Clinical Pastoral Training - Geschichte und Ausrichtung (2)

Das Clinical Pastoral Training, CPT, ist eine einzigartige Verknüpfung von Fallarbeit, Theorie, Persönlichkeitsentwicklung und Theologie. Die Bewegung und das Verfahren haben zu einem Quantensprung in der Seelsorgelandschaft geführt und stehen für qualifizierte Seelsorgeausbildung ein. Dabei ist das Clinical Pastoral Training, wie im ersten Teil beschrieben (SKZ 33–34), eine Ausbildung nahe an der Seelsorgepraxis der einzelnen Kursteilnehmenden.

Das Clinical Pastoral Training ist als dreimonatige Ausbildung in den USA entstanden. Vor allem Wybe Zijlstra und Heije Faber etablierten das Verfahren in Holland und von dort aus in der Schweiz. Faber, hier schon bekannt durch ein ausgezeichnetes Seelsorgebuch, kam 1971 für einen Wochenkurs als Pilotprojekt nach Bern und 1972 nach Zürich, assistiert von Hans van der Geest und Dorothee Hoch. Die Pfarrerschaft war begeistert und auch die Weiterbildungsbeauftragten in Bern und Zürich. Nach den Kursen 1972 wurde klar, dass es am sinnvollsten ist, wenn ein CPT-Supervisor und -Trainer ganz in die Schweiz käme. Van der Geest wurde 1973 eine Anstellung am Diakoniewerk Neumünster bei Zürich angeboten, um dort ausschliesslich CPT-Kurse anzubieten. Später waren seine Kurse auf Boldern angesiedelt.

Andere Angebote gab es auch. So etwa lernte Ruedi Albisser CPT direkt in den USA kennen und bot ab 1978 in Luzern Kurse an. Ebenso wirkten Dorothee Hoch in Basel, Klaus Völlmin in Baden und andere mit. Doch Hans van der Geest war der Stern, der die Vielen anzog. Die CPT-Kommission begleitete die Arbeit wie eine Kirchenpflege. Ein internationaler Ausbildungsrat sorgte für die qualifizierte Ausbildung und Prüfung von weiteren Supervisorinnen und Supervisoren, Kursleitenden. Das war weise. Denn als Anfang der neunziger Jahre Hans van der Geest seine Arbeit für CPT niederlegte, ging die Sache weiter. Es entschloss sich eine Vierergruppe, zusammen mit der CPT-Kommission die Kursarbeit nahtlos fortzusetzen. Als CPT-Beauftragter wirkte der Schreibende, ab 1996 in einer Anstellung. Der Übergang von der Pionierzeit in eine erste Konsolidierungsphase war geschafft. Heute bieten elf Kolleginnen und Kollegen die Kurse an. Vier weitere sind in Ausbildung.

Trägerschaft

Aus der ursprünglichen CPT-Kommission wurde die SAK-Seelsorgeausbildungskommission und später die AWS-Kommission für Aus- und Weiterbildung in Seelsorge. Sehr bald wurde sie eine Kommission im Rahmen der Deutschschweizerischen Kirchenkonferenz und damit der reformierten Kirchen. Ganz bewusst trug die katholische Kirche seit jeher mit einem Sitz in den früheren Kommissionen bei, seit ein paar Jahren zu gleichen Teilen auch finanziell.

In den letzten zwanzig Jahren fanden nach und nach neben CPT weitere Verfahren Platz. Die Absicht war, dass dadurch für Interessierte vergleichbare Eckwerte in Sachen Zulassung, Finanzierung, Zielgruppen, Levels, inhaltlichen Ansprüchen und Ethik geschaffen würden. Es sind dies die SSMV – Seelsorge im Straf- und Massnahmevollzug, die SYSA – Systemische Seelsorge, die AKHS – Seelsorge im Kranken- und Altersheim sowie LOS – Lösungsorientierte Seelsorge. Auch die sog. BUB – Besuchen und Begleiten ist unter dem Dach der AWS. Es handelt sich um ein Angebot für jene, die die Voraussetzungen eines Hochschul- oder adäquaten Abschlusses nicht mitbringen, aber Seelsorgeausbildung vor allem in der Freiwilligenarbeit brauchen. Die Organisation der AWS liegt heute in Bern, nach Boldern, Bern und Baselland.

