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«Mit Migranten und Flüchtlingen: Unterwegs zu einer besseren Welt»

Wort der Schweizer Bischöfe

Liebe Brüder und Schwestern

Heute sind in aller Welt viele Menschen unterwegs. Nicht alle tun das freiwillig. Kriege und Armut zwingen unzählige Menschen, ihre vertraute Heimat zu verlassen, um zu überleben und auf eine bessere Zukunft zu hoffen. Dabei verlieren nicht wenige auf der Flucht ihr Leben, oder sie müssen erleben, wie sie nicht erwünscht sind und schlecht aufgenommen werden. Einige möchten auch in unser Land kommen, das überall bekannt ist wegen seinem Frieden und Wohlstand. Papst Franziskus hat letztes Jahr bei seinem Besuch der Flüchtlinge auf der Mittelmeerinsel Lampedusa offen bekannt, wie er sich persönlich überfordert fühle durch die Not der unzähligen Flüchtlinge, die nach Europa kommen wollen. Damit hat er ein Unbehagen ausgedrückt, das auch wir empfinden, wenn wir von den vielen Menschen hören, die heute auf der Flucht sind und dabei zu wenig Hilfe und menschenwürdige Aufnahme finden.

Unser eigenes Land braucht viele Leute aus dem Ausland, um den Wohlstand weiterhin zu bewahren. Deswegen nahm in den letzten Jahren unsere Bevölkerung um mehr als ein Prozent zu. Um alle Neuzugezogenen aufzunehmen, könnten wir in der Schweiz jedes Jahr eine neue Stadt bauen, die grösser wäre als Luzern. Als im vergangenen Februar sich mehr als die Hälfte unserer Stimmbürger überraschenderweise gegen eine «Masseneinwanderung» ausgesprochen hat, sind nicht wenige Leute bei uns und in Europa erschrocken. Manche der über 23 Prozent Ausländer in der Schweiz haben sich gefragt, ob sie bei uns noch erwünscht seien. Spitäler und Betriebe, die auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen sind, fragen sich, wie sie ihren Betrieb aufrechterhalten können. Unsere Politiker versuchen im Ausland und in der EU, den Schaden zu begrenzen und zu erklären, dass unser Volk nicht wegen einer Ausländerfeindlichkeit so abgestimmt habe, sondern aus einer Sorge und der Überzeugung, dass auch in unserem Wohlstandsstaat Grenzen des Wachstums angebracht und nötig seien.

Dankbar dürfen wir allen sein, die Flüchtlinge in unserem Land gut aufnehmen, aber auch denen, die sich in den Krisengebieten dafür einsetzen, dass den Flüchtlingen mit Menschlichkeit und Wohlwollen geholfen wird. Unzählige engagieren sich überall in der Welt, dass Armut und Not am Ort so überwunden werden, damit es nicht zu Vertreibungen und Kriegen kommt, sondern dass die Menschen in ihrem Land selber bessere Lebensmöglichkeiten finden.

Danken dürfen wir allen Pfarreien und Kirchgemeinden, die anderssprachige Glaubensschwestern und -brüder gastfreundlich aufnehmen und es ihnen ermöglichen, ihren katholischen Glauben in ihrer Sprache und Kultur zu leben. Dazu helfen ihnen ihre anderssprachigen Missionare, deren anspruchsvoller Seelsorgeeinsatz unsere besondere Dankbarkeit verdient. Bewunderung und Dankbarkeit dürfen wir auch allen Ausländern zeigen, die sich aufgemacht haben, ihre vertraute Heimat zu verlassen, um das Abenteuer einzugehen, bei uns eine neue Existenz aufzubauen. Sie verdienen es, dass wir ihnen nicht von vornherein mit Misstrauen und Vorurteilen begegnen, sondern mit Offenheit, Wohlwollen und christlicher Geschwisterlichkeit. Denn so oft können wir erleben, wie diese fremden Menschen uns in vielfacher Weise bereichern können: menschlich, kulturell, mit ihrer Phantasie, Lebensfreude und Arbeitskraft. Wir Schweizer müssen gar nicht in aller Welt herumreisen, um die Schätze der fremden Kulturen zu erleben. Es sind ja so viele Fremde bereits bei uns, die Freude haben, wenn wir sie vermehrt entdecken und schätzen. Bei einem guten und gerechten Umgang mit den Fremden können wir bei uns erleben, dass sie uns weniger Probleme bringen, als vielmehr Freude und neue Lebensperspektiven.

+ Martin Gächter, Delegierter der Schweizer Bischofskonferenz für Migration