Die Heilige Pforte - ein Geschenk aus der Schweiz

Hl. Pforte Felder unten

Wer mit dem Rücken zum Petersplatz in der Vorhalle des Petersdoms steht, sieht vor sich fünf Eingangstore, die freilich nicht alle geöffnet sind. Ganz links die 1964 eingeweihte "Tür des Todes" von Giacomo ManzÙ – ganz rechts hingegen die "Heilige Pforte", die Pius XII. zu Beginn des "Anno Santo" 1950 aufmachte und deren Öffnung am 8. Dezember 2015 auch jetzt wieder den Beginn des Heiligen Jahres markiert. "Es wird eine Pforte der Barmherzigkeit sein, und wer hindurchschreitet, kann die tröstende Liebe Gottes erfahren, welcher vergibt und Hoffnung schenkt …", so schreibt Franziskus in der [datei14110]. Millionen Pilger werden in den nächsten zwölf Monaten durch diese Pforte gehen. Doch kaum einer von ihnen ahnt, dass sie eine Gabe aus der Schweiz ist.

Die Heiligen Jahre und die Heiligen Pforten

Im ersten Heiligen Jahr im Jahre 1300 hatten weder der Petersdom noch z. B. die Lateranbasilika besondere, als "heilig" bezeichnete Pforten. Dieser Brauch begann erst unter Papst Alexander VI. (1493–1503), jenem Pontifex aus dem Adelsgeschlecht der Borgia, der trotz seines berüchtigten Lebenstils sein kirchliches Amt sehr ernst nahm. Deshalb wollte er das Jubeljahr 1500 zu einem grossen religiösen Ereignis machen.

Sein Zeremonienmeister, der aus Strassburg stammende Johannes Burckard, traf alle Vorkehrungen, um das Jubeljahr mit einem eindrucksvollen Ritus zu beginnen: mit der feierlichen Öffnung von Pforten in den vier römischen Erzbasiliken. Am 24. Dezember 1499 begab sich der Borgia- Papst denn auch zur Vorhalle der Peterskirche, wo er mit einem silbernen Hammer mehrfach gegen eine bestimmte, vor dem Jubiläumstor angebrachte Wand schlug. Dann brachen Arbeiter die Wand und das Tor auf. Im Jahr 1749 wurde (für das bevorstehende "Anno Santo") zum letzten Mal eine hölzerne Heilige Pforte bei St. Peter eingeweiht. Doch die hölzerne Heilige Pforte verfiel im Lauf der Zeit, weshalb man 1948 beschloss, sie durch ein Bronzetor zu ersetzen. Mons. Ludwig Kaas, der ehemalige Chef der Zentrumspartei in der Weimarer Republik und enger Vertrauter des Deutschlandkenners Pius XII. und seit 1936 de facto Leiter der Dombauhütte von Sankt Peter, entschied Anfang 1949: Den Auftrag zur Gestaltung der 2,14 Meter breiten und 3,65 Meter hohen Pforte erhält der toskanische Bildhauer Lodovico (genannt Vico) Consorti, der sich vor allem durch ein Bronzetor am Dom von Siena einen Namen gemacht hat.

Die Heilige Pforte von 1950

Consorti ging energisch ans Werk und schuf in elf Monaten ein Tor aus zwei Flügeln – mit 16 kunstvollen Paneelen. In 15 Feldern werden Szenen aus der Bibel dargestellt, die an die Grundthemen der Jubeljahre – Schuld, Vergebung, Erlösung – anknüpfen. Das 16. Paneel zeigt Pius XII. bei der Öffnung der Pforte, neben ihm ein Soldat der Schweizergarde (siehe Bild). Und dazu eine lateinische Inschrift auf der Hinterseite, die besagt: Franziskus von Streng, Bischof von Basel und Lugano, hat mit seinen Gläubigen Papst Pius XII., diesem "Vermittler des Völkerfriedens, dankbar die Heilige Pforte des grossen Jubiläums 1950 gestiftet".

