Der kontemplative Blick auf die Welt

Zur Wiedereröffnung des Lassalle-Hauses Bad Schönbrunn

Mit seiner Umwelt- und Sozialenzyklika "LaudatoSi", die Papst Franziskus am Pfingstfest 2015 vorstellte, hat er der christlichen Sozialethik wesentliche neue Impulse verliehen. Für unser Lassalle-Haus Bad Schönbrunn ob Zug ist sie eine wichtige Quelle der Inspirition – insbesondere mit Blick auf die Wiedereröffnung: Während das Haus im vergangenen Jahr umfassend renoviert wurde, haben wir das Bildungsangebot konsolidiert und weiterentwickelt.

Wir können die globalen Probleme wie Umweltzerstörung und Armut nur lösen, so Papst Franziskus, wenn wir die Welt wieder als Beziehungsgeflecht wahrnehmen lernen. Die Gesetze des Marktes und die moderne Technologie verleiten immer wieder, den Menschen auf ein Objekt zu reduzieren. Dagegen muss unsere Gesellschaft und unsere Welt erkennen, wie eng Politik, Wirtschaft, Soziales und Kultur miteinander verwoben sind – die Aufgabe ist, dem Menschen zu dienen, und nicht, ihn zu versklaven.

Der besondere Auftrag der Religionen für die Welt besteht für Franziskus darin, den kontemplativen Blick auf die Wirklichkeit neu zu lernen und zu lehren – den unverzweckten Blick also, der vom Äusseren auf das Innere übergeht. Der innere Frieden, nach dem sich jeder Mensch sehne, habe viel zu tun mit der Fähigkeit zu staunen. Es ist die Fähigkeit, zu erkennen, wie alles miteinander zusammenhängt und wie Gott in dieser Welt anwesend ist. Um dies sehen zu können, brauche es einen kulturellen und spirituellen Bildungsprozess.

Seit Beginn dem kontemplativen Blick verpflichtet

Dieser kontemplative Blick auf die Welt ist das Herz unseres Kursangebotes im Lassalle-Haus, wohin wir dieser Tage nach einer gut einjährigen Umbauzeit zurückgekehrt sind. Der geistliche Übungsweg der ignatianischen Exerzitien und der Weg der christlichen Kontemplation wie auch die Wege des Zen und des Yoga: Alle diese Wege haben gemeinsam, dass sie uns hinführen zu einem staunenden Blick auf die Welt – ein Blick, der nicht sofort versucht zu vereinnahmen, sondern liebevoll das wahrnimmt, was ist.

Im vergangenen Jahr haben wir das 50. Jubiläum des grossen Reformkonzils des Zweiten Vatikanums gefeiert. "Nostra Aetate" als eines der wesentlichen Konzilsdokumente hat die katholische Kirche für den Dialog mit den anderen Religionen geöffnet. In diesem Dokument erkennt die katholische Kirche, dass der Geist Gottes auch in den anderen Religionen weht. So hat das von Jesuiten getragene Lassalle-Haus schon vor 20 Jahren begonnen, Menschen in die traditionsreichen Meditationswege des Ostens einzuführen. Gleichzeitig laden wir die Teilnehmenden immer wieder ein, die christliche Botschaft und Tradition tiefer zu ergründen. So wollen wir auch in Zukunft bewährte Traditionen pflegen, welche den Menschen auf ihrer Suche entgegenkommen und auf dem weit ausufernden Spiritualitätsmarkt Orientierung bieten. Insbesondere die drei modulartig aufgebauten Lehrgänge zur christlichen Spiritualität, zu den ignatianischen Exerzitien und zur interreligiösen Theologie vermitteln wertvolles und oft verloren gegangenes Glaubenswissen. Das Lehrgangsangebot wird ergänzt mit Zeiten der Stille, um den persönlichen Glaubensweg zu vertiefen.

Antworten zur Not unserer Zeit

Auch neue Angebote kennzeichnen das Programm, an dem wir in den letzten Monaten gefeilt haben. So soll das Angebot "Auszeit zur rechten Zeit" für Menschen eine Kraftquelle sein. Gerade auch für solche, die an ihre Grenzen gekommen und erschöpft sind oder sich in einer Umbruch- oder Übergangssituation befinden. Wir wollen insbesondere Menschen erreichen, die "zur rechten Zeit" für sich sorgen, bevor sie in einem Burnout landen. Das Format dieses neuen Auszeitprojektes ist in drei Blöcken angelegt: in Schnupper- und Vorbereitungstage, das Kernstück dann bildet ein Drei-Wochen-Block, gefolgt von einer kurzen Nachbearbeitungszeit ein halbes Jahr später. Die Tatsache, dass sich bereits über 30 Interessenten fürs "Auszeit zur rechten Zeit"-Angebot gemeldet haben, zeigt die Not unserer Zeit.

Die weiteren Programmschwerpunkte

Medizin und Spiritualität: Hier setzen wir einen weiteren Akzent auf "Spiritual Care". Gemäss einer Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO gehört neben dem Körper, dem Geist und den sozialen Beziehungen auch die Spiritualität als wesentliche Dimension zum Menschsein. Wir wollen mithelfen, dass in den verschiedenen Gesundheitsberufen Tätige ein Gespür dafür bekommen, wie Spiritualität im Heilungsprozess des Patienten und auch im eigenen Berufsalltag genutzt werden kann. Dabei geht es um einen achtsamen Umgang mit Patientinnen und Patienten, mit ihren unterschiedlichen Wertehaltungen und Weltanschauungen. Im September 2016 startet dazu ein eigens konzipierter Lehrgang in sechs Modulen und mit einschlägigen Fachtagungen.

