Ein Erfahrungsbericht

Das Evaluationsprojekt begleitete die Umsetzung des Seelsorgeplans «Kirche Stadt Luzern mit Zukunft», der in partnerschaftlicher Zusammenarbeit von kirchenrechtlicher und staatskirchenrechtlicher Seite entwickelt worden war und den gesamten Lebensraum Stadt Luzern in den Blick genommen hat. Die Umsetzung erfolgte in den Strukturen des neugeschaffenen Pastoralraums, der deckungsgleich ist mit der Kirchgemeinde und dem Dekanat. Dies ermöglichte die Entwicklung eines Seelsorgeplans schon vor der Errichtung des Pastoralraums 2009. Das Gebiet umfasst acht Pfarreien mit rund 35 000 Katholiken.

Evaluation als Teil eines gesamtstädtischen Veränderungsprozesses

Für die Beteiligten war der Umgang mit den Evaluationsinstrumenten eine Unbekannte mehr in einem umfassenden Veränderungsprozess. Neu war dabei vor allem, dass statt der gewohnten, Pfarrei-internen Jahresplanung ein gesamtstädtischer, auf den gesamten Pastoralraum bezogener Ansatz verfolgt wurde. Dementsprechend verfassten die Pfarreien und die gesamtstädtischen Bereiche (Fachstellen) erstmals einen Aufgabenplan zuhanden des Pastoralraumteams, des Kirchenrates und des Grossen Kirchenrates (Kirchgemeindeparlament), welcher die inhaltlichen Schwerpunkte als Grundlage für das gewohnte Finanzgerüst im Voranschlag darstellte. Die Entwicklung des Aufgabenplans und die Definition der Leistungs- und Wirkungsziele für die Evaluation gingen Hand in Hand. In einer einzigen Excel-Tabelle wurden dabei Mehrjahresziele verbunden, Wirkungsziele formuliert, Jahresziele mit Leistungszielen konkretisiert, Wirkungs- und Leistungsziele mit Indikatoren versehen und die Form der Messung und Erhebung der Indikatoren definiert. Die Erhebung der Evaluationsdaten erfolgte ebenfalls in derselben Tabelle. Entsprechend vermischten sich von Beginn an Herausforderungen des vielschichtigen Veränderungsprozesses mit Anforderungen des Evaluationsprojekts.

Wechsel zu einem wirkungsorientierten Führungsmodell

Die Systematisierung und Professionalisierung der Planung wurde für die meisten Mitarbeitenden zunächst in den Selbstevaluationsinstrumenten spürbar. Diesbezüglich fiel oft das Wort «administrativer Aufwand », weil nun Zahlen zu erheben und Wirkungen zu beurteilen waren. Objektiv betrachtet ging es aber darum, die kirchlichen Leistungen so zu formulieren, dass die Entscheidungsträger Kriterien für den zukünftigen Einsatz der personellen und finanziellen Mittel (Planung) an die Hand bekamen und zugleich verlässliche Aussagen über die Reichweite und Wirkung der kirchlichen Aktivitäten (Evaluation) gemacht werden konnten, welche dann wieder in spätere Entscheidungsprozesse einfliessen sollten. Im Gegenzug zur engeren Zieldefinition und Wirkungsmessung erhielten die Pfarreien mittels Teilglobalbudgets einen grösseren unternehmerischen Handlungsspielraum.

Lässt sich pastorale Arbeit messen?

Nebst der Planung mit Leistungs- und Wirkungszielen war auch die Messung der Zielerreichung mittels Indikatoren etwas Neues. Es gab verschiedentlich Diskussionen darüber, ob sich pastorale Arbeit und deren Wirkung überhaupt messen lasse. Es zeigte sich, dass quantitative Indikatoren einfacher zu handhaben waren als qualitative, was den Vorwurf einbrachte, Zählsorge statt Seelsorge zu betreiben. Gleichzeitig konnten dieselben Personen zum Beispiel mit Hinweis auf eine hohe Zahl von Gottesdienstbesuchenden sich ihrer qualitativ hochstehenden Liturgie rühmen. Die Selbstevaluationsworkshops trugen wesentlich dazu bei, den Umgang mit Indikatoren, Messergebnissen und deren Interpretation zu verbessern. Überhaupt erwies sich die Form der Selbstevaluation als sehr hilfreich, da sie auch der schweizerischen kirchlichen Kultur von Selbstverantwortung und Vertrauen entsprach.

