«Ein feierlicher Rahmen mit einem Hauch von Orient»

Interview mit Paul Rutz und Sybille Oetliker

Seit 50 Jahren sammeln Schweizer Pfarreien an Weihnachten für die Kinderhilfe Bethlehem. Diese betreibt das Caritas-Baby-Hospital im Westjordanland.

Die Weihnachtskollekte der Kinderhilfe Bethlehem gibt es jetzt seit einem halben Jahrhundert. Woher rührt diese in unserer schnelllebigen Zeit erstaunliche Lebensdauer?

Zum einen ist es wohl der Umstand, dass Bethlehem als Ort an Weihnachten immer sehr präsent ist. Bilder von Bethlehem, dem Kind in der Krippe und seinen Eltern sind uns allen sehr vertraut. Zum andern ist es den Schweizer Bischöfen zu verdanken. Sie haben die Kollekte fortwäh-rend unterstützt, wofür wir ihnen sehr verbunden sind.

Welches waren seinerzeit die Beweggründe, die Weihnachtskollekte ins Leben zu rufen?

Ursprünglich war deren Initiant, Pater Ernst Schnydrig, auf sich allein gestellt, weil sowohl die Deutsche wie die Schweizer Caritas erst etwas skeptisch waren. Allmählich aber liessen sich die Schweizer Bischöfe, einer nach dem andern, durch das Engagement des Paters von der guten Sache überzeugen.

Wie begeht nun dieses Jahr die Kinderhilfe Bethlehem das 50-Jahr-Jubiläum der Weihnachtskollekte?

Aus diversen Gründen ist es in verdankenswerter Weise die Pfarrei Sursee, die am 1. Adventssonntag (30. November 2014) das Jubiläum ausrichtet – und zwar unter der Leitung von Bischof Felix Gmür. Er ist – zusammen mit Erzbischof Stephan aus Freiburg im Breisgau – der Schutzpatron des Caritas- Baby-Hospitals. Der Gottesdienst wird in einem feierlichen Rahmen und mit einem Hauch von Orient stattfinden. Unter anderen spielt während der Messe ein Musiker aus Bethlehem Bambusflöte, und beim anschliessenden Apéro werden einfache orientalische Speisen sowie palästinensischer Wein gereicht.

Wofür werden denn die Spendengelder, die an Weihnachten gesammelt werden, konkret eingesetzt?

Die Kinderhilfe Bethlehem, ein Verein nach Schweizer Recht, wird diese gemäss ihren Statuten dem Caritas-Baby-Hospital zukommen lassen. Die laufenden Kosten des Spitals, das ohne Rücksicht auf Herkunft allen offensteht, sind relativ hoch. Dies auch, weil längst nicht alle Angehörigen der Patienten – ohne Krankenkasse – auch nur einen symbolischen Teil der Behandlungskosten bezahlen können. Im Übrigen ist 2013 im Kinderspital, drei Jahre nach dem Ambulatorium, auch eine Intensivstation eröffnet worden. Sie entspricht einem grossen Bedürfnis und wird gut benutzt.

Hat es angesichts des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern je Probleme gegeben, die Schweizer Spendengelder gezielt einzusetzen?

Nein, im Gegenteil. Während der jüngsten Auseinandersetzungen konnten sogar fünf Kinder aus Gaza ins Spital nach Bethlehem kommen. Auch während früherer Konflikte blieb das Spital stets offen, waren alle seine Mitarbeiter beschäftigt, obwohl die Zahl der Patienten vorübergehend abnahm. Hat es für uns früher gelegentlich bei Checkpoints noch längere Wartezeiten gegeben, so funktioniert die Kooperation mit den Zuständigen in Israel, der Mauer zum Trotz, heute zufriedenstellend.

Wie schwer fällt es Ihnen, allenfalls für das Caritas-Baby-Hospital geeignetes Personal zu finden?

Damit haben wir keine Probleme. Das Kinderspital, das bewusst auch Leute aus- und weiterbildet, ist ein geschätzter Arbeitgeber für 200 Mitarbeiter – übrigens nach der Universität der zweitgrösste in Bethlehem. Leiter des Spitals ist ein Palästinenser, Chefärztin eine Palästinenserin. Das bedeutet, dass Palästina, obwohl nach aussen abgeschottet, für medizinisches Personal ein gutes Umfeld bietet. Ausserdem kommen von Zeit zu Zeit ausländische Ärzte, vor allem aus der Schweiz oder aus Deutschland, nach Bethlehem, um das Spitalpersonal kurzzeitig, also für eine oder zwei Wochen, in Spezialitäten weiterzubilden, zum Beispiel in Neurologie oder im Ultraschall. Auch arbeiten gelegentlich pensionierte Mediziner aus dem Ausland länger freiwillig im Baby-Hospital.

Ganz allgemein ist es für uns wichtig, das Kinderspital gut in seine Umgebung zu integrieren und uns mit anderen Spitälern, auch in Israel, auszutauschen. Die medizinische Zusammenarbeit funktioniert gut. Das Caritas-Baby-Hospital gilt zum Beispiel als vorbildlich in Sachen Hygiene: Wer es betritt, wähnt sich in der Schweiz.

Wird es die Weihnachtskollekte der Kinderhilfe Bethlehem auch in Zukunft geben?

Bethlehem bleibt an Weihnachten aktuell, und die Schweizer Bischöfe sind interessiert an einer kirchlichen Präsenz in der Region. Zwar ist angesichts des abnehmenden Kirchenbesuchs auch der Umfang der Spendengelder zurückgegangen, aber die Kollekte an sich ist nicht in Frage gestellt. Bestehen bleibt für unseren Verein auch die Herausforderung, ein Spital zu unterhalten, das fast ausschliesslich von Spendengeldern lebt. Dabei ist die Weihnachtskollekte ein wichtiger Bestandteil, aber künftig kaum mehr das einzige Standbein. So überlegen wir uns, wie wir zusätzliche Einnahmequellen, etwa auf institutioneller Seite, erschliessen können.

 

 

Mit Paul Rutz und Sybille Oetliker sprach Ignaz Staub.

Pfarrer Paul Rutz ist Präsident, Sybille Oetliker Geschäftsführerin des Vereins Kinderhilfe Bethlehem.