Fasten aus Freude am Guten: Im Fasten bündeln sich zentrale Themen. Es leitet an zur Freude am Guten, eröffnet einen spirituellen Raum und birgt einen hohen Wert für die Gesundheit. Das Innehalten und Abstandnehmen vom Konsum fördert die Sensibilität für das Wert-Volle, für einen ethischen Lebensstil. Neu soll deshalb im Lassalle-Haus beim Fasten neben der spirituellen und gesundheitlichen noch konsequenter auch nach seiner öko-sozialen Dimension gefragt werden. Das neue Fastenprogramm besteht in Zukunft aus einwöchigen sowie zwölftägigen Angeboten und wird zu allen vier Jahreszeiten stattfinden.

Wirtschaftsethik: Im Lassalle-Institut findet weiterhin die Verbindung von Spiritualität und Verantwortung einen prägnanten Ausdruck. Hier stehen Angebote für Unternehmen im Vordergrund, die Wert legen auf Haltung und Einübung der Achtsamkeit, um dem Dichtestress entgegenzuwirken. Genauso wichtig ist die Reflexion von Werten und Zielen, das Nachdenken darüber, was im Leben, oft von beruflicher Tätigkeit dominiert, wirklich wichtig ist. Schliesslich gilt es, immer wieder von neuem eine Rollenklärung vorzunehmen, sich die Frage zu stellen: Was liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, und was gehört nicht dazu?

Neue Persönlichkeiten geben den Visionen ein Gesicht

Wir haben die Zeit des Umbaus wahrlich genutzt, um unserem Bildungshaus nicht nur äusserlich, sondern auch inhaltlich einen neuen Anstrich zu geben. Das Lassalle-Haus ist dabei nicht nur Bildungszentrum, sondern auch geistliches Zentrum. Es wird getragen von unseren Gästen und Freunden, die bei uns in der Stille und in der Ausrichtung auf Gott neue Kraft und Lebensfreude finden. Und es wird geprägt von Persönlichkeiten, die unseren Visionen ein Gesicht geben – wir investieren schliesslich nicht nur in Beton, sondern vor allem in die nächste Lassalle-Haus- Generation. So wird Noa Zenger den Bereich Kontemplation übernehmen und bringt als reformierte Pfarrerin wichtige Erfahrungen ein. Zudem zeichnet sie für die Lassalle-Zeit verantwortlich, ein drei- bis sechsmonatiges Auszeit-Projekt für spirituell interessierte Menschen. Elke Casacuberta ist die neue Leiterin Bildung und bringt reiche Erfahrung aus 20 Jahren Mitarbeit für eine grosse Bildungsinstitution mit. Und Renata Grüter Kröger, vormalige Vizedirektorin des Luzerner Hotels Montana, steht neu der Hotellerie vor. Erklärtes Ziel ist es, zum Wohl unserer Gäste Betreuung, Unterbringung und Gastronomie qualitativ zu verbessern. Mein Mitbruder Bruno Brantschen SJ wiederum leitet den Bereich der Ignatianischen Exerzitien. Gleichzeitig steht er als erfahrener geistlicher Begleiter zur Verfügung. Mit dem Wiedereinzug ins Lassalle-Haus liegt eine sechsjährige Planungs- und 15-monatige Bauzeit hinter uns. Dieses grosse Abenteuer konnte nur gelingen dank des grossen Engagements unserer Mitarbeitenden sowie insbesondere der Freunde unseres Hauses, für die das Lassalle-Haus als Ort der Stille und des Gebets eine wichtige Bedeutung hat. Auch sind wir den Menzinger Schwestern tief dankbar für ihre Gastfreundschaft, die sie uns in der Umbauzeit in ihrem Kloster ein paar Kilometer bergauf gewährt haben.

An Pfingsten werden wir unser Haus mit einer "Feier des Geistes" wiedereröffnen: Der Geist ermöglicht einen klaren Blick auf diese Welt. Er öffnet unsere Augen für ihre Schönheit, aber auch für ihre Not und lässt uns beherzt handeln.

Wiedereröffnung des Lassalle-Hauses an Pfingsten

– Samstag, 14. Mai: 10–17 Uhr, Tag der offenen Tür mit Meditationsimpulsen, Informationsständen, Hausführungen;

– Sonntag, 15. Mai: Festgottesdienst um 8.30 Uhr.

– Samstag, 18 Uhr, bis Montag, 13 Uhr: Fest des Geistes, ein Gratiskurs mit interreligiöser Festakademie, Podiumsgesprächen, Musik und filmischer Überraschung (verrechnet werden lediglich die Pensionskosten).

Das Lassalle-Haus Bad Schönbrunn in Edlibach (ZG) ist mit Bus Nr. 2 ab Bahnhof Zug erreichbar (Station Bad Schönbrunn aussteigen). Weitere Informationen: www.lassalle-haus.org, Telefon 041 757 14 14.

Der neue Film aus der WDR-Kulturreihe "Grenzgänge" mit Ulrike Kriener bietet zudem spannende Einblicke ins Lassalle-Haus (herunterladbar unter www.daserste.de).

 

 

Tobias Karcher

P. Tobias Karcher SJ ist Direktor des Lassalle-Hauses, des von Jesuiten geführten Bildungszentrums in Edlibach ob Zug.