Grundausbildung und Setting

Die Grundausbildung umfasst im hiesigen Angebot insgesamt dreizehn Kurswochen, aufgeteilt in zumindest drei Teile, manchmal in mehrere. Die in den USA anfänglich üblichen Quarters, dreimonatige Kurse am Stück, sind bei uns nicht umsetzbar. Dazu wurde und würde kaum jemand mehr freigestellt.

Die Module finden in einem Wochenkurs (Modul A-1) und in zwei Sechswochenkursen (Modul A-2) statt. Manchmal sind vorerst nur zwei Teile möglich. Es ist bereits sinnvoll und gewinnbringend, die ersten beiden Teile zu besuchen. Vielleicht lässt sich später eine weitere Sequenz in die Arbeit einbauen. Es erfolgt eine Kursbestätigung für jeden einzelnen Teil.

Die Leitungspaare wechseln von Kurs zu Kurs, je Kurs bleibt die Leitung konstant. Das ist Absicht und für eine professionelle Begleitung unverzichtbar. Weitere Dozenten und Fachleute für spezielle Thematiken werden punktuell von auswärts zugezogen. Das Prinzip der Doppelleitung erhöht zwar die Kosten. Doch ist auch dies wesentlich, weil eine anspruchsvolle Kursleitung der Ergänzung, der gegenseitigen Kontrolle und der den Prozess täglich begleitenden Besprechung bedarf.

In den drei Teilen ist die Kursgruppe je Kurs ebenfalls gleichbleibend. Es sind meistens acht bis zehn Teilnehmende. So kommt jemand im Kurs mit einer bestimmten Gruppe zusammen, was Vertrauen, Klarheit und Aufbau ermöglicht. Doch im nächsten Kurs ist es wieder eine neue Zusammensetzung, was die Flexibilität und jeweils einen Neustart ermöglicht.

Die drei Kursformen

Der Wochenkurs ist oft ein thematischer Kurs. Zudem dient er den Teilnehmenden als Einstieg, auch um zu sehen, ob der CPT-Weg für einen gangbar ist. Von daher ist ein Wochenkurs und ein Informationstag Voraussetzung. Der Sechswochenkurs, auch Block-Kurs genannt, findet an einem Spital, einer Klinik oder einem Kursort in der Nähe statt. Dabei ist es System, dass die Teilnehmenden am betreffenden Spital Kranke besuchen, im Auftrag der dortigen Spitalseelsorge und in Absprache mit der Spitalleitung. Zeitnah werden aufgetauchte Fragen und Schwierigkeiten mit schriftlichen Verbatims, Gesprächsaufzeichnungen oder mündlichen Fallbesprechungen in der Gruppe angesehen. Die weiteren Kurseinheiten werden um diese zwei oder drei wöchentlichen Besuchszeiten herum platziert. Der sog. fraktionierte Kurs dauert ebenfalls sechs Wochen. Hier sind die Wochen aufgeteilt in zwei oder drei Teile am Stück oder auf vier einzelne Wochen an einem Kursort mit tageweise Aktivitäten im Umfang von zwei weiteren Wochen in der eigenen Gemeinde, Pfarrei oder im Arbeitsfeld eines anderen Kursteilnehmenden, sowie der Einzelsupervision.

Ob ein Block-Kurs oder ein fraktionierter besser ist? In meinen Augen ist es der Block-Kurs, da ich diesen besser kenne und es dabei auf die Möglichkeiten der Interessierten ankommt. Ein Block-Kurs bringt in Gruppe und Lernen eine intensive Dynamik, fernab des Alltags. Dabei sind heute die Wochenenden kursfrei. Danach ist die intensive Kurs- Erfahrung vom Berufsalltag jedoch eher gefährdet. Demgegenüber sind die Erfahrungen in fraktionierten Kursen, verteilt über ein Jahr, näher am Alltag und eher geeignet, etwas aus dem Kurs in der Praxis zu Hause auszutesten. Die Dynamik der Gruppe bleibt dagegen in einzelnen Wochen eine andere als in sechs zusammenhängenden Wochen. Meistens entscheiden der Berufsalltag (und die Lebensform), was jemandem möglich ist.