In einem von der SKZ abgedruckten Brief von Ende Dezember 1949 an "seine geliebten Diözesanen" erläuterte der Oberhirte, der seine Schreiben genau wie der jetzige Papst mit "Franziskus" unterzeichnete, interessante Details dazu.1 Durch seine persönlichen Beziehungen zu Prälat Kaas habe er erfahren, dass dieser einen Stifter für die Pforte suche. "Glücklicherweise waren wir noch im Besitz der Gelder jenes Opfers, das wir unter euch zum goldenen Priesterjubiläum des Heiligen Vaters mit der Bestimmung eingezogen hatten, ihm eine Freude zu bereiten. So wurden wir durch ein glückliches Geschick die Stifter der Heiligen Pforte."

Hilfreich dabei war, dass damals, in den 1940er-Jahren, ein sehr gutes Verhältnis zwischen der Schweiz und dem Vatikan herrschte. Ein Ausdruck davon war die 1947 erfolgte Heiligsprechung von Bruder Klaus, die nur dadurch möglich wurde, dass Pius XII. vom vorgeschriebenen dritten Wunder dispensierte. Die Schweizer Katholiken waren Pius XII. für diese Heiligsprechung sehr dankbar. Und viele von ihnen übertrugen ihre Auffassung, die Fürsprache von Bruder Klaus habe die Schweiz vom Zweiten Weltkrieg verschont, auf den um den Völkerfrieden so bemühten Pacelli-Papst. Einen Pontifex, der 1899 zum Priester geweiht worden war und zu dessen goldenem Priesterjubiläum 1949 die Katholiken gern Geld spendeten.

Dass der dabei federführende Franziskus von Streng zugleich Oberhirte der deutschsprachigen Diözese Basel und der italienischsprachigen Diözese Lugano war, verlangt eine Erklärung. 1888 nämlich hatte sich die Diözese Basel um das Gebiet Tessin erweitert, das zuvor vom Erzbistum Mailand und dem Bistum Como abgetrennt worden war. 1888 wurde der Bischof von Basel somit auch Bischof von Lugano. Das Geldgeschenk für den Papst, insgesamt 20 000 Franken, sammelte man nicht nur im Bistum Basel, sondern auch in der de facto eigenständigen Diözese Lugano, auch wenn diese erst 1971 formell errichtet wurde.

Mit einer betont feierlichen Zeremonie öffnete und segnete Papst Pius XII. am 24. Dezember 1949 das Bronzetor. "Das Anno Santo 1950", konstatierte damals der vatikanische "Osservatore Romano", "bietet den Pilgern somit eine unerwartete, willkommene Novität: die Türflügel einer neuen, schönen Heiligen Pforte.

Eine Gabe der Schweizer Gläubigen an den Papst des Friedens. Verbunden mit dem Dank an Gott, dass er die Schweiz von den Gräueln des letzten Krieges bewahrt hat". 

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[bild55684w300l]Nebenstehend ist ganz rechts der Basler Bischof Franziskus von Streng (1884–1970) sichtbar, wie er am 1. November 1950 als päpstlicher Thronassistent bei der Dogmatisierung der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel ganz in der Nähe von Papst Pius XII. sein durfte. Als knapp ein Jahr zuvor, am Vigiltag des Weihnachtsfestes 1949, "seine" Heilige Pforte geöffnet wurde, war Bischof Franziskus nicht in Rom, sondern erhielt vom damaligen Kaplan der Schweizergarde, dem im Vatikan einflussreichen Paul Maria Krieg, den Dank von Papst Pius XII. telegrafisch übermittelt: "Heiliger Vater hat heute früh anlässlich grosser Feierlichkeiten Sankt Peters herrliche Porta Santa als Geschenk des Bischofs und der Diözese Basel mit grosser Genugtuung entgegengenommen. Dankt von Herzen und spendet väterlich Bischof und Diözese Apostolischen Segen. Prälat Krieg."2 (ufw)

1 Der Bischof von Basel wünscht allen seinen Diözesanen Glück und Segen zum Heiligen Jahr, in: SKZ 117 (1949), Nr. 52, 621. Prof. Dr. Rudolf Schmid veröffentlichte als Generalvikar des Bistums Basel zum Heiligen Jahr 2000 eine Broschüre zur Heiligen Pforte der St.-Peters-Basilika. Diese Broschüre ist am Schluss des Textes als pdf eingefügt.

Bernhard Müller-Hülsebusch

Bernhard Müller-Hülsebusch

Dr. Bernhard Müller-Hülsebusch, seit vielen Jahren Korrespondent von deutschen und schweizerischen Medien in Rom und Buchautor, beschäftigt sich vor allem mit Themen rund um den Vatikan