Bildung und Begegnung - Vierwochenkurs

Nach 44 Jahren bekommt der Vierwochenkurs eine neue Struktur: Statt vier zusammenhängender Wochen gibt es ab 2017 zwei obligatorische Studienwochen. Die übrige zehntägige Bildungszeit kann in einem Wahlpflichtbereich über zwei Jahre individuell gestaltet werden. Träger des Kurses ist neu das 2016 gegründete Theologisch-Pastorale Bildungsinstitut (TBI). Diese markante Zäsur legt einen Rückblick nahe.

Vor bald 45 Jahren startete der Priesterkurs im Seminar Luzern 1972 nach mehrjährigen, vom Konzil ausgelösten Wehen um eine zeitgemässe Weiterbildung, welche die Bischöfe institutionalisieren wollten.1 Ab 1976 wurden auch Laientheologinnen und -theologen eingeladen. Zur DNA des Kurses gehörten die vier Wochen, das deutschsprachige und interdiözesane Profil, das Obligatorium, wenngleich in den Diözesen unterschiedlich gehandhabt, und die gemeinschaftsorientierte Beziehungsdimension. Im Kontrast zur jährlichen Dekanatsweiterbildungswoche sollten weniger pastorale Alltagsprobleme den Ton angeben, als vielmehr grundlegendere Themen. Zudem standen vertiefende Begegnungen im Fokus. So gab es auch mehr Rekreationszeiten.

44 Jahre: Ein Kurs im Wandel

Der Kurs erwies sich bald als machbar, finanzierbar und zielführend. Die theologischen Inhalte wandelten sich selbstverständlich, ebenso Strukturelles: die Verortung der Spiritualität, die Gottesdiensthäufigkeit, Rahmenangebote, Wüsten- und Kursgruppentage, neue musische und sportliche Aktivitäten, Ateliers, Infotafeln, Steuerungsgruppe.

Partizipation und eine offene, weil weitgehend anonyme Rückmeldekultur führten zu wichtigen Optimierungen. So konnten am vorgängigen Einführungstag die Beteiligten ausser dem Rahmen (Haus, Termin, Referenten) persönliche Wünsche einbringen, ebenso während des Kurses über eine Steuergruppe.

Der Lenkungsausschuss der DOK als Träger des Kurses (der zuständige Bischof, die diözesanen Fortbildungsbeauftragten, der Kursleiter und drei weitere Personen) bestimmte Programm, Themen, Referentinnen und Referenten, Budget sowie die Infrastruktur. Unisono erachtete man den Zeitrahmen als wertvoll und notwendig, wobei mögliche Alternativen angesichts zunehmender Individualisierung, Modularisierung und Flexibilisierung der Bildungslandschaft immer neu diskutiert wurden. In Absetzung zu den sonstigen Bildungsangeboten hielt man am originären Mix von Bildung und vertiefter Begegnung fest.

Alle zehn Jahre schien diese Auszeit samt interdiözesanem Austausch geboten. Nicht zuletzt verhinderte jeweils ein gutes Drittel jüngerer Kolleginnen und Kollegen mit zehnjähriger Berufspraxis, dass sich im Kursgebäude zu viel Patina ansetzte.

Der Rahmen des Kurses

Bis 2016 sorgten jährlich 35 bis 45 Teilnehmerin­nen und Teilnehmer dafür, dass der Kurs finanziell selbsttragend war. 90 Prozent wollten ihn weiter­empfehlen. Dennoch war für die Fortbildungsbe­auftragten die Motivationsarbeit vereinzelt harzig. Selbst wenn nur alle zehn Jahre die Berufsbiogra­fie tangiert wurde und die Nettoabwesenheit von Freitag- bis Montagmittag dauerte: Eine familiäre und pfarreiliche Herausforderung blieb. Dennoch wurde aus anfänglicher Skepsis am Ende fast im­mer Dankbarkeit, und am Abschlussabend wurde ausgelassen gefeiert.

Etliche Referentinnen und Referenten wur­den mehrmals engagiert, weil sie als kompetente Inspiration und Quelle neuer Horizonte geschätzt wurden, mit jener Streuung, die 40 theologischen Geistern nun mal eigen ist. Leitend war die Sym­biose von Theorie und Praxis; wertvoll der per­sönliche Kontakt zwischen Referierenden und Teilnehmenden.

Kollegiale Gemeinschaft

Seit den Anfängen war das "Biotop Kursgruppe" mit 5 bis 6 Personen, das in der ersten spirituel­len Woche gebildet wurde, ein Kernelement des Kurses. Ab 1972 startete man mehrere Jahre lang mit einer gruppendynamischen (!) Trainingswo­che. Biografiearbeit sowie existenziell-religiöse Lebensthemen schufen einen "Aggregatzustand" verletzbarer Offenheit und Vertrautheit. Hier waren eigene Emotionen und Eigenheiten unter­schiedlich intensiv zumutbar.

