Das Evangelium von der Familie

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Bis anhin hielt sich das Interesse an den Bischofssynoden, welche 1965 durch Paul V I. mit dem Ziel, die im Zweiten Vatikanischen Konzil postulierte bischöfliche Kollegialität zu stärken, eingeführt wurden, in Grenzen. Deren Durchführung und Schlussergebnisse wurden bisher weitgehend von der römischen Kurie orchestriert, womit die Zielsetzung nur bedingt erfüllt werden konnte.

Das dürfte sich nun mit der ausserordentlichen Bischofssynode im Herbst 2014 mit dem Thema «Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung» erstmals ändern. Denn Franziskus macht deutlich, dass mehr Kollegialität und damit auch mehr Kommunikation nötig ist: «Man muss gemeinsam gehen: Volk, Bischöfe, Papst. Synodalität muss auf verschiedenen Ebenen gelebt werden.» Diesen Papstworten folgte mit der grossen Umfrage vom Spätherbst auch gleich eine erste Tat, die einem Paukenschlag gleichkam (vgl. SKZ 181 [2013], Nr. 48, 738.740.746–750).

Ein zweites Signal in diese Richtung setzte Papst Franziskus mit der Einladung von Kardinal Walter Kasper, im ausserordentlichen Kardinalskonsistorium vom 20./21. Februar 2014 eine Rede zum Synodenthema zu halten. Diese liegt trotz Widerständen gegen eine Veröffentlichung nun mit ergänzenden Texten bereits auf Deutsch vor: Walter Kardinal Kasper: Das Evangelium von der Familie. (Verlag Herder) Freiburg im Breisgau 2014, 94 Seiten. Kaspers Rede wird von Franziskus geschätzt: «Kardinal Kasper hat einen schönen und tiefgehenden Vortrag gehalten (…) und fünf Punkte angesprochen, deren letzter die Wiederverheirateten waren. Ich wäre besorgt gewesen, wenn es im Konsistorium keine intensive Debatte gegeben hätte, das hätte nichts gebracht. Die Kardinäle wussten, dass sie sagen konnten, was sie wollten, und sie haben viele verschiedene Gesichtspunkte präsentiert, die bereichern. Der brüderliche und offene Austausch lässt das theologische und pastorale Denken wachsen. Davor habe ich keine Angst, im Gegenteil, das suche ich!» (vgl. Radio Vatikan dt. 5. März 2014).

Die nun veröffentlichte Rede macht deutlich, dass Walter Kardinal Kasper nicht eine Änderung der katholischen Ehelehre beabsichtigt, sondern Fragen anstossen und Grundlagen für die ausserordentliche Bischofssynode bereitstellen will, ohne bereits Antworten zu geben – ausgelöst durch das Faktum, dass zwischen der Lehre der Kirche über Ehe und Familie und den gelebten Überzeugungen vieler Christen eine beunruhigende Kluft entstanden ist. Da die Familie für Kirche und Gesellschaft die Keimzelle ist, ist eine grundlegende Beschäftigung damit für die Kirche eine Überlebensfrage. Kasper rät, auf das Zeugnis der Gläubigen zu hören – ohne dass alle Erwartungen erfüllt werden können: «Aber es würde zu einer schlimmen Enttäuschung führen, wenn wir nur die Antworten wiederholten, welche angeblich schon immer gegeben wurden. Als Zeugen der Hoffnung dürfen wir uns nicht von einer Hermeneutik der Angst leiten lassen» (84 f.).

Urban Fink-Wagner

Urban Fink-Wagner

Der Historiker und promovierte Theologe Urban Fink-Wagner, 2004 bis 2016 Redaktionsleiter der SKZ, ist Geschäftsführer der Inländischen Mission.