Freud und Leid des Volkes teilen

Vom Umgang mit dem Unabhängigkeitskrieg in Rhodesien/Simbabwe und der Apartheid in Südafrika handelt der neue Band der Reihe Mission im Dialog.1Der Forschungsbericht ruft kritische Situationen in Erinnerung, mit denen die Bethlehem-Mission SMB ab 1968 und später die katholische Schweiz konfrontiert waren.

Eben hatte das Konzil zur Erneuerung missionarischer Spiritualität aufgerufen, da sah sich 1968 das Regionalkapitel der SMB-Region Gwelo zur Erklärung von Schwerpunkten im missionarischen Programm veranlasst. Die "ganzheitliche Entwicklung des Menschen" und das "Zeugnis in Rassenfragen und Politik" wurden ins Zentrum gerückt. Keine der politischen Parteien könne man direkt unterstützen. Markant darum die deutliche Positionierung: "Die dauernde Vorenthaltung politischer Rechte gegenüber der Mehrheit des rhodesischen Volkes ist eine Verletzung der Menschenrechte und ein Verstoss gegen die Menschenwürde." (11) Unter den Missionaren kam es zu einem Sensibilisierungsprozess, der auch mit der Römischen Bischofssynode 1971 bestätigt wurde.2

Verhalten im Unabhängigkeitskrieg

Die Entwicklung der politischen und militärischen Lage in Rhodesien forderte die zuständigen Bischöfe. Dann besonders akut ab 1976 auch die SMB-Leitung. Sie legte den Missionaren nahe, nicht alleine, sondern im Gespräch mit Partnern zu angemessenen Entscheidungen zu gelangen. Ein Krisenstab3 empfahl unter anderem, alle an Kämpfen Beteiligten über die "Waffenlosigkeit der Missionare" (19) zu informieren. Sie gerieten mitten ins Kriegsgeschehen, mussten in Haft oder erlitten den Tod durch Gewalt.4

Ausführlich berichtet J. Elsener über weitere Verhaltensregeln in der Krisensituation und die Umstände, die diese bei der Betreuung der Gemeinden durch die Missionare mit sich brachte. Dazu hielt der damalige Generalobere Josef Amstutz beispielsweise fest: "In den kleinen, weit zerstreuten Ortsgemeinden in den von Guerilleros besetzten Gebieten wächst eine neuartige Glaubensgemeinschaft heran. Dort begegnet die Kirche dem neuen Simbabwe." (32) Weil "die Regierung eine Politik der verbrannten Erde verfolgte", versprach die SMB Unterstützung für die Bevölkerung und pflegte deswegen engere Kontakte mit der Befreiungsbewegung. 1979 fanden Gespräche u. a. von Michael Traber SMB mit dem ZANU-Präsidenten Robert Mugabe und mit einer ZANLA-Delegation in London statt. (34–37)

Übergang zum neuen Simbabwe

Die Missionare hatten ihren Auftrag unter dem Volk der Vakaranga (69), mussten untereinander Spannungen austragen und Stellung nehmen zur Anwendung von Gewalt (70) und kriegerischen Entwicklungen. (38–50) Als Betroffener berichtete J. Elsener in die Heimat. Dort informierte die SMB-Leitung die Angehörigen, hielt 1976 gemeinsam mit Aloysius Haene, Bischof von Gwelo, Pressekonferenzen ab. "Die andere Seite des Rhodesienkonflikts" sollte gezeigt werden und "die Parteinahme für die Geringen und Kleinen der universalen und unteilbaren Liebe wegen". (52) Diese Haltung stiess bei in Rhodesien lebenden Schweizern auf Kritik. Weitsichtig drückte sich dann J. Amstutz in seinem Pfingstbrief 1977 aus: "Wir müssen uns bereit machen, von alten Wegen missionarischen Gebarens und Lebensstiles abzukommen und uns mit einer Kirche in Armut zu identifizieren, ohne die Annehmlichkeiten und das Gewicht von grossen Institutionen mit öffentlicher Anerkennung". (57) Hier dokumentiert der Bericht das Positionspapier des politisch aktiven Simbabwers Barnabas Dzingai Mutumbuka zum "Missionarischen Lebensstil" (58–63). Dieses habe ihnen geholfen, "den Krieg zu überleben", erklärten dazu einige Priester.

J. Elsener schliesst mit interessanten Informationen über das Zimbabwe Project, die Kirche im neuen Staat und einer Zusammenfassung und Bildern zum Geschehen (74–86). Alles in allem wird deutlich, wie sich die SMB-Mission aus kolonialer Haltung verabschiedete und zu einer Haltung konvertierte, "der Kirche ein wahrhaft einheimisches Gesicht zu geben" (69).

Auseinandersetzung mit Apartheid

Auch der SMB lag daran, sich mit der Haltung der katholischen Kirche in der Schweiz zur Apartheid in Südafrika auseinanderzusetzen. Davon zeugt der Auszug aus einer Studie über die Zeit von 1970 bis 1990.5 Den Auftrag dazu erteilte nach längerem Hinausschieben die Bischofskonferenz an die Kommission Justitia et Pax, welche neben anderen von J. Elsener unterstützt wurde. Die missionarischen Gemeinschaften in Südafrika, darunter mehr Frauen aus der Schweiz als Männer, nahmen "bis etwa 1980/85 offiziell eine vorsichtige Haltung gegenüber dem Apartheidstaat" (92) ein. Es folgten dann verschiedenste Initiativen wie jene von Toni Peter SMB oder die Reise einer schweizerisch-afrikanischen Delegation in die "Frontline States". Der Einsatz gegen die Apartheid war spannungsgeladen und gilt als eigentliches Lehrstück im Verhältnis der Kirchen in der Schweiz zu Wirtschaft und Politik.

 

1 Josef Elsener / Bruno Soliva: Freud und Leid des Volkes teilen. Bd. 6 der Reihe Mission im Dialog, hrsg. v. der Missionsgesellschaft Bethlehem (SMB), Luzern 2017.

2 Gerechtigkeit in der Welt Nr. 6.

3 Später Zimbabwe-Kommission (ZIKO) genannt (18).

4 Paul Egli wurde inhaftiert, Georg Jörger dem Tod überliefert, der spanische Priester José Rubio erschossen, Martin Holenstein und Kilian Hüsser ermordet.

5 Im Buch 87–149 mit Verweis auf Bruno Soliva: Katholische Kirche in der Schweiz und Südafrika/ Apartheid 1970–1990. Vgl. die Einordnung von Christoph Reichmuth: Die Kirche zögerte auch wegen der CVP (NLZ 16. 9. 2011, 5) und die Feststellung Albert Nolans, eines engagierten Kämpfers gegen die Apartheid: "Mehr als jedes andere Land in dieser Welt stützte die Schweiz das Apartheid- Regime" (Kipa 20. 9. 2011).


Stephan Schmid-Keiser

Dr. theol. Stephan Schmid-Keiser promovierte in Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie. Nach seiner Pensionierung war er bis Ende 2017 teilzeitlich Redaktor der Schweizerischen Kirchenzeitung. (Bild: zvg)