Über Selbstfindung hinaus ging es darum, den Anderen zu entdecken und ihm irgendwann "Wahres" mitteilen zu können; Prozesse, die nicht immer gelingen und Zeit brauchen wie gemeinsa­me Kinobesuche, Musizieren, Beten, das Ringen mit verschiedenen Ansichten. Nähe, Verstehen, vereinzelt gar Sympathie trotz unterschiedlicher Positionen waren die Früchte. Wer täglich mit und in Beziehungen arbeitet, schätzt diese Zeit samt besserer Fremd- und Selbstwahrnehmung. Gera­de die Beheimatung in der Kursgruppe erlebten fast alle als eine der wertvollsten Kurserfahrun­gen. Manche Gruppen trafen sich jahrelang.

Der vierwöchige Kurs bot damit eine effek­tive Burnout-Prophylaxe, welche diesen Namen auch verdient. Pralle Agenden, Rollenirritationen und gehäufte Umstrukturierungen belasten Seel­sorgende in den letzten Jahren zunehmend, füh­ren zu depressiven Verstimmungen und verlangen nach einem nachhaltigen Durchatmen. Symptoma­tisch dafür war der vielseitige Wunsch in den letz­ten drei Wochen, den Mittwoch den Kursgruppen zur Verfügung zu stellen. Engagiert, variantenreich und lustvoll wurde davon Gebrauch gemacht.

Spiritualität als sensibler Bereich

Wenn es Spannungen gab, dann am dünnhäutigen Organ der Religiosität. Täglich Eucharistie oder freie Meditation? Individuelle Kontemplation? Welche gestalterische Freiheit verträgt die Eucha­ristie? Welche vertrage ich? Grundverständnisse von Priestern, Laien, kategorial Tätigen leuchte­ten dabei auf. Zur Eigenheit des Kurses gehör­te, dass selbst dissonante kirchliche Tonalität in wertschätzender Auseinandersetzung Stimme be­kam und ein farbiges religiöses Tun erlebt wurde.

In den vergangenen Jahren stellten einige einen "Klimawandel" zwischen Laien und Pries­tern und unterschiedlichen Kirchenverständnissen fest. Statt scharfkantiger Kontroversen herrsche respektvolles Mit- und Nebeneinander, was kirch­licher Realität und den Beteiligten gerecht werde.

Orts- und Leitungswechsel

Seit 1972 war das Seminar in Luzern Hauptdo­mizil. Die erste Woche genossen alle in reizvoll gelegenen Häusern (Mariastein, Hertenstein, Quarten u. a.). Danach war urbane Vielseitigkeit attraktiv. Ein neues Nutzungskonzept in St. Beat führte 2012/2013 zum Auszug ins Lassallehaus und 2014 bis 2016 ins Priesterseminar Chur. Die­ses stand ausschliesslich dem Kurs zusammen mit den Hochschuleräumen zur Verfügung und bot optimale Bedingungen. Die Kursleitung lag in di­versen Händen, u.a. bei Paul Zemp, ab 1993 bei Toni Brühlmann und von 2003 bis 2016 beim Ver­fasser. 600 Seelsorgende vier Wochen lang haut­nah zu erleben, das eröffnete mir 600 Fenster ins deutschschweizerische Kirchesein. Ein ungemei­ner Reichtum. Und 40 erfahrene Kolleginnen und Kollegen jährlich über Kontakt, Nähe und Neu­gier in gutem Geist durch diese Wochen zu beglei­ten, ist eine der schönsten Aufgaben der Kirche Schweiz. Der aktuelle Wechsel wird neue Chan­cen kreieren und vermutlich den Kurs für noch mehr Seelsorgende zugänglich machen, insbeson­dere für Frauen und teilzeitlich Beschäftigte. Nach wie vor hat der Vierwochenkurs Unterstützung und einen vitalen Segen verdient.

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2017 neuer Vierwochenkurs

Der Arbeitgeber sollte nach wie vor die Kosten – über zwei Jahre – von neu 7000 bis 8000 Franken übernehmen. Wie bisher werden alle Seelsorgenden der Deutschschweiz mit 10-, 20- oder 30-jähriger Berufspraxis eingeladen. Nach der Neukonzeption werden 2017 die beiden Studienwochen vom TBI vom 28. August bis 8. September im Lassalle-Haus Bad Schönbrunn in Edlibach (ZG) durchgeführt.

Siehe auch: www.tbi-zh.ch/vierwochenkurs-theologinnen

 

1 Vgl. Paul Schwaller / Paul Zemp: 30 Jahre diözesane Fortbildung im Bistum Basel, in: SKZ 168 (2000), 666– 671, 683–688 und Bernd Kopp: Vier Wochen Kurs, in: SKZ 175 (2007) 431 f.

Bernd Kopp | © zhkath.ch

Bernd Kopp

Bernd Kopp ist als Theologe, Supervisor (BSO) und Mediator Leiter der Stelle für Gemeindeberatung und Supervision in Zürich. www.pfarreiberatung.ch