Die Gabe über alle Gaben

In Taufe und Firmung empfangen Christen die Gabe des Heiligen Geistes. Aber was ist eine Gabe? Ist die Geist-Gabe eine Spende, eine Beziehung stiftende Geste Gottes? Ein phänomenologischer Zugang.

«Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist». Nicht nur in dieser Formel, mit der die Firmung gespendet wird, werden Heiliger Geist und Gabe Gottes gerne zusammengedacht. Es hat eine lange Tradition, den Geist als Gabe zu bezeichnen. Aber was soll das genau heissen? Wird den Firmlingen in der Firmung etwas gegeben, das sie vorher nicht hatten? Haben sie den Geist nicht schon in der Taufe empfangen? Und eine zweite Frage mag sich im Blick auf die Rede vom Geist als Gabe einstellen. Denn diese Firmgabe scheint ein etwas zweischneidiges Ding zu sein – wird sie doch gerne zusammengestellt mit Erwartungen der Gemeinde an die Gefirmten gemäss der beliebten Formel von «Gabe und Aufgabe». Aber ist das nicht ein ziemlich fragwürdiges Geschenk, wenn gleich eine Pflicht dranhängt?

Kein Almosen Gottes

Mit beiden Fragen lässt sich vielleicht etwas weiterkommen, wenn wir zunächst näher darüber nachdenken, was eine Gabe ist. Nun gibt es nicht einfach die Gabe. Es gibt vielmehr sehr verschiedene Gaben. So gibt es Gaben, die wesentlich dazu da sind, die Not eines anderen zu lindern. In diesem Sinn spenden wir Menschen zum Beispiel für Bedürftige. Aber die Gabe des Heiligen Geistes ist kein Almosen Gottes an uns. Sie ist besser vergleichbar mit Gaben, die Freundschaft, Verbundenheit und Wertschätzung ausdrücken sollen. Dann verschenken wir in der Regel nicht Brot, Wasser oder Wolldecken, sondern wir verschenken Blumen, Pralinen oder Schmuck. Eine solche Gabe will keine Not lindern, sondern dem Anderen sagen, dass er uns wertvoll ist. Es geht nicht um das Ding, das gegeben wird, sondern das Ding steht symbolisch für den Geber und das, was er mit der Gabe ausdrücken will. Eine geschenkte Tafel Schokolade ist deshalb etwas anderes als eine gekaufte Tafel Schokolade.

Noch deutlicher wird das vielleicht, wenn eine solche Gabe, die Beziehung stiften, ausdrücken oder vertiefen will, gar kein Ding ist, sondern z. B. eine Geste: In einer Umarmung empfange ich nicht etwas, das ich vorher nicht hatte und jetzt besitze. Und wenn mir jemand sagt, dass er mich liebt, dann ist das in vielen Fällen keine neue Information für mich – und so ist es auch nicht gemeint.

So erhalten auch die Firmlinge nicht etwas von Gott, das sie vorher nicht oder nicht im gleichen Mass besessen hätten, ein Upgrade zur Taufe oder ähnliches. Auch der Geist Gottes ist etwas, das sie empfangen, aber nicht besitzen können. Die Sakramente sind alle keine «Gnadenpäckchen», die Christen sammeln könnten wie Treuepunkte. Sondern es sind verschiedene Gestalten der Zuwendung Gottes, um den Menschen in den unterschiedlichen Situationen ihres Lebens seine Nähe zuzusprechen.

Auf Empfang angewiesen

Aber wenn in dieser Gabe die Beziehung so sehr betont wird, dann stellt sich die zweite Frage erst recht: Ist das Geschenk dieser Firm-Gabe des Geistes nicht ein wenig zwiespältig? Man sei jetzt ein «volljähriger» Christ, heisst es, von dem nun ein entsprechendes Bekenntnis und Engagement erwartet wird, schliesslich spricht schon Paulus davon, dass die Gaben des Geistes gegeben werden, damit sie anderen nützen (vgl. 1 Kor 12,7). Macht es aber ein Geschenk nicht kaputt, wenn gleich eine Erwartung damit verbunden wird? Ist eine Gabe nicht nur dann wirklich eine Gabe, wenn sie ganz uneigennützig ist, wenn der Geber seinerseits nichts erwartet? Manche Geschenke oder Einladungen sind schliesslich geradezu lästig, weil ich mich verpflichtet fühle, entsprechend zu reagieren, das aber eigentlich gar nicht möchte.

