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Zur Veröffentlichung des Buches «Mon Père, je vous pardonne» von Daniel Pittet

Am 16. Februar 2017 erschien das Buch «Mon Père, je vous pardonne» von Daniel Pittet. Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und die Schweizer Provinz der Kapuziner – wie schon Papst Franziskus, welcher das Vorwort verfasst hat – erachten das Buch als «ein notwendiges, kostbares und mutiges Zeugnis» eines Opfers, das als Kind während vier Jahren (1968–1972) seitens eines Kapuziner Priesters sexuell missbraucht worden ist.

Obwohl der Fall schon 2002 in der Öffentlichkeit grosse Aufmerksamkeit erfuhr, liefert das Buch mit seinen zahlreichen Details eine beispielhafte Darstellung, wie das bösartige und manipulative Verhalten des Täters durch die Schuld Einzelner und durch die Schuld, die sich in Strukturen, Verhaltens-und Denkmustern festsetzt oder sich in unterlassener Hilfe zeigt, getragen und versteckt werden konnte. Die SBK und die Ordensgemeinschaften haben bereits mehrmals die Verantwortung für sämtliche Übergriffsfälle im kirchlichen Umfeld anerkannt. Die Kapuziner und die Diözese Lausanne, Genf und Freiburg bedauern in diesem konkreten Fall die Fehler zutiefst, welche damals begangen wurden.

Der Fall des Täters J. A. war dreimal vor Gericht

Eine erste Anklage wurde 1995 gegen J. A. wegen sexuellen Übergriffen in Saint-Maurice erhoben. Der Untersuchungsrichter konnte nicht auf die Anklage eingehen, weil sie sich auf verjährte Fälle bezog.

2008 setzte das Bistum Lausanne, Genf und Freiburg die «Commission SOS Prévention» ein, bei welcher sich auch zwei mutmassliche Opfer des Täters J. A. meldeten. Die von dieser Kommission zusammengetragenen Informationen sowie weitere vom damaligen Offizial weitergeleitete Dokumente bildeten die Basis für eine gerichtliche Untersuchung des Falles J. A. in Freiburg. Die Untersuchungsrichterin bestätigte am 3. November 2008, dass die Voruntersuchung zwar 22 Opfer identifizieren konnte, alle Fälle jedoch bereits verjährt waren, weshalb keine formelle Anklage erhoben werden konnte. J.A. hatte aber während der Voruntersuchung selber zwei weitere Opfer genannt, die 1992–1995 in Frankreich missbraucht worden seien. Infolgedessen wurde das Dossier an die Staatsanwaltschaft Grenoble weitergeleitet. Am 5. Januar 2012 wurde J. A. vom Tribunal Correctionnel de Grenoble zu einer Haft von zwei Jahren bedingt schuldig gesprochen. Das Gericht ordnete keine weiteren Präventivmassnahmen an.

Reaktion des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg

Bischof Charles Morerod, Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg und Präsident der SBK, nimmt die ausführlichen Informationen, welche das Buch von Daniel Pittet liefert, zum Anlass, um eine mögliche Beteiligung von weiteren Personen in seiner Diözese zu untersuchen.

Reaktion der Kapuziner

Die Kapuziner stehen zu den Anschuldigungen, dass durch die damals übliche Praxis im Umgang mit Tätern von sexuellen Übergriffen weitere Übergriffe erst möglich wurden. Um den Ruf der Kirche oder des Ordens zu schonen, versuchte man damals, allein durch interne Regelungen wie Versetzung oder Berufsverbot das Problem zu lösen. Bei Versetzungen wurden die neuen Arbeitgeber zu wenig informiert. Leider wurden auch Hinweise und Meldungen von Opfern zu wenig ernst genommen. Dies wird im Buch von Daniel Pittet anschaulich geschildert.

Die Kapuziner werden durch eine unabhängige juristische Instanz gründlich abklären lassen, wie weit sich aus dem Buch von Daniel Pittet neue Verdachtsfälle von Verschleierung ergeben und ob noch weitere Opfer gefunden werden können. Wir haben aus den bitteren Ereignissen die Lehren gezogen, und es wurden verschiedene Vorkehrungen getroffen, um solches in Zukunft zu vermeiden. Zur Ausbildung gehört heute ein obligatorisches Präventionsprogramm. Es gilt heute die Null-Toleranz-Regel bei solchen Vergehen. Und es gelten die strengen Bestimmungen der SBK und der Vereinigung der Höhern Ordensobern der Schweiz (Richtlinien zu sexuellen Übergriffen im kirchlichen Umfeld, 3. Auflage, Freiburg, Januar 2014).

Über die Resultate beider Untersuchungen wird die Öffentlichkeit zu gegebener Zeit informiert.

Die SBK und die Kapuziner ersuchen deshalb die Opfer, sich zu melden. Fälle, welche nach staatlichem Recht zwar verjährt sind, können dennoch im Rahmen einer kanonischen Untersuchung überprüft werden. Für die verjährten Fälle existiert zudem ein Genugtuungsfonds.

Die SBK und die Kapuziner hoffen, dass das Buch von Daniel Pittet weiteren Opfern den notwendigen Mut schenkt, um ihre Geschichte anvertrauen zu können, und so weitere Übergriffe verhindert.

Dazu weitere Informationen unter:

www.bischoefe.ch/content/view/full/12466