Der Name Gottes sei gepriesen

(Collage: Thomas Markus Meier)

 

Der berührende Trickfilm «Le Chat du Rabbin» (2011) erzählt von einer interreligiösen Freundschaft zwischen einem Rabbiner und einem Imam in Algerien anfangs des 20. Jahrhunderts. Inspiriert ist der Film vom gleichnamigen Comic des französischen Zeichners Joann Sfar (*1971). Der titelgebende, miauende Vierbeiner hat einen Papagei gefressen und kann deshalb sprechen. In einer Notsituation spricht die Katze aus, was verboten ist auszusprechen: den heiligen Gottesnamen. So will sie den Rabbi unterstützen – was zwar hilft, was aber auch die Katze verstummen lässt. Der Gottesname wird nicht ungestraft ausgesprochen.

Der göttliche Name wurde einst nur am Jom Kippur vom Hohepriester im Allerheiligsten genannt. Seit der Zerstörung des Tempels bleibt der Name unausgesprochen. Dieses Tabu finden wir schon in der griechischen Bibelübersetzung, der Septuaginta. Das Verbot, den Namen Gottes zu schmähen (Lev 24,16) wird dort zugespitzt: Verboten ist es, nur schon den Namen zu nennen. Dass die Revision der Einheitsübersetzung den hypothetischen Namen hinter den vier Buchstaben J-H-W-H (einst Jahwe) vermeidet, ist darum begrüssenswert.

Wie ist nun das Unaussprechliche auszusprechen? Dies bleibt die grosse Frage. Bei «Harry Potter», der Fantasy- Romanreihe der britischen Schriftstellerin Joanne K. Rowling (*1965), führt die Angst vor dem Namen des bösen Lord Voldemort zum fast schon verschwörerischen «Du weisst schon wer». Wie aber steht es um das Wissen um den biblischen Gottesnamen? Und ist seine Wiedergabe mit HERR einzig fast aus traditionellen Gründen schon kostbar, so die Übersetzer – oder heutzutage nicht einfach zu kostspielig, so die Kritiker? Kostspielig, weil der Preis zu hoch ist, in der heutigen geschlechtersensiblen Zeit Gott so unreflektiert als Mann, als Herrn, auszuzeichnen. Wenn Frau und Mann nach Gottes Ebenbild geschaffen sind, darf Gott nicht einem Geschlecht zugeordnet werden. Die nebenstehende Collage zeigt eine Buchmalerei, in der Adam dem Schöpfer wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Umgekehrt verbirgt Gott nur schlecht sein Geschlecht. Gott ein Herr, ein Mann?

Sprache und Sprachsensibilitäten ändern sich. Wurde einst beim Kyrios, beim Herrn, vor allem die Majestät herausgehört, so ist es heute die Männlichkeit. Wir können das nicht weghören und nicht wegdiskutieren. Ein ähnliches Erlebnis zu verändertem Sprachempfinden machte ich 1994 bei meiner ersten Anstellung in einer Pfarrei. Nach dem Gottesdienst suchten mich ein paar gestandene Frauen in der Sakristei auf und verbaten sich, als «Christinnen» angesprochen zu werden. Sonst kämen sie nicht mehr in die Kirche. Ich sprach sie auf ihre Sorge an, immer weniger junge Frauen in der Pfarrei zu sehen, und dass diese das mit der Anrede wohl anders sähen. Am Sonntag darauf wurde das Schreiben von Neubischof Hansjörg Vogel verlesen. Er begrüsste die Gläubigen mit «Mitchristinnen und Mitchristen». Ich blieb bei der Neuformulierung – und die Frauen blieben in der Kirche.

Sollte es bei einer geistgewirkteren Umbenennung des Unaussprechlichen anders sein?

Thomas Markus Meier*

 

* Dr. theol. Thomas Markus Meier (Jg. 1965) arbeitet als theologischer Leiter der Pfarrei St. Anna Frauenfeld, ist Präsident des Diözesanverbandes Basel des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks und Mitglied der Redaktionskommission der SKZ.