Heilsame Berührungen im Gottesdienst

Keramik-Relief Lukas 13, 10-13 von Ruth Meyer-Züllig im Foyer St. Theresia in Zürich-Friesenberg. (Bild: Wikipedia)

 

Da ist sie, die Berührung mehrmals am Tag mit dem iPhone. Durch den Kontakt entsperrt ein ausgewählter Finger das mobile Gerät. Da ist sie, die Berührung, der Handschlag jeden Morgen mit den Sekretärinnen. Ein kurzer Moment, der so viel für den Tag erahnen lässt. Da ist sie, die Berührung zum kleinen Finger eines Kindes. Es ist ein Festhalten, um das Laufen zu erlernen. Die Berührung verleiht dem Kleinen Gleichgewicht und gibt ihm eine Balance.

Die heilsame Kraft der Berührung kennen wohl alle Menschen. Bei einer Berührung mit einem vertrauten Menschen fühlen wir etwas von Wärme, von Zuspruch, von Stärke. Und der Weltknuddeltag am 21. Januar ermutigt zum einen zu warmherzigen Zeichen der Zuneigung und zum anderen bieten liebenswert anziehende Menschen mitten auf der Strasse einer Stadt kostenlose Umärmelungen zwischen wildfremden Menschen an (www.weltknuddeltag.de).

Auch Jesus hat die Menschen seiner Zeit berührt; ganz ohne Scham. Die Heilungsgeschichten der Evangelisten sind «Berührungsgeschichten». Dem Aussätzigen streckt Jesus die Hand entgegen. Den Taubstummen berührt Jesus an Ohr und Zunge. Beide erhalten ein Leben mit allen Sozialkontakten zurück. Ja, in der Bibel ist mehrfach davon die Rede, dass Jesus kranken Menschen die Hände auflegt oder sie bei der Hand nimmt und heilt.

Liturgie feiert Gottes Gegenwart mit Worten und Zeichen. Insbesondere das Sakrament der Krankensalbung schenkt den Menschen Hilfe und Heil. In der gemeinsamen Feier des Glaubens, in Gebet, Handauflegung und Salbung mit dem geweihten Öl werden den Kranken in ihrer Situation die rettende und heilende Nähe Christi sakramental und real zugesprochen. So ist es Christus, der «Heiland, der in der Person des Priesters lindernd und stärkend den Kranken die Hände auflegen und ihnen die Aufrichtung schenken will, die Kranke in dieser bedrückenden Lebenssituation brauchen» (Die Feier der Krankensakramente, 29). Aber auch andere gottesdienstliche Formen schenken diese Zuwendung. In der pastoralen Einführung ins Benediktionale ist formuliert: «Das Auflegen oder Ausbreiten der Hände bei der Segnung von Personen bringt die Bitte um den Segen Gottes über sie und die Mitteilung des Segens durch die Kirche besonders stark zum Ausdruck» (Nr. 31). Zu denken ist zum Beispiel an den Blasiussegen – von Kerzen umrahmt, wird den Gläubigen der Segen zugesprochen – oder an das Kreuzzeichen, das auf die Stirn jeder und jedes Einzelnen gezeichnet wird. Es ist eine schlichte, aber berührende und intensive Geste. Es sind heilsame Momente im Gottesdienst. Liturgie erhält damit eine rituelle Funktion. Sie bildet Gemeinschaft und hilft Menschen Sinn zu finden, indem sie in einer speziellen Lebensphase den Gläubigen begleitet oder auf die Wechselfälle des Lebens reagiert. Liturgie möchte den Menschen immer wieder neu mit dem Heil Gottes in Kontakt bringen. Das geschieht in heilsamen Zeichen, in zarten und einladenden Berührungen. Aber auch im Wort Gottes, das zu uns gesprochen wird oder im Fürbittgebet, indem wir für Menschen beten, die Gottes Zuspruch bedürfen. Liturgie wird damit zu einem Begegnungsgeschehen zwischen Gott und Mensch.

Nicole Stockhoff*

 

* Dr. theol. Nicole Stockhoff (Jg. 1981) war von 2006 bis 2011 wissenschaftliche Assistentin an der Theo- logischen Fakultät der Universität Luzern. Sie ist Leiterin der Fachstelle Gottesdienst im Bistum Münster.