Februar 2014 stiess auf eine grosse Resonanz und führte in den säkularen Medien zu einer breiten Berichterstattung, was aufzeigt, dass die Kirche wahrgenommen wird, wenn sie etwas Interessantes und Relevantes zu sagen hat.

Erfreuliche Offenheit der meisten Bischöfe

Wie die erwähnten Bistümer und Bischöfe die päpstliche «Hausaufgabe» zusammen mit dem Pastoralsoziologischen Institut in St. Gallen angepackt, umgesetzt und ausgewertet haben, verdient dabei grossen Dank und Respekt. Erstmals ist ein Synthesebericht, der wohl in dieser oder ähnlicher Form nach Rom geliefert wird (vgl. http://www.kath.ch/skz/upload/20140211135608.pdf ) öffentlich einsehbar. Und die drei an der Medienkonferenz anwesenden Bischöfe (M. Büchel, C. Morerod und D. Theurillat) berichteten ungeschminkt über die Resultate der Umfrage: Einerseits betonten die grossmehrheitlich kirchennahen Teilnehmenden, wie bedeutungsvoll die religiöse Prägung für sie und ihre Familien ist, andererseits kritisieren sie die geltende kirchliche Lehre in wesentlichen Punkten. Hoffentlich hält die Offenheit der Bischöfe an, denn die nicht selten feststellbare Geheimniskrämerei in der katholischen Hierarchie schadet der Kirche und wirft kein gutes Licht auf entsprechende Führungskräfte.

Der «sensus fidelium» als «locus theologicus»

Die Umfrage ist keine Abstimmung über «falsch» oder «richtig» der geltenden kirchlichen Lehre; aber das Hinhören auf die Erfahrungen der Gläubigen hat auch einen theologischen Wert, der eine Wiederentdeckung des «sensus fidelium» als «locus theologicus», als Ort theologischer Erkenntnis, bedeuten kann. Das ist insofern nötig, weil in den letzten Jahrzehnten in strittigen Fragen fast nur das kirchliche Lehramt massgebend war und neben den Erfahrungen der Gläubigen auch die Theologie nicht genügend berücksichtigt wurde. Der «Paukenschlag » (Bischof Büchel) der Umfrage kann also mehrfach heilsam und für die Kirche wichtig sein – in Richtung mehr Kommunikation und Dialog, unter Einbezug einer ernsthaften Deutung der «Zeichen der Zeit», zu denen auch die Anliegen und Erfahrungen der Gläubigen zu zählen sind. Nur kurz sei noch angemerkt, dass die Schweiz in Sachen Umfrage kein Sonderfall ist; die zeitgleich veröffentlichten Resultate aus Deutschland sind weitgehend deckungsgleich (zum DBK-Bericht: http://www.kath.ch/skz/upload/20140211135654.pdf ): Werden die Diskussionspunkte und die Gläubigen als Subjekte in die kommende Bischofssynode eingebracht und zugelassen, wird es spannend und interessant!

Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.