Für die Kelchkommunion in der Osternacht

Im Nachgang zum Evangelium des vergangenen Sonntags (LJ C, 2. Sonntag i. Jk.: Joh 2,1–11) mit der Hochzeit in Kana möchte ich einen Anstoss für die Kelchkommunion in der Osternacht geben. «Der Kelch des Segens, über den wir den Lobpreis sprechen, ist er nicht Teilhabe am Blut Christi?» (1 Kor 10,16). Was hier Paulus um 54/55 n. Chr. den Korinthern schreibt, gibt – im Unterschied zu den später verfassten synoptischen Evangelien, die vom Letzten Mahl Jesu berichten – Einblick in den Gottesdienst der apostolischen Zeit. Überraschend ist die Selbstverständlichkeit, mit welcher Paulus der Gemeinde schreibt, dass «wir den Lobpreis sprechen» und offenbar alle am «Kelch des Segens» Anteil haben.

Was aber bedeutet «Teilhabe am Blut Christi»? Das kann aus den Evangelien erschlossen werden. Diese berichten von einer ärgerlichen Begebenheit kurz vor dem Einzug Jesu in Jerusalem. «Die Mutter der Söhne des Zebedäus» kommt mit diesen zu ihm und bittet: «Sag, dass meine beiden Söhne in deinem Reich sitzen werden, einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken.» Auf die Frage Jesu: «Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?», antworten die beiden selbstsicher: «Wir können es.» Darauf antwortet Jesus: «Meinen Kelch werdet ihr zwar trinken», die Vergabe der Ehrenplätze aber ist Sache seines Vaters (Mt 20,20–23). Im Garten Getsemani wird Jesus angesichts des bevorstehenden Leidens traurig und mutlos, so dass er sich «zu Tode betrübt» auf den Boden wirft: «Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber» (Mt 26,39). Ihn hat dann Jesus in der Passion bis zur Neige ausgekostet: Kelch des Leidens.

Es ist wirklich sinnvoll, dass die Gläubigen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den meisten Eucharistiefeiern am Hohen Donnerstag diesen Kelch des Leidens empfangen können: Teilhabe am Blut Christi. Das ist leider in den Eucharistiefeiem der Osternacht weniger der Fall. Damit wird ein wichtiger Aspekt des Kelches Jesu vernachlässigt. Denn dieser ist durch die Auferweckung Jesu von den Toten zum Kelch der Freude geworden. Tatsächlich hat Jesus beim Letzten Mahl verheissen, dass das Opfer seines Lebens Heil stiftend ist: «Trinkt alle daraus! Denn das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.» Bedeutsam und hoffnungsvoll zugleich fügt er bei: «Ich werde von der Frucht des Weinstocks von nun an nicht mehr trinken bis zu dem Tag, da ich aufs Neue mit euch davon trinken werde im Reich meines Vaters» (Mt 26,26–29). Dieser von Freude erfüllte Tag begann mit der Auferstehung Christi an Ostern. Seither ist der Kelch des Leidens auch Kelch der Freude!

Für eine Besinnung und Hinführung zum Empfang der Kelchkommunion auch in der Osternacht (und warum nicht an allen Ostersonntagen?) kann im neu begonnenen Lesejahr C der bereis erwähnte Bericht von der Hochzeit in Kana hilfreich sein. (Eigentlich sollte er seiner Bedeutung wegen auch in den beiden andern Lesejahren vorgetragen werden!) Von der fantastisch anmutenden Schilderung, wie eine grosse Menge von Wasser zu einem guten (!) Wein wird, heisst es abschliessend: «Das tat Jesus als Anfang der Zeichen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn» (2,11). «Zeichen» wofür? Für die messianische Heilszeit! Denn die Stunde, von der Jesus seiner Mutter in Kana erklärte, sie sei «noch nicht da» (Joh 2,5), ist angebrochen, als er sterbend am Kreuze sagte: «Es ist vollbracht» (Joh 19,30). Das Trinken (!) aus dem eucharistischen Kelch (und/oder aus kleinen Kelchen) vermag die beglückende «Teilhabe am Blut Christi» an Ostern erfahrbar zu machen! Nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern das Leben! Das gilt es zu feiern. Auch mit dem Trinken aus dem Kelch der Freude!

Ich bin mir bewusst, dass mein Plädoyer einige Fragen aufwirft. Aufgrund der erfreulichen Tatsache, dass Papst Franziskus interessiert ist, auch die Meinung der Basis kennenzulernen, frage ich mich, ob sich nicht die Diözesanen Liturgiekommissionen mit dem Thema Kelchkommunion befassen sollten; daraus könnten Vorschläge an die zuständigen Stellen erwachsen.

 

 

Robert Trottmann

Dr. Robert Trottmann war von 1965 bis 1972 Sekretär und Leiter des Liturgischen Instituts in Fribourg und Zürich, 1976–1982 Dozent für Liturgik an der Theologischen Hochschule Chur, 1985–1991 Mitarbeiter im Liturgiereferat des Bistums Aachen und von 1991–1998 Pfarrer und Dekan im Engadin.