Glaube kommt (auch) vom Wissen

Warum Katechese heute kompetenzorientiert sein muss, erläutert Christian Cebulj und erinnert an den Titel «Hörer des Wortes», eines der frühen Bücher Karl Rahners SJ (1904–1984).

Bis heute habe ich Rahners Totenzettel aufbewahrt. Darauf ist zu sehen, wie er seine Hand an das Ohr hält und so die Ohrmuschel vergrössert, um besser hören zu können. Dieses Foto wirkt wie eine Illustration des berühmten Paulus-Zitats «Der Glaube kommt vom Hören» (Röm 10,17) und zeigt eine zentrale Haltung der Katechese: Es geht zuallererst um das Hören des Evangeliums. Rahner geht noch über Paulus hinaus. Es sei grundsätzlich wichtig, auf das Hören des Menschen an sich zu achten: auf seine Lebenswelt, in die er hineinhört, auf die Stimme Gottes, die der Mensch unter den vielen Stimmen seines Alltags herauszuhören versucht.

Katechese kommt vom Hören

Genau diese Haltung des Hörens bildete den Ausgangspunkt der Arbeit am neuen Deutschschweizer Lehrplan für Religionsunterricht und Katechese1: Weil Katechese zunächst den kirchlichen Dienst an der Vermittlung der christlichen Botschaft bezeichnet, haben wir als Projektteam zunächst die katechetischen Konzeptionen der letzten zwanzig Jahre studiert. Dabei war die Orientierungshilfe «Orientierung Religion» der Interdiözesanen Katechetischen Kommission (IKK) aus dem Jahr 2002 eine ebenso wichtige Quelle wie die aktuellen Lehrpläne der Kantone. In mehreren Vernehmlassungen haben wir genau auf die katechetischen Bedürfnisse bei den Kindern und Jugendlichen, bei den Katechetinnen und Katecheten, bei den Fachstellen, in den Schulhäusern und Pfarreizentren gehört. Dabei hat sich gezeigt, dass sehr viel Gutes erreicht wurde. Religionsunterricht und Katechese haben insgesamt ein positives Image bei Kindern, Jugendlichen und deren Eltern mit all ihren Erwartungen.

Religion als Fremdsprache

Aber anders als noch vor zwanzig Jahren machen die Kolleginnen und Kollegen in der heutigen Katechese die Erfahrung einer Art «Erstverkündigung». Viele Eltern fühlen sich aufgrund ihrer eigenen mangelnden religiösen Sozialisation überfordert und nicht in der Lage, ihre Kinder religiös zu erziehen. Dennoch lassen sie ihre Kinder taufen und durchlaufen mit ihnen den klassischen Kommunionweg, den Versöhnungsweg und den Firmweg. Sie wollen nicht nur in der schulischen Bildung, sondern auch in religiöser Hinsicht das Beste für ihre Schützlinge. Dabei ist es Problem und Chance zugleich, dass Religion zu einer «Fremdsprache» geworden ist, ebenso neu zu erlernen wie Englisch oder Französisch. Um es mit Georg Langenhorst zu sagen: Es herrscht «Sprachkrise im Theotop».2 Das ist nicht nur eine Problemanzeige, die alten Zeiten nachtrauert, sondern eine Chance für die Katechese: Kinder und Jugendliche sind immer wieder auf der Suche nach einer individuell passenden und authentischen Sprache für ihre Religiosität. Das Vokabular müssen sie sich wie beim Erlernen einer Fremdsprache aneignen. Katechese wird damit zu einer Art Sprachschule des Glaubens. Dazu will der neue Lehrplan motivieren.

Chancen und Grenzen der Katechese

Zudem fördert der selbstkritische Blick auf die letzten zwanzig Jahre die Einsicht zu Tage, dass in unseren Pfarreien der Ausbau einer wirklich einladenden und über die bewährten Formen der Sakramentenkatechese hinausführenden Katechese nicht im erhofftem Mass gelungen ist. Gerade bei den Kirchenverantwortlichen hat deshalb der Glaube in das Potenzial der Katechese erkennbar nachgelassen. Auch im LeRuKa-Team mussten wir gegen solche Skeptiker kämpfen. Andererseits liegen die Lernchancen einer nicht mehr nur an Glaubensinhalten, sondern auch an religiösen Fähigkeiten und Fertigkeiten orientierten Katechese auf der Hand.

Das Lernen stark machen

Kürzlich las ich den Satz eines Religions-Kollegen aus einem Gespräch: «Die Kompetenzorientierung ist wie ein neuer Motor für Religionsunterricht und Katechese, der leider ins Stottern gekommen ist, bevor er richtig genutzt werden konnte.»3 An diesem Zitat haben zwar einige Gegner, vor allem aber die vielen Befürworter der Kompetenzorientierung ihre Freude – wie auch das LeRuKa-Team: In einigen Jahren wird sich zeigen, dass der kompetenzorientierte Ansatz nicht etwa inhaltsleeres «Stricken ohne Wolle» ist, sondern wertvolle Potenziale für die Katechese enthält. Weil die meisten Religions-Lehrpersonen weder reformmüde noch träge, sondern innovativ und erfinderisch sind, wird die Katechese Kinder und Jugendliche im Glauben stärken und später zu religiös kompetenten Erwachsenen machen. Denn Kompetenzen haben etwas mit Wissen und mit Können zu tun. Wenn ich mir die Kompetenzen anschaue, die Kinder und Jugendliche heute in einer professionell organisierten Katechese erwerben, dann mache ich mir über die Zukunft unserer Kirche keine Sorgen. Denn der Glaube kommt zwar vom Hören, aber eben (auch) vom Wissen.

 

1 www.leruka.ch

2 Vgl. Georg Langenhorst: Sprachkrise im «Theotop». Zur Notwendigkeit radikaler Neubesinnung religiöser Sprache, in: RpB 69 (2013) 53–64.

3 Vgl. Rainer Möller u. a. (Hg.): Aufgabenkultur im Religionsunterricht. Von der Didaktik zur Praxis, Münster 2014, 147–163.

Christian Cebulj

Christian Cebulj

Dr. Christian Cebulj ist Rektor der Theologischen Hochschule Chur (THC) und betreut den Lehrstuhl für Religionspädagogik und Katechetik.