Bologna-Abschlüsse1

Manche Seelsorgende möchte die Zusatzausbildung mit einem Bologna-Abschluss vorsehen. Dies wurde durch die Vorarbeit und Zusammenarbeit mit der Theologischen Fakultät Bern und heute auch mit der Theologischen Hochschule Chur möglich. Man mag «Bologna» hinterfragen. Dennoch ist es sinnvoll, diesen Trend gut zu gestalten. Wie im ersten Teil dieses Beitrags ausführlich beschrieben, ist der Gewinn eines CPT-Kurses in der Reifung und Befähigung der eigenen Person zu finden. Obwohl Diplome wenig bis nichts aussagen können, scheint ein Bologna-Abschluss mindestens aus zwei Gründen gerechtfertigt zu sein. Wer will dem wehren, der Eifer und Lust hat, sich in einem speziellen Gebiet der Seelsorge und der Pastoralpsychologie zu vertiefen? Eine vertiefte Reflexion der Praxis und ein Kennenlernen neuerer Ansätze liegen als Gewinn auf der Hand. Zum andern macht es Sinn, wenn jemand sich in einer Ausbildung vergleichen lassen muss, etwa in der Spitalseelsorge. In manchen Institutionen sind immer mehr Fachleute mit einem Bologna-Abschluss unterwegs. Da wird verständlich, wenn Seelsorgende auch mit einem CAS oder DAS daherkommen wollen. Den Kranken hilft dies zwar nicht direkt, doch es fördert die Einbindung und die Wahrnehmung des Seelsorgenden im betreffenden System, was schliesslich auch den Kranken zugutekommt. Zum Schluss folgen einige Hinweise auf die Ethik, die Religiosität und auf zwei starke Pferde im Stall CPT.

Ethik

Selbstverständlich ist die Berufsethik Inhalt in unseren Seelsorgekursen. Die entsprechende Haltung haben wir Kursleitenden uns vor einigen Jahren mit der Erarbeitung von berufsethischen Richtlinien angeeignet. Das betrifft zunächst unseren Umgang als Leitende mit den Teilnehmenden und untereinander. Es ist eine Haltung der Wertschätzung der anderen und eine immer neu überprüfte Garantie, die religiöse, ideologische und sexuelle Integrität aller zu achten und zu wahren. Dies verlangen wir mit einer ethischen Vereinbarung von den Teilnehmenden untereinander und uns Leitenden gegenüber. Sie beinhaltet zum Beispiel, dass gemachte Erfahrungen in dieser Gruppe «bleiben». Wir Leitenden geben gegenüber Behörden keine Auskunft. Denn wer im Kursverlauf immer denken muss, dass das alles einmal der Kirchenrat oder die Pfarrwahlkommission erfahren könnte, macht kaum entscheidenden Schritte. Zwar geben wir unsere Eindrücke individuell in einem Bericht ab. Für Behörden gilt die Kursbestätigung. Will ein Teilnehmender mehr weitergeben, muss dies eine Ausnahme und vorab genau besprochen sein.

Religiosität

Zu Beginn der CPT-Bewegung in den 68er-Jahren war Religiosität ein Thema, das etwas in einer Schattenecke lag. Es war klar, wie man zu glauben hatte und dass man mit den 68ern genau dies massiv hinterfragte. Mit der Zeit wurde das Sprechen über die Religiosität wieder ungezwungener. Dürre Zeiten im Glauben, eigene Zweifel und Phasen des Unglaubens – darüber lernten wir zu sprechen. Heute kommt das Thema wie oben beschrieben an diversen Stellen vor. Dabei haben es Fundamentalismus und Atheismus schwer, was einleuchtend ist. Dazwischen liegt eine grosse und offene Bandbreite. Für sie steht jede unserer drei Landeskirchen ein. Mich interessiert weniger, ob jemand so glaubt wie ich, sondern wo sein Feuer der Theologie in Theorie und Praxis brennt. Da habe ich schon berührende Erkenntnisse über schöne Andersartigkeit erlebt und mit-erlebt.

Zwei starke Pferde im Stall

Es mag vermessen sein, zwei der vielen Methoden hervorzuheben. Das Bibliodrama, die Theorie-Inputs oder die Feedback-Kultur hätten es ebenso verdient. Doch sind die Besprechung von Seelsorgesituationen mit schriftlichen Protokollen und die tägliche Grundeinheit mit dem Freien Gruppengespräch von Anfang an eine Marke von CPT gewesen und bis heute geblieben. Die Arbeit mit Gesprächsprotokollen, heute vielfach kopiert, ist der Versuch, etwas von der erfahrenen Praxis in die Gruppensupervision zu holen. Dies gelingt auch mit Fallbesprechungen, genauer mit Verbatims.

