Die Mitglieder der Redaktion sowie der Redaktionskommission der SKZ wurden im vergangenen Jahr gebeten, einen Beitrag zu einem persönlichen Kraftort1 zu verfassen. Entstanden sind Beiträge ganz unterschiedlicher Art.
Ich gestehe, dass ich der Aufgabe zunächst skeptisch gegenübergestand. Das liegt, oder besser gesagt, lag an meiner Vorstellung davon, was ein Kraftort sein soll. Mit «Kraftort» verband ich in erster Linie einen geografischen Ort, der eine positive Wirkung hat. Nicht nur auf eine Einzelperson, sondern auf viele, potenziell vielleicht auf alle Menschen. Für mich klang das nach Esoterik und entsprach damit so gar nicht meiner Spiritualität.
Der Grund, weshalb hier nun doch ein Beitrag von mir erscheint, ist folgender Begebenheit zu verdanken: Ein Freund von mir und ich teilen das Hobby der Fotografie. Während ich vor allem Architektur fotografiere, ist das Sujet des Freundes die Natur. Auf seiner Liste stand bereits länger ein «kitschiges Bild vom Matterhorn, das sich im Stellisee spiegelt». Nachdem ich ihm zugesagt hatte, ihn bei der Tour zu begleiten, kam uns der Gedanke, dass es vielleicht noch kitschiger geht: Das Matterhorn mit Milchstrasse im Hintergrund! Mit den richtigen Apps zur Berechnung des Standorts der Milchstrasse ist ein solches Vorhaben relativ einfach zu realisieren. Gesagt, getan. So gingen wir im Sommer auf Fototour.
Nachtfotografie bringt es mit sich, dass man Zeit braucht. Besonders, wenn man auf ein bestimmtes Ereignis wartet, das in unserem Fall zwischen 2 und 3 Uhr nachts eintreffen sollte. Da der Aufbau der Technik bei Tageslicht erfolgen musste und wir auch den Sonnenunter- und aufgang fotografieren wollten, war an Schlaf nicht zu denken. Wir hatten viele Stunden, in denen wir uns über Gott und die Welt unterhalten und dazwischen unserem Hobby nachkommen konnten. Und wir hatten diesen Ort. Ein Ort, der abseits von Ortschaften und künstlichem Licht, einen Blick in den bestirnten Himmel mit seinen unzählbaren Lichtern erlaubte.
Rückblickend würde ich diesen Ort als Kraftort bezeichnen. Als einen Ort, an dem ich Kraft tanken konnte und immer noch davon zehre. Ich denke aber auch, dass nicht der Ort an sich das macht, sondern der Moment für mich: Zeit, in der ich abseits vom Trubel innehalten und zu mir kommen konnte. In der ich mich zugleich klein und erhaben fühlte. Zeit, in der die Welt still zu stehen schien. Dass nebenbei auch ein Foto von der Milchstrasse hinter dem sich im Stellisee spiegelnden Matterhorn entstand, ist fast zu einer Nebensache geworden.
David Wakefield
Weitere Architekturfotos von David Wakefield: www.instagram.com/wakefielddavid
In eigener Sache
Zwei Jahre lang war David Wakefield Mitglied der Redaktionskommission der SKZ. Nun reicht er den Staffelstab weiter. Das SKZ-Team wünscht ihm weiterhin freudvolles und ertragreiches Wirken und dankt herzlich für die gemeinsame Zeit.