«Bei Gott gibt es keine Pensionäre»

Dieses Zitat hat sich in meinem Gedächtnis festgesetzt. Seither beobachte ich viele Kolleginnen und Kollegen, wie sie mit ihrer eigenen Pensionierung ringen und mit ihr ganz unterschiedlich umgehen.

Da gibt es die eifrigen Nimmermüden, die sich trotz staatlicher Pensionierung überhaupt noch nicht im Ruhestand wissen. Einer geht gerade noch zwei Forschungsprojekte an und bricht zu einer Gastprofessur in Südasien auf. Er fühlt sich gar noch nicht pensioniert. Da gibt es die Zufriedenen, die den Tag der Pensionierung endlich erreicht haben, die nun ihr Leben neu einteilen und mehr als zuvor geniessen. Sie sind einfach froh, dass sie ausatmen dürfen.

In der Kirche schätzen manche hauptamtlich Pensionierte, dass sie noch ein Teilpensum übernehmen können, vielleicht eine Stellvertretung oder eine Aushilfe. Eher traurig und indigniert reagieren Priester darauf, wenn sie plötzlich – mit oder ohne Rückfrage – vom Gottesdienstplan gestrichen werden oder keine Anfragen mehr zu einem Dienst erhalten. Sie haben in ihrem Studium gelernt, der Priester kennt eigentlich keine Pensionierung, denn er ist «Priester auf ewig». Manche rappeln sich denn mit Stöcken oder anderen Gehhilfen auf zum Dienst; sie tun etwas Gutes und finden Anerkennung. Ob es immer richtig ist, bleibe dahingestellt.

«Bei Gott gibt es keine Pensionäre?»

Die Aussage zielt darauf hin, dass es nach der Pensionierung für jede Frau und für jeden Mann, ob frühzeitig oder «zu spät» pensioniert, noch eine sinnvolle und sinnstiftende Arbeit gibt, welche man wahrnehmen kann. Oft kommen von kranken oder behinderten Menschen viele gütige und fröhliche Worte, die den andern Lebensmut vermitteln und belegen, dass sie noch nicht «pensioniert» sind. Deshalb mein Plädoyer für eine Willkommenskultur gegenüber den Pensionierten, die aber selbst keine Ansprüche auf frühere Rechte machen sollten.

 

Stephan Leimgruber

Stephan Leimgruber

Dr. Stephan Leimgruber ist seit Februar 2014 Spiritual am Seminar St. Beat in Luzern und zuständig für die Theologinnen und Theologen in der Berufseinführung. Bis zu seiner Tätigkeit in Luzern war er Professor für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät in München.