Schon früh beteiligte sich die 1832 gegründete «Schweizerische Kirchenzeitung» (SKZ) an den konfessionellen und gesellschaftlichen Debatten und unterstützte während der Regeneration eine Konfessionalisierung des Konfliktes zwischen Liberal-Radikalen und Konservativen. Als beispielsweise 1835 ein Streit wegen dem Eid von katholischen Geistlichen im Kanton Aargau ausbrach, versuchte die Zeitung dies in einen grösseren Kontext zu stellen: «Entweder hat also hier schon das Siebnerkonkordat gegen das Volk, oder der Protestantismus gegen die Katholiken sich zum Kampf erhoben.»1
Auffallend sind die Militanz der Aussagen und das Schüren des Gegensatzes zum Protestantismus. Man ist auch nicht gewillt, zum gemässigten oder liberalen Teil der Protestanten Brücken zu bauen und sieht die katholische Kirche als Ganzes bedroht: «[Wir können] doch nicht unberührt lassen, wie sich auch die mässigen Protestanten ausgesprochen, es sei jetzt an der Zeit, die katholische Kirche vom Papst loszutrennen, die katholischen Geistlichen als blosse Staatsbeamte zu behandeln, also die katholische Kirche aufzuheben und im Staate untergehen zu machen […].»2 In den Augen der Katholisch-Konservativen, für welche die SKZ immer stärker zum Sprachrohr wurde, ging es also, abgesehen von der Bewahrung der kantonalen Souveränität, um die eigentliche Existenz der katholischen Kirche. Dies ist, führt man sich die liberal-radikalen Massnahmen ab 1830 vor Augen, durchaus nachvollziehbar, zeigt aber, dass im Zuge der Regeneration beide Seiten den Konflikt verschärften und ausgleichende Stimmen zunehmend fehlten.
Bundesvertragswidrige Bündnisse als Kriegstreiber
Seit Beginn der Regeneration 1830/31 besassen 11 Kantone (von damals 22) eine liberal-repräsentative Verfassung. In den folgenden Verfassungskämpfen rückte immer mehr die Revision des Bundesvertrages von 1815 ins Zentrum. Der Konflikt zwischen Liberal-Radikalen und Konservativen führte zu zwei ersten Sonderbündnissen, die sich noch überkonfessionell konstituierten. Auf liberal-radikaler Seite kam es im März 1832 zur Gründung des «Siebnerkonkordates», das die Kantone Zürich, Bern, Luzern, Solothurn, St. Gallen, Aargau und Thurgau umfasste. Mit dem Konkordat garantierten sich die sieben Kantone gegenseitig ihre neuen liberalen Verfassungen. Als Reaktion darauf gründeten die konservativen Kantone Uri, Schwyz (ohne Ausserschwyz), Obwalden, Nidwalden, Neuenburg und Basel-Stadt im November 1832 den «Sarnerbund». Das eigentliche Hauptziel des Sarnerbundes war, dem liberalen Siebnerkonkordat entgegenzutreten und eine Revision des Bundesvertrags von 1815 zu verhindern. Beide Separatbündnisse verstiessen gegen den Bundesvertrag, allerdings löste die Tagsatzung im August 1833 nur den Sarnerbund auf. Dies löste vor allem auf katholischer Seite Empörung aus und akzentuierte die Konfessionalisierung (siehe den oben zitierten Artikel in der SKZ vom Dezember 1835).
Weiter verschärften sich mit den Badener Artikeln 1834 und dem Aargauer Klosterstreit (1841–43) die Gegensätze zwischen Liberal-Radikalen und Katholisch-Konservativen. Die konservativ-katholischen Kantone akzeptierten diese Verstösse gegen den Bundesvertrag nicht und planten im September 1843 ein engeres Zusammengehen. Für eine weitere Zuspitzung und Konfessionalisierung des Konfliktes sorgte die Jesuitenfrage. Die Luzerner Regierung berief den Orden nach dem konservativ-demokratischen Umschwung 1845 an die höheren Schulen des Kantons. Dies setzten Kreise um den Grossbauern Josef Leu (1800–1845) durch, der mit seinen Gebetsvereinen im ganzen Kanton eine schlagkräftige Organisation aufgebaut hatte. Die Liberal-Radikalen wiederum schlachteten die Jesuitenfrage propagandistisch aus und hoben sie auf die gesamteidgenössische Ebene. Die Feindseligkeiten gipfelten in den beiden Freischarenzügen (1844–1845), die mit der Ermordung Josef Leus den Katholisch-Konservativen weitere Gründe lieferten, ihrem Zusammenschluss festere organisatorische Strukturen zu geben.3
Mit der Gründung des dritten Sonderbundes im Dezember 1845 durch die sieben katholisch-konservativ regierten Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Freiburg und Wallis erreichte die Krise der Regeneration ihren Höhepunkt. Die Anhänger des Separatbündnisses sprachen von einer «Schutzvereinigung», mit der sie vor allem die katholische Religion und die Kantonalsouveränität gegen weitere radikal-liberale Übergriffe schützen wollten. Der Sonderbund hatte zwar einen defensiven Charakter, verstiess aber mit den ausserordentlichen Vollmachten des Kriegsrates gegen den Bundesvertrag. Der Kriegsrat erkor den Luzerner Regierungsrat Constantin Siegwart-Müller (1801–1869) zum Präsidenten und zum Sekretär wählte man den Luzerner Staatsschreiber Bernhard Meyer (1810–1874).
