Das Bucherbe der Diözese Lugano

2020 startete in Lugano ein Projekt zur Neuordnung und Aufwertung der Bibliotheksbestände der Diözesanbibliothek. Diese Sammlungen hatten lange ein verborgenes Dasein geführt.

Ein Blick auf den antiken Bestand in der Diözesanbibliothek. (Bild: Luca Montagner)

 

Innerhalb der Mauern des Diözesankollegs Pio XII in Lugano-Breganzona wird ein reiches Erbe bewahrt: die Diözesanbibliothek. Die Geschichte dieser Büchersammlung ist eng verbunden mit der des diözesanen Priesterseminars: Im letzten Jahrhundert teilten sie einen Teil ihrer Geschichte. Die erste sichere Nachricht über die Bibliothek stammt aus den 1920er-Jahren anlässlich der Einweihung des neuen Seminars San Carlo im Stadtteil Lugano-Besso. In der Tat wurde ein Flügel innerhalb des Gebäudes speziell für die Unterbringung dieser Bücher für die ausschliessliche Nutzung durch die Studenten eingerichtet. In den 1940er-Jahren wurde die erste und bis heute einzige Katalogisierung dieses Erbes abgeschlossen. Damals umfasste die Bibliothek etwas mehr als 13'000 Bände.

In den folgenden Jahren wuchs die Sammlung durch Nachlässe und Schenkungen erheblich an. Die Situation blieb bis 1968 stabil, als das diözesane Priesterseminar nach Freiburg i. Ü. verlegt wurde. Die Bände wurden nicht über die Alpen transportiert, sondern landeten zunächst in einem Lagerraum und später auf dem Dachboden, wo sie bis Anfang des neuen Jahrtausends weitgehend sich selbst überlassen blieben und dann aus logistischen Gründen in ein altes Gebäude in Polleggio verlegt wurden. Die letzte grosse Reise dieses Erbes fand im Jahr 2010 statt, als die Bibliothekssammlung auf Betreiben von Msgr. Pier Giacomo Grampa an das Collegio Pio XII in Lugano-Breganzona zurückgegeben wurde. Hier wurde eine alte, ungenutzte Turnhalle in eine Bibliothek umgebaut und mehr als 2200 Meter Regale aufgestellt, um den inzwischen auf rund 40 000 Bände angewachsenen Bestand unterzubringen. Von da an wurden die Bücher nie wieder bewegt.

Vom Bücherdepot zu einer Bibliothek

Genau hier beginnt die jüngere Geschichte der Diözesanbibliothek, in die das derzeit laufende Projekt zur Umstrukturierung und Aufwertung eingebettet ist. Das Projekt wurde 2016 auf Veranlassung von Msgr. Pier Giacomo Grampa gestartet. Er hatte mit einer ersten Katalogisierung des modernen Erbes begonnen. Dieses Projekt wurde Anfang 2019 auf ausdrücklichen Wunsch von Msgr. Valerio Lazzeri weiterentwickelt. Nach einer ersten Phase der Vorarbeiten wurde das Projekt am 2. Dezember 2020 mit der Einsetzung eines wissenschaftlichen Ausschusses, der die Entwicklungsstrategie der Bibliothek festlegen soll, und dem Erlass spezifischer Vorschriften offiziell bekannt gegeben.

In nur wenigen Jahren wurden einige wichtige Ziele erreicht, wie z. B. die Veröffentlichung des Katalogs der Inkunabeln1 oder die Trennung der alten Bestände (15. bis 18. Jahrhundert) von den modernen Beständen (19. bis 21. Jahrhundert). Darüber hinaus wurden Veranstaltungen und Treffen für die Öffentlichkeit organisiert, um das wertvolle Erbe bekannt zu machen.

Es bleibt noch viel zu tun. So bald wie möglich werden wir mit der eigentlichen Katalogisierung der Exemplare im Tessiner Bibliothekssystem beginnen, dem die Diözesanbibliothek 2016 beigetreten ist. Erst dann kann man sagen, dass wir uns offiziell von einem Bücherdepot zu einer echten Bibliothek entwickelt haben. Eine Bibliothek, die nicht mehr ausschliesslich mit einer Bildungseinrichtung wie dem Priesterseminar verbunden ist, sondern die sachkundige Aufbewahrung von Werken gewährleistet, die der Geschichte des sozialen und religiösen Lebens der Kirche in der Diözese Lugano gewidmet sind.

Luca Montagner

 

1 Montagner, Luca (Hg.), Inter prima artis incunabula. Catalogo delle edizioni quattrocentesche della Biblioteca   diocesana di Lugano. Lugano 2021.

Weitere Informationen über die Geschichte der Diözesanbibliothek Lugano finden sich in: Montagner, Luca, La Biblioteca diocesana di Lugano. Primi passi di una storia tutta da scoprire, Fogli 42 (2021), 3–17, und Montagner, Luca, La «grande invalida» guarita. Il riordino della Biblioteca diocesana di Lugano negli anni Quaranta del Nove­cento, Fogli 43 (2022), 15–25.


Luca Montagner

Luca Montagner (Jg. 1990) ist seit 2018 Pressesprecher des Bistums Lugano. Seit 2020 arbeitet er als InterimsDiözesan­bibliothekar und Sekretär des wissenschaftlichen Ausschusses an dem Projekt zur Neuordnung und Aufwertung der Bibliotheksbestände der Diözesanbibliothek.

 

BONUS

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