Verbatims

Selbstverständlich entsprechen diese nie der Wirklichkeit, aber sie zeigen die Frage, die Unsicherheit der Seelsorgerin, des Seelsorgers im Gespräch mit jemandem, einem Paar oder einer Gruppe. Zwar ist die Person des Gegenübers wichtig, seine Situation, seine Biografie, allenfalls auch seine Krankheit. Der Verlauf ist wichtig, ebenso das System und das Milieu, in dem ein Mensch lebt. Wesentlicher noch und im Vordergrund ist die Sicht auf den Seelsorgenden, die Seelsorgende. Was erlebt sie, wie fühlt sie sich, was vermeidet sie, was gelingt ihr? Hin und wieder ist es angebracht, begründet zu zeigen, dass etwas so nicht weiterführt oder falsch ist. Mehrheitlich suchen wir Gelingendes und suchen zu verstehen, warum etwas schwierig wurde, wie der andere zu einer Lösung findet. Die Protokolle gelten als geschützte Daten – so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Ausdrücklich erlaubt das Zivilgesetzbuch diese Arbeit zu Lernzwecken im Abschnitt über das Berufsgeheimnis.

Freies Gruppengespräch

Das freie Gruppengespräch wurde schon die «Hohe Schule» des CPT-Kurses genannt. Bei der Vielfalt der Methoden, die in der Regel alle 90 Minuten wechseln, ist diese Morgen-Einheit eine Art tägliche Basis und Raum für alles Anstehende. Es sind Gruppengespräche mit je nachdem enthaltsamer und gleichwohl immer schützender Beteiligung der Leitenden. Diese geben selber kein Thema vor, ausser wenn es der Kursverlauf eindeutig erfordert und besprochen ist, etwa bei Konfliktgesprächen. Insofern sind diese Gespräche «frei». Seelsorgende sind es von der universitären Ausbildung und vom Berufsalltag nicht gewohnt, selber und gemeinsam zu schauen, was nun dran ist, thematisch, persönlich, gruppendynamisch. Achtsam mit sich, seinem Ergehen, seinen Gefühlen und Gedanken umzugehen, und ebenso umsichtig auf die anderen zu achten, das will gelernt sein. Manche mögen diese Einheit zunächst weniger gern, doch die freien Gruppengespräche werden immer wieder als innerer Kern der Ausbildung erlebt. Sie brauchen Energie, Offenheit, und schenken viel. Mit dem Verlauf des Kurses werden sie zur Seelsorge an Seelsorgenden, zunächst durch die Leitenden, dann aber deutlich auch durch die anderen Seelsorgenden, Brüder und Schwestern. Damit erfahren Seelsorgende an sich selber Seelsorge und lernen Seelsorge wie von der anderen Seite her.

So viel in erzählendem Stil zu meiner Überzeugung, dass und wie eine CPT-Weiterbildung viel bringt. Sicher sind meine Kolleginnen und Kollegen vom CPT bereit zu einem persönlichen Gespräch mit Interessierten. Johannes Utters ist zurzeit der CPT-Beauftragte, also die erste Ansprechperson. Genaues und Aktuelles findet sich unter www.cpt-seelsorge.ch

 

1 Das Bologna-Modell führt bei uns Kursmodule (A) und universitäre Module (B) zusammen. Folgendermassen sehen die Abschlüsse des Bologna-Weges aus:

Zertifikat (CAS): Dazu braucht es einen Wochenkurs CPT (Modul A-1) und einen langen Kurs (Modul A-2), ergänzt mit einem universitären Zusatzmodul (B-Modul) zu vier Tagen in Bern oder Chur.

Diplom (DAS): ein Wochenkurs CPT (Modul A-1) und zwei lange Kurse (Modul A-2), ergänzt mit einem universitären Zusatzmodul (B-Modul) zu acht Tagen und einer Diplomarbeit.

Master (MAS): Der Master in Seelsorge und Pastoralpsychologie kann in Absprache mit der Programmleitung auf dem Diplom aufbauend erreicht werden.

Christoph Weber

Christoph Weber

Christoph Weber ist reformierter Pfarrer, Supervisor und Kursleiter CPT. Er lebt als Pensionierter in Sissach.