Zunehmende Polarisierung und Erosion der Mittepositionen
Somit nahm der Kanton Luzern im Sonderbund und besonders im Kriegsrat eine dominierende Stellung ein. Siegwart und Meyer kamen beide ursprünglich vom Liberalismus her und waren während der Regeneration als liberale Katholiken bemüht, die Wogen zu glätten. So waren beide gegen die Berufung der Jesuiten nach Luzern. Meyer begründete seine ablehnende Haltung 1842 folgendermassen: «Mit der Berufung der Jesuiten werft Ihr eine Flamme unter das Volk, die nie erlöschen und die Schaubühne politischer Treiberei und Wühlerei immerfort ernähren wird.»4 Insbesondere nach den beiden Freischarenzügen 1844/45, die sich primär gegen Luzern richteten, schwenkten die beiden in der Jesuitenfrage ein. Siegwart hielt in diesem Zusammenhang fest: «Wir bedürfen hier durchaus der Stärke, welche die Jesuiten überall dem Katholizismus und Konservatismus leihen.»5 Damit war die Position eines «liberalen Katholizismus» obsolet und die Jesuiten kehrten nach Luzern zurück.6
Die Tagsatzungsmehrheit beschloss dann im Juli 1847, den Jesuitenorden in der Schweiz zu verbieten. Damit war den Liberal-Radikalen noch vor den ersten Kriegshandlungen ein erster wichtiger Schlag gegen den Sonderbund gelungen. Alle liberal-radikalen Kantone, darunter auch die liberalen katholischen bzw. mehrheitlich liberal katholisch gesinnten Orte wie Solothurn, Tessin oder St. Gallen stimmten für den Vollzug des Tagsatzungsbeschlusses, wenn nötig mit Waffengewalt. Die reformiert-konservativen Kantone Basel-Stadt, Neuenburg und das katholisch-konservative Appenzell Innerrhoden blieben neutral. Gleichzeitig forderte die Tagsatzungsmehrheit die Auflösung des Sonderbundes und löste damit im November 1847 einen kurzen Krieg aus, den die Tagsatzungstruppen für sich entschieden.
Beitrag der Katholisch-Konservativen an die direkte Demokratie
Eine nach wie vor gängige Meinung der Geschichtswissenschaft ist, dass nur die liberal-radikalen Sieger dem Bundesstaat ihren Stempel aufdrückten und die katholisch-konservativen Verlierer sich in eine Art Ghetto zurückzogen. Beides ist historisch nicht haltbar. Der Historiker Oskar Vasella schreibt in diesem Zusammenhang in seinem Essay «Zur historischen Würdigung des Sonderbunds» zutreffend, dass gerade in der Beurteilung des katholischen Konservatismus «eine grössere Freiheit im geschichtlichen Denken»7 nötig sei, um die Vorgeschichte der Bundesstaatsgründung wahrheitsgetreuer darzustellen. Es waren neben früh-sozialistischen Kreisen (wie im Kanton Baselland) katholisch-konservative Kantone, die der direkten Demokratie entscheidende Impulse verliehen. So integrierten die ländlichen Demokraten Luzerns sowie der ebenfalls katholisch-konservativ regierte Kanton Wallis in ihren revidierten Verfassungen Volksrechte in einem für die Schweiz und Europa noch nie dagewesenen Ausmass und legten damit ein entscheidendes Fundament für die moderne Eidgenossenschaft. Diese Erbschaft der Verlierer von 1847 führte nach der Bundesstaatsgründung mit der Zeit zu einem Ausgleich mit den Liberal-Radikalen und einer friedlichen Entwicklung der Schweiz.8
René Roca