«Freue dich, Mutter Kirche, umkleidet von Licht und herrlichem Glanze!»

Von der Lichtwerdung des ganzen Kosmos in der Osternacht

Wie alle Feiern des Triduum sacrum ist die Liturgie der Osternacht eine überaus dichte Feier. Verschiedene sinnliche Elemente und Symbole, die nur in dieser Nachtfeier vorkommen, geben ihr Ausdruckskraft und verleihen ihr einen speziellen Reiz. Gleichwohl setzt die Osternacht aber durch ihre Komplexität hohe Anforderungen an die Feiernden. Das betrifft auch das Exsultet, den österlichen Lobpreis. Es ist ein grossartiges Stück liturgischer Poesie, in der in jubelnder Freude die endgültige Lichtwerdung des ganzen Kosmos besungen wird.

Das Mysterium dieser Nacht

In sinnenhafter Weise wird in der Lichtfeier das Mysterium von Ostern entfaltet: In der Dunkelheit der Nacht wird das Licht der Osterkerze an einem neu entfachten, gesegneten Feuer entzündet und anschliessend in einer Prozession in die dunkle Kirche hineingetragen und als Licht Christi mit dem dreimaligen Ruf "Lumen Christi – Deo gratias" begrüsst. Mit diesem Lumen Christi begibt sich das Volk Gottes auf den Weg, um das Dunkel der Nacht durch das wahre Licht zu erleuchten. Während der Prozession wird das Licht der einen Osterkerze an alle Mitfeiernden weitergegeben, die so symbolhaft Anteil erhalten an diesem Licht und selbst zu Lichtträgern und Lichtträgerinnen werden. Der dunkle Kirchenraum wird damit in ein Haus aus Licht verwandelt. Christus, der den Tod überwunden hat, überstrahlt alle Finsternis, alles Leid und alle Sünde. Die Lichtfeier mündet ein in den österlichen Lobpreis, der ins Wort bringt, was sich gerade ereignet: die Lichtwerdung durch das Lumen Christi. Das Anzünden, das Hineintragen, das Verteilen, das Inthronisieren und das Lobpreisen des Lichtes bilden dabei eine Einheit von nonverbaler und verbaler Symbolik, die die Mitfeiernden in das Heilsgeschehen von Ostern einbindet.

Eine feierliche Ouvertüre

In immer neuen Anläufen und in schier unerschöpflichen Bildern wird im Osterlob, wie das deutschsprachige Messbuch das Exsultet nennt, das unfassbare Geschehen dieser Nacht besungen, in der das Licht den Sieg davon trägt. Im liturgischen Geschehen nimmt das Exsultet die Funktion einer feierlichen Ouvertüre wahr, in der schon einmal alle Festmotive anklingen. Es ist das Lob der Osterkerze, der Schöpfungsgabe (Lob der "fleissigen Biene") und der kulturellen Leistung sowie ein Lob der ganzen Osternacht, die die Mitfeiernden mit dem Erlösungsgeschehen in Jesus Christus in Berührung bringt. Die Textfassung stammt in ihren Ursprüngen schon aus dem späten 4. Jahrhundert, fand aber erst im 12./13. Jahrhundert Eingang in die römische Osternachtfeier. Das Exsultet als Schlusspunkt der Lichtfeier und Eingangstor in die Nacht des Wachens mit den sieben alttestamentlichen Lesungen, in die Tauffeier und die Feier der Eucharistie gibt den Mitfeiernden eine Deutung des Geschehens mit auf den Weg des Feierns.

"Frohlocket"

Schon die ersten drei Sätze des Prologs stimmen die Mitfeiernden ein: "Frohlocket, ihr Chöre der Engel, frohlocket, ihr himmlischen Scharen, lasset die Posaune erschallen, preiset den Sieger, den erhabenen König." Christus hat in seinem Pascha den Tod besiegt und zieht nun in die himmlische Stadt ein, wo die Engel ihn erwarten und ihm zujubeln. Doch nicht nur im Himmel wird sein Ostersieg besungen, sondern auch auf Erden: "Lobsinge du Erde, überstrahlt vom Glanz aus der Höhe!" Jubelnde Freude ist die Reaktion auf die Auferstehung Christi, deren Licht den ganzen Kosmos von der Finsternis befreit. Symbol dieser Lichtwerdung ist das sinnlich schaubare Licht der Osterkerze, das die Finsternis des Kirchenraumes überstrahlt. So soll auch jetzt die feiernde Gemeinde, die Kirche, sich freuen "umkleidet von Licht und herrlichem Glanze".

"Dies ist die Nacht"

Dass das Ostergeschehen hier und jetzt in dieser Nacht gegenwärtig ist, besingen die fünf "haec"-Sätze des österlichen Lobpreises. Viermal heisst es: "Dies ist die Nacht." Das ist wörtlich zu nehmen: Es geht um das Mysterium der gegenwärtigen Nacht, in der die versammelten Gläubigen Ostern feiern. "Dies ist ja das Fest der Ostern, an dem jenes wahre Lamm getötet wird", übersetzt Norbert Lohfink deshalb den doppelten Präsenz des ersten "haec"-Verses. Deutlich wird: Die Osternacht vergegenwärtigt die Feiernden dem Pascha Christi. Der Kreuzestod Jesu und seine Auferstehung in dieser Nacht werden im Licht des alttestamentlichen Pascha gesehen: Durch sein Blut wird Christus zum wahren Paschalamm (vgl. 1 Kor 5,7). "Das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt " (Joh 1,29) ist hier das Paschalamm: Gemäss dem Johannesevangelium stirbt Jesus, dem wie dem Paschalamm kein Knochen zerbrochen wird (Joh 19,36; Ex 12,46), zu derselben Stunde, in der auf dem Tempelareal die Lämmer geschlachtet werden, die anschliessend in den Häusern beim Paschamahl gegessen werden.

Das Osterlob preist Christus als das "wahre" Paschalamm, mit dessen Blut die Türen der Gläubigen zur Abwehr des Verderbers geschützt sind. Damit wird der Exodus auf die Taufe hin gedeutet, bei der die Täuflinge mit dem Kreuz – wie einst die Türen beim Exodus – gezeichnet wurden. Die Einheit von Exodus und Taufe wird im Fortgang der "haec"-Sätze noch weiter vertieft, wenn die Osternacht als der Übergang Israels in das gelobte Land beschrieben wird. Dieser Transitus wird erneut Wirklichkeit in der Taufe "dieser Nacht", in der die Täuflinge hinübergehen in die Gemeinschaft der Kirche. Als sinnlich wahrnehmbares Medium wird die Osterkerze besungen: Christus als das Licht der Welt vertreibt jetzt, heute, in dieser Nacht das Dunkel von Leid und Sünde. Dies ist Grund zu überschwänglicher Freude. 

Zum Weiterlesen: Guido Fuchs / Martin Weikmann: Das Exsultet. Geschichte, Theologie und Gestaltung der österlichen Lichtdanksagung. Regensburg 1992.

 

Birgit Jeggle-Merz (Bild: unilu.ch)

Birgit Jeggle-Merz

Dr. theol. Birgit Jeggle-Merz ist Ordentliche Professorin für Liturgiewissenschaft an der Theologischen Hochschule Chur und a. o. Professorin in derselben Disziplin an der Universität Luzern.