Aber wieder lohnt es sich, schon zwischenmenschlich etwas genauer hinzuschauen. Wieder haben solche ganz uneigennützigen Gaben durchaus ihren Platz. Manche Menschen spenden anonym, weil sie nicht möchten, dass der Empfänger sich zur Dankbarkeit verpflichtet fühlt. Die Gabe soll einzig und allein ihm dienen. Aber es gibt auch Formen des Gebens, wo eine solche extreme Uneigennützigkeit unpassend wäre. Einer Freundin schenke ich sicher zunächst etwas, damit sie sich freut. Aber ich freue mich, wenn sie sich freut, und deswegen ist es schön, wenn sie mir auch sagt, dass sie sich freut. Und auf die Dauer wird es einer Beziehung nicht gut tun, wenn immer der eine gibt und der andere empfängt. Die Gaben können dabei völlig ungleich sein: Wenn die Eltern der Tochter ein Fahrrad schenken und die Tochter den Eltern ein Bild malt, dann sind die Geschenke unter wirtschaftlichem Gesichtspunkt extrem unterschiedlich. Aber darum geht es nicht, denn wieder handelt es sich um Gaben, die Zuneigung und Beziehung ausdrücken. Und wenn das auf Dauer gut gehen soll, dann muss ein solches Geben eigentlich gegenseitig sein. Ich kann nicht regelmässig einfach nur zur Kenntnis nehmen, dass jemand mir seine Liebe beteuert, aber nicht weiter darauf reagieren.

Man könnte sagen, dass eine Gabe, in der ich etwas von mir selbst gebe, letztlich erst dann richtig angekommen ist, wenn der andere darauf reagiert: mit Dankbarkeit, mit seiner Zuwendung zu mir, mit einer Gegengabe … Eine solche Gabe ist also noch nicht fertig, wenn ich sie gegeben habe, weil sie von ihrem Anliegen her einen Kreislauf von Geben und Empfangen, von Zuwendung, Beziehung, Gemeinschaftstiften, fortsetzen oder vertiefen will.

Wenn die sichtbare Wirkung ausbleibt?

Was aus dem Empfang des Geistes als Gottes- Gabe in der Firmung folgt, wäre also weniger eine gewissermassen mit erhobenem Zeigefinger versehene Verpflichtung: «Wir erwarten, dass du dich entsprechend verhältst.» Es wäre eher die Suche danach, wie ich diese Gabe wirklich annehmen kann, indem ich auf sie reagiere. Das kann sich in der Zuwendung zum bedürftigen Nächsten äussern, indem mir in besonderer Weise Christus begegnet, in der individuellen Suche nach einer tragfähigen Gottesbeziehung oder in anderen Versuchen, auf die jeweils ganz eigene Weise auf die Gabe des Geistes einzugehen.

Die Vorstellung, dass die Gabe des Geistes gewissermassen ein herausgehobener Schritt in einem lebenslangen Prozess ist, in dem Gott uns Glaubenden immer wieder seine Nähe zusagt und um unsere Zuwendung zu ihm wirbt, gibt mir schliesslich auch eine kleine Verstehenshilfe für die Fälle, wo man von aussen den Eindruck haben kann, dass die Firmung «nichts bewirke». Dass Sakramente keine magische Wirksamkeit haben, dass jeder Firmling automatisch aus dem Firmgottesdienst anders herausginge, als er hineingegangen ist, lehrt die schlichte Erfahrung. Andererseits betont die katholische Sakramentenlehre, dass Gottes Gegenwart im Sakrament nicht daran hängt, dass der Spender des Sakraments ein besonders heiligmässiges Leben führte und der Empfänger besonders fromm wäre – Gott sei Dank! Wie lässt sich das aber zusammen denken: Gottes Zusage, im Sakrament zu wirken, und die vielen Fälle, wo es keinerlei Wirkung zu haben scheint?

Wenn ich Sakramente als Gestalten von Gottes Selbst-Gabe an uns Menschen verstehe, dann folgt daraus einerseits: Diese Gabe funktioniert nicht einfach unabhängig davon, ob und wie sie empfangen wird und ob wir uns auf die Bewegung des wechselseitigen Gebens und Empfangens einlassen. Andererseits macht Gott die Gabe seiner selbst nicht davon abhängig, dass ihr Empfänger würdig ist. Und er nimmt seine Gabe niemals zurück. Ein Sakrament kann nicht ungeschehen gemacht werden: Wer gefirmt ist, der ist es sein Leben lang. So können wir zuversichtlich sein, dass Gott auf seinen eigenen, geheimen Wegen geduldig immer wieder um uns werben wird – ein Leben lang.

Veronika Hoffmann

 

Buchempfehlung: «Christus – die Gabe. Zugänge zur Eucharistie». Von Veronika Hoffmann. Freiburg i.Br. 2016. ISBN 978-3-451-31136-9, CHF 29.90. www.herder.de
Inhalt: Gott ist die Gabe schlechthin. Wie ist diese zu verstehen? Ist Gott immer der, der gibt, und der Mensch, der empfängt? Solche und andere Fragen reflektiert die Autorin in diesem Buch und bietet in «Skizzen einer Theologie der Gabe» eine weiterführende und vertiefende systematische Grundlegung.

 


Interviewpartnerin: Veronika Hoffmann

Prof. Dr. Veronika Hoffmann (Jg. 1974) studierte Theologie in Frankfurt, Innsbruck, Münster und Erfurt. Sie liess sich zur Pastoralreferentin im Bistum Mainz ausbilden, war von 2013 bis 2018 Professorin für systematische Theologie am Seminar für katholische Theologie an der Universität Siegen und ist seit 2018 Ordinaria für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg i. Ue.