Voneinander lernen

In allen Phasen des Evaluationsprojekts herrschte ein offenes und ehrliches Arbeitsklima. Zahlen wurden nicht beschönigt und Fakten nicht unter den Tisch gekehrt. Insbesondere die Quervergleiche zwischen den Pfarreien (Grundangebot) halfen, die eigene Arbeit besser einschätzen zu können und von anderen zu lernen. Entsprechend wurden auch selbstständig Massnahmen ergriffen und umgesetzt. Grenzen zeigten sich dort, wo Unterschiede in der Zielerreichung ganz offensichtlich abhängig waren von den involvierten Mitarbeitenden. Die Hemmschwelle, Konsequenzen beim Personaleinsatz zu ziehen, erwies sich als sehr hoch.

Grenzen des Lernens in Selbstevaluations-Workshops

Schwieriger gestaltete sich der Austausch- und Lernprozess beim Profilangebot der Pfarreien und beim Angebot der Bereiche, weil sich hier kaum Vergleichsmöglichkeiten oder längere Zeitreihen ergaben. Für die Bereiche, die als Neuschöpfungen unter einem höheren Legitimationsdruck standen als die Pfarreien, wurde dies teilweise zu einem Problem, weil sie auf sich allein gestellt blieben. Dieses Manko konnte teilweise dadurch aufgefangen werden, dass einzelne Bereiche periodisch mit dem Pastoralraumteam ihre Erkenntnisse aus der Evaluation und die sich daraus ergebenden Zukunftsperspektiven diskutieren können und dass anderseits Bereiche, deren Tätigkeitsfelder sich stark überschneiden, näher zusammenrücken. Die Profilangebote der Pfarreien haben durch die bewusste Fokussierung von Planung und Evaluation auf diese innovativen Tätigkeitsfelder ein zu starkes Gewicht erhalten, das ihrer tatsächlichen Bedeutung nicht entspricht. Zudem zeigte sich, dass ein grosser Teil dieser Profilangebote sich unter die Begriffe Familienpastoral und Quartierarbeit subsumieren lassen und damit leichter vergleichbar gemacht werden könnten.

Die Aussensicht als Gegenstück zur Selbstevaluation

Neben der Selbstevaluation waren die anderen eingesetzten Methoden zeitlich begrenzt und im Arbeitsalltag weniger spürbar. Trotzdem waren sie eine hilfreiche und notwendige Ergänzung. Die Dokumentenanalyse bescheinigte im Wesentlichen, dass der eingeschlagene Weg konsistent ist, die Planung eine gute Basis bildet. Die persönlichen Interviews 2010 zeigten, dass es wegen der komplexen kirchlichen Doppelstruktur nicht gelungen war, alle bestehenden Gremien genügend in den Veränderungsprozess einzubinden. Sie waren aber gleichzeitig auch ein gutes Instrument, um Beteiligten während des Umsetzungsprozesses eine Plattform für Anliegen und Bedenken zu geben. Breitenbefragung und Fokusgruppengespräche waren mit ihrer Aussensicht unverzichtbare Gegenstücke zur Selbstevaluation und zu den Interviews. Ihre Resultate (verbunden mit der parallel durchgeführten Imagestudie) hielten das Bewusstsein wach, dass das Umfeld sich massiv verändert hat und weiter verändern wird, kirchliche Arbeit sich deshalb diesen Veränderungen stellen und dazu ihren Blick weiten muss.

Die Selbstevaluation wird weitergeführt

Das gesamte Evaluationsprojekt hat das Bewusstsein für zielgerichtetes Handeln und bewussten Einsatz verfügbarer Ressourcen gestärkt. In diesem Sinne wird die Selbstevaluation auch nach Abschluss des Projekts intern weitergeführt und die eigene Arbeit laufend gemeinsam überprüft. Auf Grund der gemachten Erfahrungen wurden die Anzahl der Ziele aber reduziert und Indikatoren gestrichen, deren Aussagekraft sich als ungenügend erwiesen hat. Der durchlaufene Entwicklungs- und Lernprozess erweist sich als sehr hilfreich für die inzwischen in Angriff genommene «Pastorale Planung 2014–2020». Der Blick für das Ganze, klare Zielsetzungen und Prioritäten sowie ein sorgfältiger Umgang mit den verfügbaren Ressourcen werden die Pastoral im Lebensraum Luzern auch künftig leiten und helfen, die Zukunft aktiv zu gestalten.

 

Georg Vogel (Bild: kathluzern.ch)

Georg Vogel

Georg Vogel ist verantwortlich für die Leitung der Koordinationsstelle des Pastoralraums und für die Führung der gesamstädtischen Seelsorgestellen in der Katholischen Kirche Stadt Luzern.