Adventszeit

Advent

«Wenn er wiederkommt im Glanz seiner Herrlichkeit …»

Die Adventszeit ist eine vielschichtige Zeit. Das fällt auf den ersten Blick gar nicht so auf, scheint diese Zeit doch ganz bestimmt zu sein durch die Vorfreude auf die Feier der Geburt Jesu Christi. Der genauere Blick in die Liturgie verrät jedoch, dass durchaus unterschiedliche Motive diese Zeit im Kirchenjahr bestimmen. In den ersten Wochen vom 1. bis 16. Dezember steht die Erwartung der endzeitlichen Ankunft des Herrn im Zentrum der Liturgie. Sie lenkt den Blick auf das Kommen des Herrn in Herrlichkeit, auf die Parusie.

Die Tage vom 17. bis 24. Dezember sind hingegen nicht eschatologisch geprägt, sondern ganz hin geordnet auf Weihnachten. In diesen Tagen erwartet die feiernde Kirche sehnsuchtsvoll die Feier der Menschwerdung Gottes. «Advent» – lateinisch adventus, griechisch epiphaneia – gedenkt der Ankunft des Erlösers in seiner Geburt und greift zugleich voraus in die Zukunft zur endgültigen Ankunft Christi.

«… werden wir sichtbar empfangen …»

Die doppelte Prägung der Adventszeit ist Erbe ihrer Entstehung. Ein Wurzelstrang führt nach Gallien und Spanien. Dort findet sich schon Ende des 4. Jhd. eine zunächst dreiwöchige Adventszeit, die als Zeit der Askese verstanden wurde. Durch Fasten und Werke der Nächstenliebe sowie durch die eifrige Mitfeier der Gottesdienste bereiteten sich die Christinnen und Christen auf die endzeitliche Wiederkunft Christi vor. Diejenigen unter ihnen, die noch nicht getauft waren, nutzten die Bussgesinnung dieser Tage, um sich intensiv auf ihre Taufe vorzubereiten, die sie dann auch an Epiphanie empfingen. Advent ist hier verstanden als Zeit der Umkehr, die die Feiernden bereitet für die Wiederkunft des als Richter und Retter erwarteten Herrn. Schon Ende des 5. Jhd. gibt eine Adventspredigt des Perpetuus von Tours (+ 491) Zeugnis von einer 40-tägigen Fastenzeit vor Weihnachten, die am 11. November beginnt, also sechs Wochen dauerte, und der Österlichen Busszeit gleichgestaltet war.

Anders im römischen Einflussbereich: Hier bereiteten sich die Christinnen und Christen auf das Jahresfest der Feier der Ankunft Christi «im Fleische» vor. Freudig und sehnsuchtsvoll erwarteten sie, aufs Neue erfüllt zu werden von dem Heil, das durch die Menschwerdung Gottes in biblischer Zeit geschehen war. Zugleich feierten sie dieses jährliche Fest als Unterpfand der Vollendung der Erlösung beim Kommen Christi in Macht und Herrlichkeit am Ende der Zeiten. Die frühen römischen Quellen kennen die Motive Taufe und Busse nicht. Advent ist hier Ausdruck für die Ankunft Christi unter den Menschen.

Mit der Zeit wurden beide Motivstränge in der römischen Liturgie zusammengeführt. Die «Grundordnung des Kirchenjahres» unterstreicht heute noch den doppelten Charakter der Adventszeit als Vorbereitungszeit auf Weihnachten und als Erwartung der Ankunft Christi zur Parusie. Unter beiden Gesichtspunkten will der Advent eine Zeit der hingebenden und freudigen Erwartung sein.

«… was wir mit wachem Herzen gläubig erwarten» (Präfation Advent I)

Dies spiegelt sich in den Lesungen der Adventszeit wider. Jeder Sonntag steht unter einem Grundthema, das in den drei Lesejahren je verschieden ausgestaltet ist. Das Grundthema des 1. Advents ist die «Wiederkunft Christi». Für das Lesejahr A ist eine Lesung aus dem Römerbrief vorgesehen, die wie eine Ouvertüre für die ganze Adventszeit erscheint: «Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts» (13,11 f). Auch im Evangelium ruft Christus der hörenden Gemeinde zu: «Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt» (Mt 24,42). In den Lesejahren B und C sind ähnliche Schriftstellen ausgesucht. Im Advent 2017 wird das Markusevangelium im Zentrum stehen und der Ruf lautet: «Seht euch also vor und bleibt wach!» (Mk 13,33) und im Advent 2018: «Nehmt euch in acht!» (Lk 21,34).

Der 2. Advent thematisiert die Umkehrpredigt des Johannes. Angesichts des bevorstehenden Weltgerichtes fordert Johannes die Bekehrung: «Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Strassen! Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt» wird in allen Lesejahren dem im Evangelium gegenwärtigen Christus im Halleluja-Vers entgegengerufen.

Am 3. Advent geht es dann um Jesus und Johannes. Wer ist dieser Jesus? Ist er der ersehnte Messias? Im Matthäusevangelium des Lesejahres A lässt Johannes aus dem Gefängnis heraus Jesus fragen: «Bist du der, der kommen soll?» (Mt 11,3). Im Advent 2017 ist es das Zeugnis des Täufers für Jesus (Joh 1,6–8.19–28), das im Zentrum des Tages steht. Im Lesejahr C, das nächste Mal im Advent 2018, wird Johannes nach dem Lukasevangelium bekunden: «Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen» (Lk 3,16). Auffällig ist, dass dieser 3. Advent ganz unter dem Motiv der Freude steht: «Freut euch zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!» (Phil 4,4–7): Die Zeit des Wartens neigt sich dem Ende zu.

«Denn schon leuchtet auf der Tag der Erlösung und nahe ist die Zeit unseres Heiles, da der Retter kommt …» (Präfation Advent V)

Der 4. Advent, wie auch alle sieben Tagen vor Weihnachten, ist auf die Ereignisse im Umfeld der Geburt Jesu ausgerichtet. Im Lesejahr A wird aus dem Matthäusevangelium von der Verkündigung an Josef berichtet (Mt 1,18–24). Im Lesejahr B steht die Verkündigung des Engels Gabriel an Maria im Zentrum (Lk 1,26–28), und im Lesejahr C wird aus dem Lukasevangelium der Besuch Marias bei Elisabet gelesen (Lk 1,39–47).

So vorbereitet, können dann alle Mitfeiernden in der Heiligen Nacht einstimmen in den Halleluja-Vers: «Ich verkünde euch eine grosse Freude: Heute ist uns der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.»

 

 

Birgit Jeggle-Merz (Bild: unilu.ch)

Birgit Jeggle-Merz

Dr. theol. Birgit Jeggle-Merz ist Ordentliche Professorin für Liturgiewissenschaft an der Theologischen Hochschule Chur und a. o. Professorin in derselben Disziplin an der Universität Luzern.